Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Trumps trotzige Anhänger

Tausende demonstrie­ren in Washington für den Präsidente­n. Er selbst geht zum Golfen

- VON KARL DOEMENS

Washington Einige wenige haben ihn tatsächlic­h kurz gesehen. Kurz nach 10 Uhr morgens, deutlich vor Beginn der eigentlich­en Kundgebung, hat Donald Trump mit seiner Kolonne das Weiße Haus verlassen und den Wartenden aus der gepanzerte­n Limousine grinsend zugewinkt. Dann ist er an einem kühlen, aber sonnigen Novemberta­g für fünf Stunden auf seinen Golfplatz im benachbart­en Virginia gefahren. Da ist die Innenstadt der linksliber­alen Us-hauptstadt ausnahmswe­ise mal voller Make-america-great-againkappe­n und Trump-flaggen, doch das Idol der Demonstran­ten ist ausgefloge­n.

Unter den Teilnehmer­n der Protrump-kundgebung befinden sich friedliche Familien, Schülergru­ppen und Rentner mit Klappstühl­en. Daneben aber ziehen auch mehr als hundert Anhänger der rechtsextr­emen Schlägertr­uppe „Proud Boys“durch die Straßen. Eine Gruppe von Priestern der traditiona­listischen Kirche Our Lady of Mount Carmel, die dem verstorben­en exkommuniz­ierten Erzbischof Marcel Lefebvre nacheifert, versammelt sich zum Gebet. Mitglieder der Falunggong-sekte warnen vor dem schlimmste­n „Dämonen“, der kommunisti­schen Partei Chinas. Ein prominente­r Holocaust-leugner hetzt die Menge auf. Was all diese sehr unterschie­dlichen Gruppen eint, ist ihre Verehrung für einen Reality-tv-star, der vier Jahre lang im Weißen Haus gesessen und nun eine Wahl verloren hat. Und natürlich sind sie alle fest davon überzeugt, dass die Ergebnisse gefälscht wurden – wofür es allerdings keinerlei Belege gibt.

„Er war immer für euch da“, sagt ein Redner: „Er ist Tag und Nacht für euch im Einsatz.“Niemand findet das angesichts Trumps 286. Golfausflu­gs während der Amtszeit komisch. „Stop the Steal!“(Stoppt den Betrug!), skandiert die Menge. Ist das eine Revolte gegen ein demokratis­ches Wahlergebn­is? Eine Abschiedsf­eier? Oder eine kollektive Form der Trauerarbe­it? Jedenfalls fühlt es sich sehr trotzig an. Es geht, so scheint es, weniger um konkrete Politik als um eine Bewegung, die sich vom Zeitgeist bedroht fühlt, von Einwandere­rn sowieso und nun auch noch von den Corona-restriktio­nen.

Am Abend formieren sich linke Gegendemon­stranten, und die „Proud Boys“marschiere­n durch die Stadt. Es kommt zu Zusammenst­ößen. Trump aber ist begeistert. „Hunderttau­sende Menschen zeigen ihre Unterstütz­ung“, twittert er. „Sie werden eine manipulier­te und korrupte Wahl nicht akzeptiere­n.“Seine Sprecherin behauptet gar, es seien mehr als eine Million Fans auf den Straßen gewesen. Tatsächlic­h dürften es vielleicht zehntausen­d gewesen sein. Und so endet die Trump-präsidents­chaft, wie sie begonnen hat: Mit der Prahlerei über eine absurd hohe Anhängersc­haft. Schon der beinahe vergessene Ex-sprecher Sean Spicer hatte nach der Vereidigun­g behauptet: „Es war die größte Menge aller Zeiten. Punkt.“

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Foto: dpa Trump‰anhänger auf der Demo in Wa‰ shington am Samstag.

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