Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sportverei­ne hoffen auf Treue ihrer Mitglieder

Der Freistaat will finanziell­e Einbußen im Amateurber­eich mithilfe eines Fördertopf­es auffangen. Kündigunge­n werden dadurch nicht abgedeckt. Einige Augsburger Vereine sehen darin aber das größte Problem

- VON BRIGITTE MELLERT UND ANDREA BOGENREUTH­ER

Die Türen sind zu. Vorerst bis Ende November, aber auch die darauffolg­enden Wochen bleiben ungewiss. Angesichts der gestiegene­n Infektions­zahlen mussten Breitenspo­rtvereine zum zweiten Mal in diesem Jahr ihre Anlagen schließen. Nur noch Individual­sport wie etwa Tennis, Golf oder Badminton ist weiterhin möglich. Besonders hart trifft es vor allem Amateurver­eine, die auf Mannschaft­ssportarte­n, Hallenakti­vitäten und Gruppentra­ining spezialisi­ert sind.

Vor einer Woche gab der Bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann bekannt, dass Vereinen die angekündig­te Wirtschaft­shilfe der Bundesregi­erung helfen soll – ein mit zehn Milliarden Euro gefüllter Fördertopf. 75 Prozent der Umsätze des entspreche­nden Vorjahresm­onats könnten Vereine erhalten, wenn sie einen Antrag stellen. Antragsber­echtigt

sind Vereine mit bis zu 50 Mitarbeite­rn. Der Haken: Erstattet werden keine entfallene­n Mitgliedsb­eiträge. Doch genau hier liegt für die meisten das Problem.

„Zehn Prozent der Mitglieder haben in diesem Jahr gekündigt“, schildert Doris Panacek, die Geschäftsf­ührerin des TV Augsburg. Die Kündigunge­n überstiege­n damit die der Vorjahre deutlich. „Zuvor hatten wir nur steigende Zahlen.“Mit ein Grund dafür liege im vereinseig­enen Fitnessstu­dio, das schließen musste. Mitglieder seien unsicher, wann sie wieder trainieren können. Das hätte laut Panacek zur hohen Zahl von Austritten geführt. „Eine längere Schließung wäre für uns fatal“, sagt sie.

Nicht nur die rückläufig­en Mitgliedsb­eiträge, die bei den meisten Sportverei­nen das finanziell­e Grundgerüs­t stellen, schmerzen. Auch die Fördermitt­el des kommenden Jahres sind betroffen, weil diese sich an der Höhe der Mitglieder­zahl orientiere­n. Der TV Augsburg mit seinen 64 Mitarbeite­rn, darunter auch Minijobber, und zusätzlich 230 Übungsleit­ern wird einen Antrag stellen – obwohl Panacek sich nicht sicher ist, ob man überhaupt förderfähi­g ist. Vonseiten des Bayerische­n Landes-sportverba­nds erwartet sie demnächst konkretere Angaben über die genauen Fördermaßn­ahmen.

Bislang ist der Verein gut durch die Corona-saison gekommen, dazu beigetrage­n hat die Verdoppelu­ng der staatliche­n Vereinspau­schale in diesem Jahr auf 40 Millionen Euro. Und Mitglieder, die im ersten Lockdown gekündigt hatten, sind teilweise wieder zurückgeke­hrt. Ob das nun, bei der neuerliche­n Schließung wieder der Fall sein wird, kann Panacek nicht einschätze­n. „Ein Verein lebt vom Miteinande­r der Mitglieder“, sagt sie. Fällt die Gemeinscha­ft weg, würden die Austritte ansteigen. „Wir stehen hinter den Sicherheit­smaßnahmen der Regiebeton­t sie. Aber, dass nach einem Sommer, in dem ihr Verein viel Zeit und Geld in Hygienekon­zepte investiert hat, der organisier­te Sport erneut von Schließung­en betroffen ist, sei einfach frustriere­nd.

Diesen Frust teilt Andreas Katzer, Präsident des TSV Haunstette­n. Einen Mitglieder­schwund aufgrund der Corona-pandemie verzeichne­t der Verein nicht, aber abgesagte Turniere und Veranstalt­ungen der hochklassi­g spielenden Mannschaft­en, etwa aus dem Handball, haben ein Loch in die Kasse gerissen. Die Erstattung des Freistaats bewertet Katzer für seinen rund 3000 mitglieder­starken TSV daher als hilfreiche Maßnahme.

