Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Erzieher fühlen sich unzureiche­nd informiert

Trotz hoher Infektions­zahlen wird der Betrieb in den Kitas aufrechter­halten. Die Erzieher können das nicht nachvollzi­ehen, sie klagen außerdem über mangelnde Wertschätz­ung. Die Stadt hält dagegen

- VON MIRIAM ZISSLER UND ANDREA BAUMANN

In der Augsburger Kitalandsc­haft brodelt es. Seit Wochen schultern Erzieher ihren Dienst trotz erschwerte­r Bedingunge­n und sehen sich beinahe täglich mit Änderungen konfrontie­rt. „Jeden Tag gibt es neue Vorschrift­en. Das strengt an“, sagt die Erzieherin einer Augsburger Kita, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Erst am Freitag hätten sie und ihre Kollegen erfahren, dass Eltern im Fall einer Erkrankung ihres Kindes bei der Rückkehr in die Einrichtun­g keinen negativen Corona-test vorlegen müssen. „Jetzt wird der Ball wieder in unsere Hände gespielt und wir müssen entscheide­n, ob ein Kind kommen darf oder nicht.“Viele Eltern fühlten sich benachteil­igt, wenn man ihnen sage, dass ihr Kind zu krank für die Kita sei. Nicht nur deshalb sind die Erzieherin­nen es leid, den Schwarzen Peter in den Händen zu halten.

Sicher fühle sie sich in ihrem Arbeitsall­tag nicht mehr, erzählt die Erzieherin. „Die Maske, die ich im Dienst trage, schützt ja vor allem die Kinder und nicht mich.“Angst habe sie zwar keine, sagt sie. Trotzdem ärgert sie sich: Abstände könnten in einer Kita nicht eingehalte­n werden. Kinder säßen bei ihr auf dem Schoß, natürlich nehme sie sie auch einmal in den Arm. „Kinder und Eltern zusammenge­rechnet, habe ich etwa Kontakt mit 25 verschiede­nen Haushalten – und das an einem Tag.“Eine Wertschätz­ung, wie sie Pflegern oder Lehrern zuteil werde, komme bei Erziehern aber nicht an.

Maria Marberger von Augsburgs größter Kindertage­sstätte St. Elisabeth mit 252 Plätzen ist noch schlechter auf die Stadt zu sprechen. Die Leiterin der Einrichtun­g in Lechhausen beklagt eine „inakzeptab­le und späte Informatio­nspolitik“. Erst am frühen Freitagnac­hmittag sei auch sie vom Bildungsre­ferat informiert worden, dass Kinder mit milden Erkältungs­symptomen nun von Montag an doch in die Kita dürfen. Dieses Umschwenke­n „auf den letzten Drücker“sei eine Zumutung für Kitaleitun­gen, Mitarbeite­r, Eltern und Kinderärzt­e, sagt Marberger auch im Auftrag anderer katholisch­er Kitas. Hinzu kommt, dass sie mittlerwei­le die Eltern über Quarantäne­maßnahmen der Kinder informiere, weil das Gedieser Aufgabe nicht mehr nachkomme. Bei St. Elisabeth ist ohnehin nur noch ein eingeschrä­nkter Betrieb möglich. Während der Kindergart­en noch regulär geöffnet ist, musste Marberger alle vier Hortgruppe­n schließen – wegen Corona und Personalno­t. „Sieben Mitarbeite­rinnen sind in Quarantäne, weil sie auf ihr Testergebn­is warten.“

Die Regelung, dass Kitas in Augsburg trotz der hohen Inzidenzza­hlen weiterhin ohne Einschränk­ungen geöffnet bleiben, habe für große Verwirrung gesorgt. Lange sei man davon ausgegange­n, dass bereits ab einer Sieben-tages-inzidenz ab 50 Notbetrieb herrscht, so Marberger. Daniel Leinen, Fachberate­r für Katholisch­e Kitas des Caritas-verbands, spricht das Thema im Jugendhilf­eausschuss am Montag ebenfalls an. Die vergangene­n Wochen wären für die Einrichtun­gen ein Kraftakt gewesen, Personalau­sfälle hätten abgedeckt werden müssen. „Und dann werden die Einrichtun­gen im Unklaren darüber gelassen, ob der Automatism­us für das Ampel-system nun gilt oder nicht“, betont er. Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg (CDU) bat um Verständni­s für die Mitarbeite­r der Verwaltung, die von „einem auf den anderen Tag selber überrascht werden“, wenn es neue Anordnunge­n gebe.

In einer Pressemitt­eilung hatte Bildungsbü­rgermeiste­rin Martina Wild (Grüne) am Freitag informiert, dass angesichts einer vom Staat am 4. November getroffene­n Entscheidu­ng ab sofort vom Stufen-modell in Schulen und Kitas abgerückt werde. Bislang hätte dort ab einem Sieben-tage-inzidenzwe­rt von 50 die Stufe Rot aussundhei­tsamt gerufen werden können. Kitas hätten damit auf einen Notbetrieb umstellen können. Bürgermeis­terin Martina Wild betonte im Jugendhilf­eausschuss erneut, dass die Stadt Augsburg Kinder und Jugendlich­e nicht verlieren und zurücklass­en wolle und deshalb versuche, Kitas und Schulen so lange wie möglich geöffnet zu lassen. Im Hinblick auf Bildungsge­rechtigkei­t und Kindswohl sei das das Beste für die Kinder. Viel Dank und Zustimmung habe sie dafür von Seiten der Eltern erhalten. Jugendamts­leiter Joachim Herz warf ein, dass mehr darüber diskutiert werden müsste, was die Pandemie mit Kindern mache – wenn Schule oder Kita schließen würden, Angebote für Kinder und Jugendlich­e nicht mehr wahrgenomm­en werden könnten. Dennoch gibt es Eltern und Kinder, denen bei der Vorstellun­g, Kita oder

Schule besuchen zu müssen, langsam unwohl werde.

So oder so könne ein Teil der Augsburger Kinder derzeit das Kita-angebot nicht nutzen, weil aufgrund von Corona-infektione­n oder Verdachtsf­ällen Quarantäne­maßnahmen angeordnet wurden, verdeutlic­hte Eva-maria Hermanns vom Augsburger Amt für Kinderbetr­euung die Situation. So gebe es derzeit Quarantäne­fälle in Kita-gruppen von insgesamt 21 Einrichtun­gen in der Stadt, eine Kita ist ganz geschlosse­n. In Lechhausen gibt es einen Hot-spot: Dort sind elf Gruppen in sieben Einrichtun­gen betroffen. Hermanns: „Diese Zahl muss man aber in Relation zu der Größe des Stadtteils und der Anzahl der dortigen Einrichtun­gen setzen. In Augsburg haben Kitas in allen Stadtteile­n Probleme mit Corona.“

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Augsburger Kitas sollen bis auf Weiteres geöffnet bleiben – trotz der hohen Inzidenzza­hlen. Das sorgt für Diskussion­en.
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Augsburger Kitas sollen bis auf Weiteres geöffnet bleiben – trotz der hohen Inzidenzza­hlen. Das sorgt für Diskussion­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany