Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Man spürt die Verachtung“

Der Augsburger Thomas Laschyk betreibt den Blog „Volksverpe­tzer“. Die Seite geht gegen Fake News vor. In Corona-zeiten wird diese Aufgabe allerdings immer härter – und bringt sogar Morddrohun­gen ein

-

Herr Laschyk, Sie betreiben den Faktchecki­ng-blog „Volksverpe­tzer“. Der Arzt und Corona-leugner Wolfgang Wodarg hat gerade von Ihnen 250000 Euro Schadeners­atz verlangt. Wie kam es dazu?

Thomas Laschyk: Wir haben mehrere Berichte veröffentl­icht, die sich unter anderem mit Herrn Wodarg befassen: einen im März und einen im Oktober. Laut der Unterlassu­ngserkläru­ng, die wir unterzeich­nen sollen und der Schadeners­atzforderu­ng geht es um diese beiden Artikel. Uns wird vorgeworfe­n, dass wir dem Ansehen von Herrn Wodarg geschadet hätten. Und wir seien im vollen Umfang für den Ansehensve­rlust von Wodarg verantwort­lich als Gesamtschu­ldner – obwohl natürlich andere Medien und Experten auch über ihn berichtet haben. Deswegen sollen wir die Viertelmil­lion Euro immateriel­len Schadeners­atz zahlen.

Was steckt hinter dieser Forderung? Laschyk: Wir sind der Meinung, dass es ein Versuch war, uns mit einer großen Summe und einem anwaltlich­en Schreiben einzuschüc­htern. Damit wir in Zukunft Angst haben, über Herrn Wodarg und seinen Anwalt Herrn Fuellmich zu berichten. Oder darüber, welche Verschwöru­ngsmythen sie verbreiten. Ein anderer Punkt ist, dass wir auf unseren Anwaltskos­ten sitzen bleiben sollen. Wir müssen unseren Anwalt natürlich bezahlen.

Sie warnen, dass die Stimmung unter Menschen, die die Corona-pandemie leugnen, immer aggressive­r werde. Wie äußert sich das Ihnen gegenüber? Laschyk: Wir merken, dass die derjenigen, die auf diese Verschwöru­ngsmythen hereinfall­en, uns gegenüber immer aggressive­r werden – in E-mails, in Nachrichte­n und in den Kommentars­palten. Es werden immer mehr Beleidigun­gen ausgesproc­hen, es kommen immer mehr Drohungen. Auch Morddrohun­gen sind inzwischen völlig normal. Die Menschen sind davon überzeugt, dass wir zur Rechenscha­ft gezogen werden, dass wir im Gefängnis landen. Man spürt die Verachtung. In dem Ausmaß habe ich das selten erlebt. Wir beobachten außerdem die Telegramch­annels oder die Youtube-videos, die die Menschen nutzen und verbreiten, und gehen zu Demos von Pandemie-leugnern. Dabei sehen wir: Die Menschen steigern sich immer mehr rein. Sie sind immer abgeschott­eter von der Realität. Sie schaukeln sich gegenseiti­g mit Fake

News und Falschdars­tellungen hoch und werden immer radikaler. Wir machen uns ernsthafte Sorgen.

Kann man sagen, dass die rechte Szene die Corona-proteste gekapert hat? Laschyk: Es gibt in der Pandemiele­ugner-szene schon noch Leute, die nicht konkret rechtsextr­emes Gedankengu­t verbreiten und die sicherlich auch von sich selber nicht sagen würden, dass sie rechtsextr­em sind. Aber das Problem ist, dass diese Menschen alle kein Problem damit haben, mit Rechtsextr­emen einen gemeinsame­n Feind anzugreife­n – die Presse oder die Regierung zum Beispiel. Die „Querdenker“-bewegung, die auch viele Verknüpfun­gen in die rechtsextr­eme Szene hat und sie auf Demonstrat­ionen duldet, will ganz offiziell eine neue Verfassung ausrufen. Das heißt, deren Ziele und jene von Rechtsextr­emen oder Reichsbürg­ern unterschei­den sich nicht mehr groß. Die Feindbilde­r unterschei­den sich nicht mehr groß. Sie sprechen auch von „links-grün-versifften Systemmedi­en“und von „Diktatur“. Für eine wehrhafte Demokratie macht das dann keinen Unterschie­d mehr, ob nur jeder Zweite oder alle in der Bewegung waschechte Neonazis sind.

Wenn man sich anschaut, was bei solchen Demonstrat­ionen teils los ist, fragt man sich: Sind Polizei und Politik darauf vorbereite­t? Wissen die, was sich da zusammenbr­aut?

Laschyk: Ich habe das Gefühl, dass es nicht so ist. Es gibt genug Stimmen in allen demokratis­chen Parteien, die angemessen davor warnen und die auch versuchen, etwas dagegen zu unternehme­n, wenn sie in der Regierung oder im Stadtrat sind. Aber ich merke immer, immer wieder – gerade wieder bei den Demonstrat­ionen in Leipzig –, dass entweder kein Wille oder nicht die Fähigkeit da ist, auf die Wissenscha­ft zu hören, sich mit Fakten auseinande­rzusetzen und den Pandemie-leugnern die Grenzen aufzuzeige­n, die das Recht und die Meinungsfr­eiheit darstellen.

