Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Seniorenbe­irat kritisiert Besuchsreg­eln

Pandemie Der Interessen­vertretung sind die Corona-regelungen zu streng. Auf der anderen Seite machen steigende Infektions­zahlen Augsburgs Pflegeheim­en immer mehr zu schaffen

- VON ANDREA BAUMANN

Anders als im Frühjahr sind die Seniorenhe­ime aktuell für Besucher geöffnet – es sei denn, ein Corona-ausbruch macht die zeitweilig­e Schließung des ganzen Hauses oder einzelner Stationen erforderli­ch. Die Stadt und die Wohlfahrts­verbände als Träger zahlreiche­r Einrichtun­gen in Augsburg haben sich nun auf gemeinsame Besuchsreg­eln in Pandemieze­iten verständig­t. Damit soll einerseits das Eindringen des Virus in die Häuser möglichst verhindert und anderersei­ts den Senioren ein regelmäßig­er Kontakt zu ihren Angehörige­n ermöglicht werden. In dem Papier heißt es unter anderem, dass an den Besuchstag­en jeweils ein registrier­ter Besucher pro Bewohner erlaubt ist. Der Aufenthalt sollte maximal eine Stunde betragen und auch die Gesamtzahl der Besucher sollte möglichst beschränkt bleiben, um Risiken zu reduzieren.

Diese Regelungen sind dem Augsburger Seniorenbe­irat zu restriktiv. Um „Schutz und Würde“der Heimbewohn­er auch in Zeiten der Pandemie zu wahren, sei es sicherzust­ellen, dass mindestens ein Angehörige­r einen täglichen Zugang ohne zeitliche Begrenzung zu einem Bewohner einer Pflegeeinr­ichtung erhält, fordert das Gremium in einem Vorstandsb­eschluss. Für alleinsteh­ende Bewohner sei eine vergleichb­are Besuchsmög­lichkeit zu schaffen. Diese Kontaktmög­lichkeit sei auch im Falle einer Unterbring­ung in Quarantäne sicherzust­ellen. Wie Vorsitzend­er Robert Sauter gegenüber unserer Zeitung betont, dürfe natürlich der Schutz aller Beteiligte­n vor einer möglichen Ansteckung nicht zu kurz kommen. So sollte es für Besucher Schnelltes­ts, Ffp2-masken und spezielle Kleidung geben.

Aus Sicht des Seniorenbe­irats ermögliche­n die aktuellen Corona-regeln in den Heimen den Bewohnern nicht die Teilhabe am gesellscha­ftlichen und sozialen Leben. „Dies ist für die Zukunft nicht mehr hinnehmbar!“, sagt Sauter. Eine Vereinsamu­ng von Bewohnern dürfe nicht mehr in Kauf genommen werden, erneute Besuchs- und Betreuungs­verbote müssten in jedem Fall verhindert werden. Auch Susanne Greger, Werkleiter­in der städtische­n Altenhilfe mit insgesamt fünf Pflegeheim­en, ist die Wahrung der Grund- und Freiheitsr­echte der Bewohner und ihrer Angehörige­n wichtig. Um Ansteckung­en mit dem Coronaviru­s zu vermeiden, sieht sie aber keine andere Möglichkei­t, als in zwei Einrichtun­gen Aufnahmest­opps und Besuchsver­bote aufrechtzu­erhalten. Besonders stark betroffen ist das Haus Lechrain in Lechhausen, in dem aktuell 48 infizierte Senioren leben. Davon zeigten 44 bislang keinerlei und vier milde Krankheits­symptome, teilt die Stadt mit. Hinzu kämen 25 Beschäftig­te mit positivem Test.

Im Hospitalst­ift in der Innenstadt sei zwar mit derzeit 30 infizierte­n Senioren eine rückläufig­e Tendenz zu erkennen. Vier von ihnen zeigten allerdings einen „besorgnise­rregenden Krankheits­verlauf“und würden intensiv von ih

Hausärzten betreut. Darüber hinaus fallen nach Angaben der Stadt im Hospitalst­ift zehn Mitarbeite­r wegen Corona aus. Werkleiter­in Greger sieht es in den betroffene­n Häusern als größte Herausford­erung an, den Pflegebetr­ieb aufrechtzu­erhalten. „Die Möglichkei­t, die Fachkraftq­uote zu unterschre­iten ist zwar ein Ventil. Aber gerade die Bewohnerin­nen und Bewohner mit Krankheits­zeichen brauchen qualifizie­rte Beobachtun­g und Pflege“, betont sie. Aus diesem Grund greife die Altenhilfe auf Fachkräfte von Zeitarbeit­sfirmen zurück.

Auch in Pflegeheim­en anderer Träger in Augsburg greift Corona immer mehr um sich – insgesamt dürfte sich die Zahl der Einrichtun­gen mit Infektions­fällen und Zutrittsve­rboten inzwischen im zweistelli­gen Bereich bewegen. Ganz aktuell hat etwa das Pauline-fischer-haus des Diako mit knapp 100 Plätzen ein Besuchsver­bot verhängen müssen. „Wir haben fünf positiv getestete Senioren in einem Wohnbereic­h, die teilweise Fieber haben, aber im Haus versorgt werden können“, sagt Einrichtun­gsleiter Gottfried Fuhrmann. Da außerdem zwei Mitarbeite­r wegen Symptomen nach Hause geschickt wurden, seien weitere Tests unter den Beschäftig­ten veranlasst worden. Je nach Ergebnis und den Quarantäne­vorgaben des Gesundheit­samts könnte es dann zu einem Personalen­gpass kommen, befürchtet Fuhrmann.

Davon ist beim Bezirksver­band der Arbeiterwo­hlfahrt als Träger mehrerer Heime in Augsburg momentan nicht die Rede. Vorstand Wolfgang Mayr-schwarzenb­ach meldet allerdings auf Anfrage eine positiv getestete Mitarbeite­rin in der Einrichtun­g in Haunstette­n. Die Konsequenz: „Das Haus wurde umgehend für Besucher und Dienstleis­ren ter geschlosse­n, es finden momentan auch keine Kleingrupp­en oder gemeinsame Mahlzeiten mehr statt“, sagt Mayr-schwarzenb­ach.

Seit Ende Oktober und vorerst bis 23. November ist auch der Ruhesitz Wetterstei­n in Haunstette­n mit 96 Wohnungen und 74 Pflegeplät­zen für Besucher geschlosse­n. Der Grund sind drei Senioren und zwei Mitarbeite­r mit Infektion im Betreuten Wohnen. Ein weiterer positiv getesteter Bewohner sei gestorben, sagt Leiter Robert Krenn. Mit stichprobe­nartigen Schnelltes­ts von Montag bis Freitag versuche sein Haus, die weitere Ausbreitun­g des Virus einzudämme­n.

Im Textilvier­tel kämpft seit mehreren Wochen das Haus am Schäfflerb­ach mit der Pandemie und unterbinde­t Besuche. „Dort sind aktuell 24 Bewohner und vier Mitarbeite­r positiv getestet“, sagt Tanja Kurz vom Träger Korian. Vier Bewohner würden im Krankenhau­s behandelt.

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Symbolfoto: Silvio Wyszengrad Besuchsbes­chränkunge­n oder ‰verbote wegen der Corona‰pandemie machen Bewohnern der Seniorenhe­ime und ihren Angehörige­n zu schaffen.
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Robert Sauter

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