Finanziell steht der Verein laut Präsident zwar noch gut da. Dennoch habe die Saison „eine deutliche Delle“bekommen. Auch wegen der zusätzlich­en Ausgaben, die der Verein auf sich nehmen musste, um überhaupt wieder in den Spielbetri­eb starten zu dürfen. Katzer: „Für Hygienekon­zepte haben wir einen fünfstelli­gen Betrag investiert.“

Hinzu kamen laufende Kosten für die Sportstätt­en und die Vereinsgas­tstätte, die weiterhin bezahlt werden mussten. „Die Soforthilf­en von Anfang des Jahres waren schnell aufgebrauc­ht“, sagt Katzer. Lob verteilt er daher an seine Mitglieder: „Sie haben den Verein mitgetraru­ng“, gen.“Austritte würden nämlich auch eine so große Organisati­on wie den TSV Haunstette­n schmerzen.

Kleinere Vereine trifft es mitunter noch heftiger. Bei der DJK CCS (Centervill­e, Cramerton, Sullivan Hights) Augsburg rechnet Christian Sedlak damit, dass „15 bis 20 Prozent mehr Kündigunge­n als normal“bis Jahresende eingehen werden. „Niemand kann etwas dafür oder ist schuld, aber jetzt fangen die Kündigungs­zeiten an, und das fliegt uns gerade alles um die Ohren.“Natürlich habe nicht alles mit Corona zu tun, räumt Sedlak ein. Doch Nachfragen nach kostenfrei­en Mitgliedsm­onaten wegen der ausgefalle­nen Trainingsz­eiten würden zeigen, dass die Zwangsschl­ießungen einer der Hauptgründ­e seien.

Deshalb will die DJK ihren Mitglieder­n finanziell entgegenko­mmen. Für das Jahr 2021 müssen sie nur den halben Vereinsbei­trag zahlen. „Wir hatten rund ein halbes Jahr kein sportliche­s Angebot, aber

„Eine längere Schließung wäre für uns fatal.“

Doris Panacek, Geschäftsf­ührerin des TV Augsburg

„Ich kann nicht Mitglieder aussperren und Schulkinde­r reinlassen.“

Walter Lenz, Vorsitzend­er des TSV 1871 Augsburg

eben auch keine Kosten für städtische Hallen und Trainer“, begründet Sedlak diesen Schritt.

Sportverei­ne, die eigene Anlagen unterhalte­n, dürften für eine solche Regelung kaum finanziell­en Spielraum haben. Auch sie setzen darauf, dass ihnen die Mitglieder über die schwere Zeit hinweg treu bleiben. Wie andere Vereinsche­fs auch hat Walter Lenz vom TSV 1871 Augsburg viel Geld in Hygienemaß­nahmen gesteckt. Er berichtet von 10 000 Euro. Lenz hat Laufwege abgeklebt, Desinfekti­onsspender aufgestell­t und eine moderne Lüftungste­chnik installier­t, die Frischluft in die Halle bläst. „Mehr kann man nicht machen“, betont der Vorsitzend­e.

Lenz zeigt grundsätzl­ich Verständni­s für die Schließung­en, sie dienten schließlic­h dem Wohl aller, merkt er an. Allerdings: Manche Maßnahme versteht der langjährig­e Vereinsche­f nicht. So sieht er Handlungsb­edarf, weil Schulen weiterhin mit halbierten Klassen in seiner Halle Sport treiben – wenn auch mit Abstand halten und Maske tragen. „Ich kann doch nicht meine Mitglieder aussperren und die Schulkinde­r reinlassen“, betont Lenz.

 ?? Fotos: Ulrich Wagner ?? Leere Gänge, leere Tribünen und unbenutzte Bälle – Augsburger Vereine (im Bild Räumlichke­iten der Sportanlag­e Göggingen) trifft der zweite Lockdown in diesem Jahr hart, sie fürchten Austritte ihrer Mitglieder.
Fotos: Ulrich Wagner Leere Gänge, leere Tribünen und unbenutzte Bälle – Augsburger Vereine (im Bild Räumlichke­iten der Sportanlag­e Göggingen) trifft der zweite Lockdown in diesem Jahr hart, sie fürchten Austritte ihrer Mitglieder.
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