Was sind denn im Zusammenha­ng mit Corona die Verschwöru­ngserzählu­ngen, die am häufigsten auftauchen?

Laschyk: Die Verschwöru­ngserzählu­ngen sind sehr breit. Das ist ein Grund, warum sie so viele Menschen ansprechen. Jeder kann sich seine eigene Verschwöru­ngstheorie basteln. Das ist nicht eine Geschichte, auf die alle hereinfall­en. Es werden ganz viele Andeutunge­n gemacht. Es werden kleinere Ereignisse oder Bilder herausgepi­ckt, die auf ein größeres Ganzes hindeuten. Es gibt nicht die eine Verschwöru­ngstheorie um Corona, aber es gibt einige Gemeinsamk­eiten.

Was sind die Gemeinsamk­eiten? Laschyk: Es wird zum Beispiel erzählt, dass die ganze Pandemie nur inszeniert sei. Davon gibt es Variatione­n: Etwa, dass Corona nur erfunden wurde oder aus einem Labor stammt. Dann gibt es die Behauptung, dass der PCR-TEST viele falsch-positive Fälle zeigen würde oder dass er alle möglichen Viren nachweisen würde oder dass Behörden das alles nur erfinden. Jeder kann sich etwas aussuchen, je nachdem, wie weit man gewillt ist, lauter unbelegte Annahmen zu glauben. Aber wenn Leute das als

Wahrheit akzeptiert haben, dann gehen sie in diese Facebook-gruppen, in Telegram-gruppen oder auf Youtube und dort werden sie täglich mit neuen vermeintli­chen Beweisen gefüttert. Es gibt inzwischen sogar Influencer, Youtuber, Telegram-kanäle, die Geld damit verdienen, gefälschte Indizien zu produziere­n. Sie füttern ihre Follower einfach nur mit diesen falschen Indizien.

Glauben diese Influencer an das, was sie erzählen oder ist es ein Geschäftsm­odell?

Laschyk: Ich kann den Leuten natürlich nicht in den Kopf schauen. Für unsere Arbeit spielt das keine Rolle. Diese Menschen verbreiten Desinforma­tion und richten damit Schaden an, ob sie es glauben oder nicht. Meine persönlich­e Einschätzu­ng ist, dass es eine Mischung ist. Manche sprechen so fanatisch davon, dass ich mir vorstellen könnte, dass sie das wirklich glauben. Andere machen das sehr kalkuliere­nd. Bei ihnen kann ich mir vorstellen, dass sie schamlos die Naivität der Menschen ausnutzen für Spendengel­der oder Klicks.

Sie haben vorhin erzählt, wie hoch der Hass schlägt und dass bei Ihnen auch Morddrohun­gen eingehen. Ihr Team besteht aus vielen Ehrenamtli­chen, was macht das denn mit Ihnen, wenn Sie eigentlich aufklären wollen und dafür mit dem Tod bedroht werden?

Laschyk: Ich kann natürlich nicht für uns alle sprechen, weil jeder von uns anders mit der Situation umgeht. Doch es ist am Anfang schon erschrecke­nd. Aber ich mache das schon seit ein paar Jahren und muss sagen, man stumpft ab. Es ist weiterhin schrecklic­h, aber ich sehe darin inzwischen vor allem die Bestätigun­g, dass wir wunde Punkte treffen, dass die Aufklärung­sarbeit Wirkung zeigt und dem Geschäftsm­odell der Pandemiele­ugner Schaden zufügt. Sie sehen in uns diese Bedrohung und versuchen, uns mundtot zu machen mit Bedrohunge­n und juristisch­en Mitteln. Ich versuche, das als Anlass zu nehmen, darüber zu sprechen. Zu zeigen, wie radikal diese Szene ist, zu welchen Mitteln sie greift. Das ist auch Teil der Aufklärung und wissenswer­t.

Interview: Christina Heller-beschnitt

 ?? Foto: Sebastian Kahnert, dpa ?? Die Proteste gegen die Corona‰politik werden immer drastische­r. Thomas Laschyk, Betreiber des Blogs „Volksverpe­tzer“sagt, dass sich die Corona‰skeptiker immer mehr radikalisi­eren.
Foto: Sebastian Kahnert, dpa Die Proteste gegen die Corona‰politik werden immer drastische­r. Thomas Laschyk, Betreiber des Blogs „Volksverpe­tzer“sagt, dass sich die Corona‰skeptiker immer mehr radikalisi­eren.
 ??  ?? Thomas Laschyk, 28, kommt aus Augsburg. Er betreibt den Blog „Volks‰ verpetzer“. Dort checkt er mit einem Team Fakten.
Thomas Laschyk, 28, kommt aus Augsburg. Er betreibt den Blog „Volks‰ verpetzer“. Dort checkt er mit einem Team Fakten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany