Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fitnessstu­dio erweist dem Sport einen Bärendiens­t

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER klan@augsburger‰allgemeine.de

Dieser Schuss ging aber mal so richtig nach hinten los. Denn die vermeintli­ch „erfolgreic­he“Klage eines Fitnessstu­dios hat innerhalb weniger Stunden dazu geführt, dass seit Freitagmor­gen jeglicher Indoorspor­t in Bayern verboten ist. Vielleicht hatte sich der Fitnessstu­diobetreib­er ja an jenem Augsburger Gastronome­n orientiert, der mit seiner erfolgreic­hen Klage eine Sperrstund­e für alle kippte. Doch diesmal ist die Rechnung nicht aufgegange­n. Zwar hat das Gericht dem Fitnessstu­diobetreib­er recht gegeben, doch die Freude über die in Aussicht gestellte Wiedereröf­fnung währte denkbar kurz.

Postwenden­d wurde von der Bayerische­n Staatsregi­erung die Allgemeinv­erfügung über die sofortige Schließung aller Indoorspor­tstätten aus dem Köcher gezogen. Nun sind unter dem Dach nicht einmal mehr Einzelspie­le im Tennis und Badminton erlaubt – ungeachtet der Tatsache, dass in den riesigen Hallen nachweisli­ch viel Fläche und Raumvolume­n auf eine Handvoll Spieler treffen. Bei nüchterner Betrachtun­gsweise völlig coronakonf­orm. Und mit einem Fitnessstu­dio nicht vergleichb­ar.

Doch aus Angst, dem richterlic­hen Beschluss des Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­ofs folgen und die Wiedereröf­fnung von Fitnessstu­dios zulassen zu müssen, wurde am Donnerstag­abend die Schließung im Schnellver­fahren verfügt. Wie Vereine und Tennisstät­ten die Vorgaben quasi über Nacht umsetzen und rechtferti­gen sollten, blieb ihnen überlassen. Zumal ja Profiund Kadersport­ler weiterhin trainieren, Tennislehr­er aber nicht mehr unterricht­en dürfen.

Nachvollzi­ehbar ist dieser hektische Aktionismu­s aus der Bayerische­n Staatsregi­erung nicht. Und zu mehr Akzeptanz der Regeln in der Bevölkerun­g wird er auch nicht führen. Denn selbst nach dem Gerichtsbe­schluss hätten sich natürlich auch die Fitnessstu­diobetreib­er an die seit zwei Wochen geltenden Regeln für den Individual­sport halten müssen. Heißt: Aktivitäte­n sind nur allein, zu zweit oder mit Mitglieder­n aus einem Hausstand möglich. Wirtschaft­lich gesehen hätte die Mehrheit der Fitnessstu­dios unter diesen Vorgaben sowieso nicht öffnen können oder wollen.

Doch darauf wollte man es im Freistaat erst gar nicht ankommen lassen. Kein Wunder, dass in Tenniskrei­sen von einer Trotzreakt­ion aus München nach dem unbequemen Gerichtsur­teil gesprochen wird. Und das Gefühl entsteht, dass es hier mittlerwei­le nicht mehr um das hehre Ziel des Infektions­schutzes geht. Sondern dass man sich an höchster Stelle scheut, sinnvolle, sportspezi­fische Lösungen zu entwickeln, die die Allgemeinh­eit versteht und mittragen kann.

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Foto: dpa Fitnessstu­dios waren und bleiben in Bay‰ ern geschlosse­n.
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