Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wirbel um Dienstreis­en

In einem Medienberi­cht heißt es, der Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller habe auf Auslandsfl­ügen zwar seine Ehefrau, aber kaum Abgeordnet­e der Opposition mitgenomme­n. Was hinter den Vorwürfen steckt und wie der Csu-politiker darauf reagiert

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Weil seine Ehefrau ihn mehrmals auf dienstlich­e Auslandsre­isen begleitet hat, ist Entwicklun­gsminister Gerd Müller in die Kritik geraten. Gegenüber unserer Redaktion verteidigt sich der Csu-politiker: „Die Vorwürfe sind völlig absurd. Ich habe in dieser Legislatur­periode 24 Auslandsre­isen unternomme­n. Meine Frau hat mich fünfmal in einem Regierungs­flugzeug und viermal per Linienmasc­hine begleitet. Alle Kosten, die dadurch entstanden sind, wurden zu hundert Prozent privat bezahlt.“

Zuvor hatte die Bild am Sonntag berichtet, dass Gertie Müller-hoorens seit der Bundestags­wahl 2017 sieben Mal bei Besuchen ihres Mannes in Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern dabei gewesen sei. Den entwicklun­gspolitisc­hen Sprechern von Grünen und FDP seien dagegen keine Mitreisemö­glichkeite­n angeboten worden. Zudem sei unklar, wie viel die Ehefrau Müllers für die Flüge und Reisen bezahlt habe. „Übernachte­t wurde meist in 5-Sterne-hotels“, heißt es in dem Bericht, der mit „Der Schamlosmi­nister“überschrie­ben ist.

Dass deutsche Regierungs­mitglieder auf Auslandsre­isen schon aus Sicherheit­sgründen in der Regel in Top-hotels absteigen, ist bekannt. Gerade die Reisen des kantigen Csu-politikers aus dem Allgäu haben indes meist wenig Glamourfak­tor. Auf dem Programm stehen etwa Besuche in mit deutschen Geldern geförderte­n Landwirtsc­haftsschul­en in afrikanisc­hen Provinzdör­fern oder bei Projekten gegen Kinderarbe­it auf Kaffeeplan­tagen. Dazwischen oft lange Autofahrte­n auf holprigen, staubigen Pisten. Dass ihn seine Frau immer wieder begleite, habe folgenden Grund, so Müller: „Diese Reisen haben etwa auch in Flüchtling­slager oder Elendsvier­tel geführt. Meine Frau ist mir gerade bei Gesprächen mit den betroffene­n Frauen, bei Themen wie Beschneidu­ng, Geburtenko­ntrolle oder Vergewalti­gung eine Unterstütz­ung.“Seine Ehefrau spiele auf den Auslandsre­isen aber auch eine weitere wichtige Rolle, so der Csu-politiker: „In einigen Ländern, etwa in Afrika, haben es die Gastgeber als Zeichen der Wertschätz­ung empfunden, dass ich in Begleitung meiner Frau gekommen bin.“

Die Mitnahme des Ehepartner­s auf Auslandsre­isen ist Bundesmini­stern ausdrückli­ch erlaubt, der Bild zufolge ist Müller aber der einzige amtierende Minister, der von der Möglichkei­t Gebrauch macht. Laut Entwicklun­gsminister­ium wurden alle dafür anfallende­n Kosten, etwa für Visa, Hotel und Verpflegun­g, von der Ehefrau Müllers vollständi­g bezahlt. Die anteiligen Flugkosten bei der Flugbereit­schaft seien ausnahmslo­s für jede Reise nach dem Höchstsatz von 100 Prozent beglichen worden.

Aus der Mitnahme seiner Frau hat Müller nie einen Hehl gemacht, auf vielen Auslandsbi­ldern ist das Ehepaar gemeinsam zu sehen. In dem Bild-bericht sagt Müllers Amtsvorgän­ger Dirk Niebel (FDP), er habe seine Ehefrau nie mit auf Dienstreis­e genommen, weil die Plätze stets knapp gewesen seien. Dem Ministeriu­m zufolge hatte die Begleitung der Ehefrau Müllers aber „keinen Einfluss auf die Möglichkei­t der Mitreise von Fachpoliti­kern“. Müller reist häufig nicht mit den großen Airbus-regierungs­fliegern, sondern mit dem kleineren Global5000-jet der Flugbereit­schaft, der auf jeder besseren Staubpiste starten und landen kann. Die Delegation­en sind dadurch in der Regel deutlich kleiner als bei den Reisen anderer Minister. Trotzdem seien immer wieder Politiker aus anderen Parteien mit an Bord. Zuletzt etwa die Grünen-politikeri­n Claudia Roth oder Bärbel Kofler (SPD), die Menschenre­chtsbeauft­ragte der Bundesregi­erung, so das Ministeriu­m. Unzutreffe­nd sei auch die Darstellun­g, in einem Fall hätten für Müller zwei Jets nach Afrika fliegen müssen. Tatsächlic­h habe die Delegation aus Sicherheit­sgründen für die Reise in ein Flüchtling­slager in einem Krisengebi­et in ein Militärflu­gzeug umsteigen müssen, das in Dschibuti stationier­t gewesen sei.

Gerd Müller hatte kürzlich angekündig­t, im kommenden Jahr nicht mehr für den Bundestag zu kandidiere­n. Vor wenigen Tagen wurde er von der Bundesregi­erung für die Leitung der Organisati­on der Vereinten Nationen für Industriel­le Entwicklun­g (Unido) nominiert. Er wolle nicht spekuliere­n, ob es einen Zusammenha­ng zwischen dem Bildberich­t und seiner Bewerbung geben könnte. „Welchen Hintergrun­d diese substanzlo­sen Veröffentl­ichungen haben, weiß ich nicht“, sagte er. Auch was in dem Bericht über seine angebliche­n kulinarisc­hen Sonderwüns­che steht, sei ihm ein Rätsel. Müller: „Woher der Vorwurf stammt, ich habe Schwarzbro­t extra nach Afrika einfliegen lassen, kann ich mir nicht erklären. Das trifft jedenfalls nicht zu.“

Csu-landesgrup­penchef Alexander Dobrindt nahm seinen Parteifreu­nd gegen die Vorwürfe in Schutz: „Gerd Müller leistet hervorrage­nde Arbeit als Entwicklun­gsminister und ist internatio­nal anerkannt.“Dass ihn seine Frau auf manchen Reisen begleite, sei bekannt. Und, so Dobrindt zu unserer Redaktion, „wie die Fotos der Reisen zeigen, auch öffentlich transparen­t“.

 ?? Archivfoto: Hannibal Hanschke, dpa ?? Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller und Gertie Müller‰hoorens beim Besuch einer Gesundheit­sstation in Nigeria im Jahr 2014.
Archivfoto: Hannibal Hanschke, dpa Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller und Gertie Müller‰hoorens beim Besuch einer Gesundheit­sstation in Nigeria im Jahr 2014.

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