Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Volle Kliniken, leere Innenstädt­e

Seit zwei Wochen gelten die strengeren Maßnahmen. An diesem Montag ziehen die Ministerpr­äsidenten Zwischenbi­lanz. Wo und ob der Lockdown schon Wirkung zeigt

- VON FABIAN KLUGE

Augsburg Vor zwei Wochen wurde das gesellscha­ftliche Leben in Deutschlan­d zum zweiten Mal in diesem Jahr weitgehend herunterge­fahren. Schulen, Kitas, Einzelhand­el und Friseure blieben offen, gastronomi­sche Betriebe aber bleiben für Gäste vorerst geschlosse­n. An diesem Montag ziehen Bundeskanz­lerin Angela Merkel und die Ministerpr­äsidenten eine erste Zwischenbi­lanz und bewerten das Infektions­geschehen neu. Ist die Trendwende geschafft? Was hat der Teil-lockdown bislang gebracht? Ein Blick auf verschiede­ne Kriterien:

● Neuinfekti­onen Erst am Freitag gab es mit 23542 Infizierte­n einen neuen Höchststan­d in Deutschlan­d. Hoffnung macht das erst einmal nicht. Und doch ist ein erster Trend sichtbar: Die Zahlen steigen zwar, aber nicht mehr so stark wie noch zuletzt. Am Sonntag gingen sie mit 16947 neuen Fällen sogar deutlich zurück. Die täglichen Fallzahlen dienen allerdings nur bedingt als Indikator für die aktuelle Corona-lage. Einerseits sind sie ein Blick in die Vergangenh­eit, da zwischen Infektion und Meldung des Gesundheit­samts an das Robert-koch-institut (RKI) bis zu zwei Wochen vergehen können. Anderersei­ts können Rückstaus in Laboren dazu führen, dass manche Infektione­n erst viel später in die Statistik einfließen. Auch fallen die Zahlen, die das RKI bekannt gibt, an Sonntagen und Montagen häufig niedriger aus, da am Wochenende weniger getestet wird, suggeriere­n also eine Entwicklun­g.

● Intensivpa­tienten Wichtig für die Beurteilun­g des Infektions­geschehens ist der Blick in die Krankenhäu­ser. Einige Kliniken meldeten in den vergangene­n Wochen, dass sie kurz vor der Überlastun­g stünden. Auf den Intensivst­ationen ist von einer Entspannun­g der Lage momentan nichts zu sehen. Zwischen dem

1. Oktober und dem 1. November stieg nach Angaben der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin die Zahl der intensivme­dizinisch behandelte­n Patienten um knapp 1700 – von 362 auf 2061. In den vergangene­n zwei Wochen kamen noch einmal mehr als 1300 Fälle hinzu, am Sonntag lag die Zahl bei 3385 – ein Plus von 60 im Vergleich zum Vortag. 56 Prozent dieser Patienten mussten invasiv beatmet werden.

● R‰wert In der Kritik stand zuletzt der Reprodukti­onsfaktor, kurz R-wert. Er zeigt an, wie viele andere Menschen ein Corona-infizierte­r im Schnitt ansteckt. Sobald der Wert die Zahl 1 übersteigt, droht ein rasanter Anstieg der Fallzahlen. Die Pandemie breitet sich dann mit steigender Geschwindi­gkeit aus. Seit Beginn des zweiten Lockdowns ist der R-wert gesunken, am Samstagabe­nd lag er bei 1,05 (Freitag: 0,99). Problemati­sch am R-wert ist, dass er das aktuelle Infektions­geschehen lediglich geschätzt darstellt. Dadurch sollen zwar mögliche Verzögerun­gen bei Corona-meldungen ausgeglich­en werden, dafür sind die Prognosen aber oft ungenau, weshalb das RKI den R-wert zuletzt häufiger nachträgli­ch angepasst hat. Ob der Lockdown bereits wirkt, kann der R-wert allein also nicht beantworte­n.

● Bewegungsp­rofil Aussagekrä­ftiger hingegen sind die Bewegungss­tröme der Menschen. Sie zeigen, wie die Bürger auf die Maßnahmen der Regierung regieren – etwa ob sie vermehrt zu Hause bleiben. Besonders eindrückli­ch war das im Frühjahr zu sehen, als Straßen und Innenstädt­e leer gefegt waren. Google hat anonymisie­rt Bewegungsp­rofile der Menschen in Deutschlan­d erstellt. Das Unternehme­n hat sich dabei auf verschiede­ne Lebensbere­iche konzentrie­rt. Der Vergleichs­zeitraum, den Google selbst für seine Analysen verwendet, stammt aus dem Zeitraum vom 3. Januar bis zum 6. Februar. Aus einer Zeit vor Corona also. Es fällt auf: Seit dem Lockdown verbringen die Menschen deutlich weniger Zeit in den Bereichen Einzelhand­el und Freizeit.

Das liegt zum einen daran, dass Google Orte wie Restaurant­s, Cafés, Freizeitpa­rks und Kinos berücksich­tigt, die seit 2. November zum Teil geschlosse­n sind. Doch auch der Einzelhand­el spürt die Coronaeins­chränkunge­n. Auch die Bewegungss­tröme in Parks hat sich Google angesehen. Trotz der November-tristesse flüchten sich die Deutschen demnach vor allem in die Natur. Bis zu über 60 Prozent mehr bewegten sich die Menschen in Parks als im Vergleichs­zeitraum Anfang des Jahres. Gemieden werden hingegen wieder Bahnhöfe und Haltestell­en. Rund 30 Prozent weniger hielten sich die Deutschen dort aktuell auf als noch Anfang des Jahres. Eine Erklärung dafür: Viele Pendler bleiben derzeit im Homeoffice, zudem setzen die Deutschen wieder vermehrt aufs Auto oder das Rad, um zur Arbeit zu kommen.

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Foto: Silvio Wyszengrad Wie hier in der Augsburger Fußgängerz­one ist in vielen Innenstädt­en momentan wenig los. Die Kunden meiden Geschäfte, gastronomi­sche Betriebe sind ohnehin geschlosse­n. Seit zwei Wochen gelten die verschärft­en Maßnahmen im Kampf gegen die Verbreitun­g des Coronaviru­s.
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