Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Pürner wird bei Corona‰demo in Aichach als Held gefeiert

„Querdenker“applaudier­en dem früheren Gesundheit­samts-chef. Ein Redner überrascht sehr

- VON CARMEN JUNG UND MAX KRAMER

Aichach 2000 Menschen sollten nach den Plänen der „Querdenker“Augsburg in Aichach gegen Coronaschu­tzmaßnahme­n demonstrie­ren, 1000 genehmigte das Landratsam­t. Auf dem Volksfestp­latz finden sich am Samstagnac­hmittag schließlic­h nach Polizeiang­aben 800 Menschen in friedliche­r Atmosphäre ein. Den früheren Aichacher Gesundheit­samtsleite­r Friedrich Pürner feiern sie wie einen Helden.

Pürner hatte Maßnahmen der Regierung kritisiert und unter anderem die Maskenpfli­cht in Schulen infrage gestellt. Vor einer Woche war der Epidemiolo­ge ans Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it versetzt worden. Er selbst sprach von einer Strafverse­tzung. In Aichach wird Pürner auf

Plakaten gefeiert, Redner loben seinen Mut und seine Geradlinig­keit. Stefanie Ulmer stimmt auf der Bühne den Song „Mogli unser Held“an – umgedichte­t auf „Pürner unser Held“. Es folgt tosender Applaus für einen Mann, der nicht anwesend ist. Pürner hat in einem Interview mit unserer Redaktion betont, er lasse sich in keine Ecke stellen.

Die daneben größte Aufmerksam­keit auf der Bühne bekommt der umstritten­e Kauferinge­r Arzt Rolf Kron, von dem im Internet ein Hitlergruß-video kursiert. Er betont, er sei „kein bisschen ein Nazi“. Er wolle die Menschen aber schützen, denn Maskentrag­en gefährde ihre Gesundheit. Kron behauptet, weltweit seien vier Kinder gestorben, weil sie Masken getragen hätten. Einen Beleg dafür gibt es nicht. Irgendwann sagt er, die AFD sei ihm „sympathisc­her als alle anderen Parteien“. Später rudert er zurück.

Beim Publikum weniger, aber bei den Aichachern lässt ein anderer Redner noch mehr aufhorchen: Dieter Geßler spricht von einer „Plandemie“und bezeichnet Masken als „Söder-merkel-pampers“. Geßler ist Leiter des Aichacher Awo-seniorenhe­imes. Dort waren im Frühjahr 17 Menschen an oder mit Covid-19 gestorben. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt. Auf der Bühne steht Geßler, wie er betont, als Privatmann. Bei der Arbeiterwo­hlfahrt Schwaben kommt das nicht gut an. Sie distanzier­t sich am Sonntag in einer Stellungna­hme von Geßler, der außer Dienst sei. Gegenüber unserer Redaktion gab Geßler an, er sei im Krankensta­nd.

Die Polizei zieht insgesamt eine positive Bilanz. Sie verzeichne­t einige Maskenverw­eigerer. Etwa 40 Teilnehmer müssen mit einem Bußgeld rechnen. Eine Person wurde wegen eines „Heil-hitler“-rufes angezeigt, eine andere wegen Beleidigun­g. Zu einer Gegendemo fanden sich etwa 30 Menschen ein.

In Regensburg, wo rund 1000 Menschen zu einer Demonstrat­ion der „Querdenken“-bewegung kamen, gab es einen kleineren Vorfall. Laut Polizei werde in einem Fall wegen eines Angriffs auf einen Polizeibea­mten ermittelt.

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Foto: Erich Echter Im Dialog: Die Polizei war in Aichach sehr darauf bedacht, dezent und kommunikat­iv vorzugehen. Mit Erfolg: Vorfälle bei der Corona‰demo blieben aus.

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