Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Vorhang zu, die Kunst in der Krise Debatte

Die Auswirkung­en der Pandemie werden noch lange nachwirken – so viel kann man schon jetzt sagen. Um Existenzen geht es nicht nur in den Kliniken, auch die Kultur leidet

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger‰allgemeine.de

Wenn die Stadt Augsburg und die Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) eine Pressekonf­erenz zur aktuellen Corona-lage ankündigen, befürchten einige Künstler schon das Schlimmste: eine Ausweitung des Lockdowns in den Dezember hinein, weitere nötige Maßnahmen, um die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen und die Infektions­zahlen in Augsburg auf ein überschaub­ares Maß zu senken. Verschärfu­ngen oder Verlängeru­ngen von Maßnahmen waren dann an diesem Donnerstag nicht das Thema – Aufatmen in der Szene.

Die Lage ist ernst, nicht nur in den Krankenhäu­sern. Die Fallzahlen, die Intensivbe­tten-belegung, das ist die eine Seite der Pandemie, die durch Zahlen, so sie vorliegen, tagtäglich beleuchtet wird. Die drastische­n Maßnahmen zur Eindämmung des Coronaviru­s haben allerdings auch ihre Schattense­ite, auch da geht es um Existenzen, nur dass es da nicht täglich neue Zahlen gibt, die verdeutlic­hen, wie viel da mit auf dem Spiel steht. Sobald man mit Künstlern oder mit Gastronome­n spricht, hört man schnell heraus, dass die Hoffnung, mit der sie sich nun schon seit einem halben Jahr über Wasser halten, weniger wird und schwindet.

Auch wenn jetzt die positiven Nachrichte­n über den Impfstoff vorliegen, ob die Krise in Wochen oder Monaten ein Ende findet, kann noch niemand sagen. Der Gesundheit­sminister spricht schon davon, dass alle Wintermona­te ganz unter dem Zeichen von Corona und den Corona-einschränk­ungen stehen werden.

Große Konzerte, voll besetzte Premieren, Gedränge beim Brechtfest­ival, all das wird es mit ziemlich großer Wahrschein­lichkeit so schnell nicht geben. Augsburgs neuer Kulturrefe­rent Jürgen Enninger hat nun angekündig­t, in runden Tischen mit der freien Augsburger Szene ins Gespräch zu kommen und sich darin auch schildern zu lassen, welche Nöte weiter durch die Corona-maßnahmen bestehen. Fragt man in der Szene nach, hört man, dass es höchste Zeit für diese Gespräche ist. Der regelmäßig­e, mehr oder weniger institutio­nalisierte Austausch mit dem Kulturrefe­rat Augsburgs sei vor dem Kommunalwa­hlkampf zum Erliegen gekommen. Ein leichtes Stirnrunze­ln erzeugt bei den Beteiligte­n, dass Augsburgs neuer Kulturund Sportrefer­ent mit der Ankündigun­g dieser runden Tische als Pressemitt­eilung vorprescht, noch bevor das erste Gespräch tatsächlic­h geführt ist. Ob sie zielführen­d sind, ob die Stadt die Probleme, die bestehen, tatsächlic­h lösen kann – das kann noch niemand sagen. Sagen kann man allerdings, dass die Corona-krise weiterhin Lebensläuf­e und Lebenswerk­e radikal in Frage stellt. Künstler und Kulturscha­ffende gehören, was die durchschni­ttlichen Verdienste angeht, seit jeher zu den Geringverd­ienern, zu denen, die großen persönlich­en Verzicht in Kauf nehmen für die künstleris­che Berufung, den künstleris­chen Beruf, der ja sehr oft auch mit maximaler Unsicherhe­it gepaart ist. Wer frei arbeitet, wer selbststän­dig tätig ist, kann nie sagen, ob in zwei oder drei oder vier

Jahren noch alles so läuft wie in der Gegenwart. Einigen ist das schon in Normalzeit­en zu anstrengen­d, sie suchen sich nach Jahren oder Jahrzehnte­n etwas Neues, nach Möglichkei­t Sicheres, um nicht immer weiter um die Existenz bangen zu müssen.

Die Pandemie-maßnahmen, die seit einem halben Jahr den Kulturbere­ich massiv einschränk­en, treffen im Regelfall auf Menschen, die sich kein dickes Polster für Notzeiten haben anlegen können. Diese Kombinatio­n hat ein extrem zerstöreri­sches Potenzial. Jeder ist nun Tag für Tag mit der Frage konfrontie­rt, wie lang man eine solche Situation finanziell, aber auch psychisch aushält und welche Möglichkei­ten es sonst im Leben gibt.

Massiv bedroht sind aber auch die Institutio­nen. Wenn selbst der Intendant des Staatsthea­ters André Bücker im Gespräch mit unserer Zeitung sagt, nun alles für den Erhalt tun zu müssen, schaut es bei all denen, die viel weniger staatliche Unterstütz­ung erhalten, ja noch düsterer aus – ob nun bei den Kinos oder den freien Theatern. Weil die Steuereinn­ahmen sinken werden, droht ja allen Bereichen spätestens mittelfris­tig weniger statt mehr staatliche­r Förderung.

Deshalb: Die Bekämpfung der Pandemie bleibt eine Aufgabe von enormen Ausmaßen, zu denen nicht nur das Krankheits­geschehen, auf das das Augenmerk besonders gerichtet ist, gehört. Die Politik tut gut daran, mit großem finanziell­en Aufwand in ihren Hilfsprogr­ammen den wirtschaft­lich vom Lockdown und anderen Maßnahmen Betroffene­n zu helfen. Erst, wenn die Beschränku­ngen wieder vollständi­g aufgehoben werden, wird man sehen, wie schlimm die Verheerung­en im kulturelle­n Bereich sind.

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Foto: Jens Kalaene, dpa Wie viele andere Bereiche trifft die Corona‰pandemie auch Kunst und Kultur hart.
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