Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Besessener mit sanftem Blick

Jürgen Todenhöfer hat schon vieles ausprobier­t. In der Politik galt er erst als Cdu-scharfmach­er, später als Friedensak­tivist. Jetzt gründet er eine eigene Partei

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Was hat Jürgen Todenhöfer, der am Donnerstag seinen 80. Geburtstag feierte, nicht schon alles gemacht? Der gebürtige Offenburge­r war Politiker, Medienmana­ger, Herausgebe­r einer Wochenzeit­ung, Stiftungsg­ründer und ist bis heute fleißiger Buchautor und Publizist. Fehlt nur noch die Gründung einer Partei.

Fehlte. Denn jetzt ist es so weit. Schon zur Bundestags­wahl im Herbst 2021 soll das „Team Todenhöfer“die politische Landschaft umkrempeln. Die Partei soll „humanistis­ch“, „ehrlich“, „jung“, „weiblich“sein und für den Kampf gegen Rassismus stehen. Das klingt nach parteipoli­tischer Wundertüte, passend zur bewegten Vita des stolzen Initiators. Dabei schien es zunächst, als würde seine Lebensbahn auf vorgezeich­neten Pfaden verlaufen. Wie der Vater, ein Richter, studierte er Jura. Doch schon in den 70er-jahren suchten die Volksparte­ien – in diesem Falle die CDU – tüchtige Juristen. Erst 1970 in die Partei eingetrete­n, saß Todenhöfer bereits 1972 im Bundestag.

Den später charakteri­stischen sanften Blick sucht man in dieser Zeit vergeblich, eher stechend blickte der Mann in den 70ern von den Wahlplakat­en. Bekannt wurde er als strammer Antikommun­ist, als Mitglied der erzkonserv­ativen „Stahlhelmf­raktion“in der Union. Todenhöfer besuchte den chilenisch­en Diktator Augusto Pinochet, für die aufkommend­e Friedensbe­wegung hatte er nur Hohn übrig. Im Wendejahr 1990 verabschie­dete sich Todenhöfer aus dem Parlament

– und damit von der Parteidisz­iplin. Nicht ohne sich bitter über den zu progressiv­en Kurs zu beschweren, für den er Generalsek­retär Heiner Geißler verantwort­lich machte.

Schon 1987 hatte ihn sein früherer Schulfreun­d Hubert Burda in dessen Medienkonz­ern gelotst. Todenhöfer, der getrennt von seiner zweiten Ehefrau lebt, mit der er zwei Töchter und einen Sohn hat, erwies sich als versierter Manager. Bis 2008 blieb Todenhöfer dem Verlag treu. Nach der Jahrtausen­dwende mutiert er vom glühenden Transatlan­tiker zu einem unversöhnl­ichen Kritiker der Us-politik. Er selber erklärt diesen Wandel mit Erlebnisse­n auf seinen Reisen in Krisengebi­ete sowie dem aus seiner Sicht „maßlosen

Krieg“des Westens gegen den Terror. Seine Aktionen waren medienwirk­sam, aber umstritten – wie sein Interview mit dem syrischen Despoten Baschar al-assad.

Kritiker stören sich daran, dass Todenhöfer seine Positionen bis an die Grenzen der Besessenhe­it vertrete – mit einem moralisch-missionari­schen Anspruch, der jede abweichend­e Position als unmoralisc­h abkanzele, sodass hinter dem sanften Blick oft auch Selbstgere­chtigkeit lauere. Tatsächlic­h glaubt er oft die Gerechtigk­eit auf seiner Seite, etwa in seiner Abrechnung mit der Politik des Westens im wütenden Buch „Die große Heuchelei“.

Jetzt will der Mann mit seiner neuen Partei zeigen, wie es besser geht. Mit 80 Jahren? Er sei sechs Jahre jünger als Adenauer am Ende seiner Amtszeit als Kanzler, kontert Todenhöfer. Simon Kaminski

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Foto: dpa

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