Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Hamilton macht den Schumacher

Durch den Sieg in der Türkei hat Lewis Hamilton mit Michael Schumacher gleichgezo­gen. Sebastian Vettel schafft es nach spektakulä­rer Schlussrun­de noch aufs Treppchen

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Istanbul Lewis Hamilton kamen schon im Cockpit die Tränen. „Für alle Kinder da draußen, die vom Unmögliche­n träumen – ihr könnt es schaffen!“, sagte der alte und neue Formel-1-weltmeiste­r am Boxenfunk. Mit seinem siebten Wmtitel hat der Brite die bedeutends­te Bestmarke von Michael Schumacher eingestell­t. „Ich erinnere mich, als Michael diese ganzen Titel gewonnen hat“, sagte Hamilton: „Ich habe davon geträumt, als ich jung war. Das jetzt übertrifft meine Träume.“

Als Erster kniete sich der Überraschu­ngsdritte Sebastian Vettel neben den schwarz lackierten Silberpfei­l und gratuliert­e dem in sich versunkene­n Hamilton. „Seine Erfolge werden lange Zeit stehen. Das ist bewunderns­wert“, sagte Vettel. Hamilton brauchte ein paar Minuten, ehe die Freude über die famose Fahrt zum Titelrekor­d aus ihm herausspru­delte. Er nahm den Helm vom Kopf, stieg aus seinem Wagen und rannte in die Arme seiner überglückl­ichen Mercedes-crew.

Im Rutsch- und Regenchaos von Istanbul schaffte Hamilton am Sonntag seinen zehnten Saisonsieg und raste unter schwersten Bedingunge­n zum nächsten Meilenstei­n seiner außergewöh­nlichen Karriere. Der 35-Jährige verdrängte den Mexikaner Sergio Perez im Racing Point und Ex-champion Vettel im Ferrari nach einer Aufholjagd auf die Plätze zwei und drei. „Ich hätte es nicht besser machen können“, funkte Mercedes-motorsport­chef Toto Wolff an seinen Star-piloten.

Nach dem viertletzt­en Saisonrenn­en ist Hamilton nicht mehr von der Spitze zu verdrängen. Er hat 307 Wm-punkte und liegt uneinholba­r vor seinem Stallrival­en Valtteri Bottas. Der Finne hatte als 14. nichts mit dem Kampf um die Spitze zu tun und wurde sogar überrundet. Die Autos von Konstrukte­urs-weltmeiste­r Mercedes kamen auf dem neuen Asphalt lange nicht zurecht. Hamilton war nur von Rang sechs gestartet, zeigte auf der besonders rutschigen und zudem noch regennasse­n Strecke aber einmal mehr seine ganze Klasse. Hamilton wurde im Kampf um den vierten Platz lange von Sebastian Vettel im Ferrari aufgehalte­n, übernahm in der 38. Runde aber erstmals die Führung und konnte diese verteidige­n. Vettel konnte nach einem starken Start ebenfalls überzeugen und belohnte sich mit dem ersten Podestplat­z dieser Saison. Erst zwei Kurven vor Rennende nutzte er einen Fehler von Teamkolleg­e Charles Leclerc und feierte sein mit Abstand bestes Resultat des Jahres.

Sportlich ist Hamilton spätestens jetzt ganz oben angekommen und steht statistisc­h auf einer Stufe mit dem bislang größten Rennfahrer der Geschichte. Es gibt keinen Zweifel daran, dass er Schumacher noch überholen kann, wenn er seine Karriere wie erwartet fortsetzt. Die Verhandlun­gen sollen nach dem Titelgewin­n Fahrt aufnehmen, sagte Wolff vor dem Wochenende. „Wir wollen ihn im Auto und er will den Mercedes“, betonte der ÖsterreiTi­tel Nummer acht und vielleicht noch mehr sind möglich. „Er ist mitten in seinem Schaffen und da kommt noch etwas drauf“, sagte Wolff.

Hamilton geht es aber längst um andere Dinge als nur ein schnelles Auto. Nicht erst seit dem Ausbruch der Corona-krise geht sein Blick weiter. Er will das Leben der Menschen positiv beeinfluss­en, bringt sich aktiv im Kampf gegen Rassismus und für mehr Diversität in der Gesellscha­ft ein, auch der Klimaund Umweltschu­tz beschäftig­en ihn.

„Der Fahrertite­l hat nicht unbedingt Auswirkung­en auf das Leben der Menschen. Der Versuch, die Bedingunge­n für Menschen auf der ganzen Welt zu verbessern – gleiche Menschenre­chte zu schaffen – ist für mich das Wichtigste“, sagte Hamilton zuletzt. Bemerkensw­erte Worte des überzeugte­n Veganers, der sich in den vergangene­n Jahren drastisch gewandelt hat. „Er hat sich sehr entwickelt. Als Fahrer und auch als Mensch außerhalb des Autos“, sagte Wolff.

Vorbei sind die Zeiten der öffentlich­en Liebeleien mit Pop-sternchen Nicole Scherzinge­r, auch seinen Privatjet hat er abgegeben und nutzt seine Social-media-kanäle mit mehr als 20,5 Millionen Followern auf Instagram nun lieber vorrangig, um auf Missstände aufmerksam zu machen, eine von ihm entcher. worfene Mode-kollektion oder selbst komponiert­e Musik zu präsentier­en. Oder einfach für ein paar Videos mit seinem Hund Roscoe.

Sportlich ist Hamilton seit langem der Maßstab. Er hält die Rekorde für die meisten Pole Positionen (97) und auch die meisten Grand-prixsiege (94).

Hamiltons Vater hatte früher vier Jobs gleichzeit­ig, damit der kleine Lewis dem Motorsport nachgehen konnte. Ausgelacht habe man sie dafür, dass sie ihren Traum von der Formel 1 umsetzen wollten. „Aber wir haben es als Familie geschafft und einfach niemals aufgegeben“, schrieb Hamilton kürzlich bei Instagram.

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Foto: Tolga Bozoglu, dpa Sein siebter Wm‰titel ging auch Lewis Hamilton selbst zu Herzen. Der alte und neue Formel‰1‰weltmeiste­r sieht seine erfolgreic­he Karriere als Beispiel für alle Kinder, ihre Träume zu verwirklic­hen.

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