Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was führt der Iran im Schilde?

Der Verdacht, dass Teheran doch an einer Atombombe bastelt, bekommt neue Nahrung

- VON THOMAS SEIBERT

Teheran Hinter einer sandfarben­en Mauer und einem blau gestrichen­en Metalltor südwestlic­h von Teheran verbirgt sich ein Geheimnis des iranischen Atomprogra­mms. In dem Anwesen in dem Dorf Turkusabad haben die Iraner nach Angaben Israels in den vergangene­n Jahren bis zu 300 Tonnen radioaktiv­es Material gelagert. Iranische Medien halten dagegen: Hinter der Mauer in Turkusabad liege nichts weiter als ein harmloser Betrieb zur Reinigung von Teppichen. Doch nun hat die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde IAEA die iranischen Behörden aufgeforde­rt, überzeugen­de Antworten auf eine Untersuchu­ng zu geben, die vor Ort Spuren von atomarem Material

nachgewies­en hatte. Was Teheran bisher an Erklärunge­n geliefert habe, sei unglaubwür­dig, heißt es in einem neuen Bericht der Behörde.

Der Verdacht, der Iran baue heimlich doch an einer Atombombe, erhält neue Nahrung – und dafür gibt es noch weitere Gründe. Der israelisch­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu bezeichnet die Anlage in Turkusabad als „atomares Lagerhaus“. Ganz in der Nähe hatten israelisch­e Agenten vor zwei Jahren das Geheimarch­iv des iranischen Atomprogra­mms ausgehoben. Vor den Vereinten Nationen in New York erklärte Netanjahu damals, die Iraner seien dabei, das Lager zu räumen: 15 Schiffscon­tainer voller Material würden fortgescha­fft. Als internatio­nale Inspektore­n im vergangene­n Jahr dort Proben nahmen, war das Lager leer. Doch die Experten fanden trotzdem Spuren von Atommateri­al.

Die Enthüllung­en müssen nicht zwingend bedeuten, dass der Iran derzeit an der Bombe baut. Einige Experten nehmen an, dass in Turkusabad ein Teil alten Materials aus dem früheren militärisc­hen Atomprogra­mm des Iran gelagert worden war; das Programm wurde 2003 aufgegeben. Doch nach den Regeln des internatio­nalen Atomabkomm­ens von 2015 hätte der Iran über das Material in Turkusabad informiere­n müssen, was nicht geschah.

Zudem lagert der Iran laut IAEA inzwischen zweieinhal­b Tonnen schwach angereiche­rtes Uran, obwohl er laut dem Atomabkomm­en nur 200 Kilogramm besitzen darf. Der Iran ist zwar weit von der 90-prozentige­n Anreicheru­ng für waffenfähi­ges Material entfernt. Doch offenbar wollen die iranischen Behörden die Anreicheru­ng weiter vorantreib­en. Der IAEA zufolge haben sie damit begonnen, dafür leistungsf­ähige Zentrifuge­n in unterirdis­che Bunker zu verlegen, um sie vor Luftangrif­fen zu schützen. Die USA werfen Teheran vor, inzwischen Material für zwei Atombomben zusammen zu haben.

Unter Präsident Donald Trump waren die Amerikaner vor zwei Jahren aus dem Atomabkomm­en ausgestieg­en und hatten neue Sanktionen gegen den Iran eingeführt. Hardliner in Jerusalem und Washington fühlen sich in ihrer Ansicht bestätigt, dass der Iran schon immer die Bombe wollte und der Atomvertra­g daran nichts geändert hat.

Präsident Hassan Ruhani bekräftigt­e diese Woche, Zugeständn­isse seines Landes kämen erst infrage, wenn die USA ihre Sanktionen zurücknähm­en und zum Atomabkomm­en zurückkehr­ten. Auffällig ist allerdings, dass die iranischen Verstöße gegen das Abkommen weitergehe­n, obwohl der designiert­e Uspräsiden­t Joe Biden seine Bereitscha­ft zur Rückkehr in den Vertrag bekundet hat.

Offenbar will Teheran vor Verhandlun­gen mit den Amerikaner­n neue Verhandlun­gsmasse aufbauen, die man sich dann abhandeln lassen kann.

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