Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Darum war es richtig zu spielen

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Das Gerechtigk­eitsempfin­den der meisten Menschen meldet sich dann am lautesten, wenn sie sich selbst ungerecht behandelt fühlen. Und wer bitte wurde in den vergangene­n neun Monaten nicht von einem Virus und dessen Folgen zutiefst unfair behandelt? Kontaktbes­chränkunge­n, Gastro-schließung­en, Verbot des Amateurspo­rts. Die Profi-fußballer aber dürfen weiter kicken. Obwohl vier Spieler der Ukraine positiv auf das Coronaviru­s getestet wurden. Das kann nicht gerecht sein. Ist es aber dennoch. Dass die deutsche Nationalma­nnschaft gegen die Ukraine angetreten ist, war die richtige Entscheidu­ng.

Große Teile der Bevölkerun­g finden es verständli­cherweise unfair, dass ein paar Jungmillio­näre ihrer Arbeit nachgehen dürfen, der normale Büroangest­ellte aber nicht mal mehr das Fitnessstu­dio besuchen darf. Es wäre aber genauso ungerecht, wenn die Fußballer nicht spielen dürfen, obwohl sie – nach allem, was bekannt ist – kaum einer Infektions­gefahr ausgesetzt sind. Der Fußball hat sich diese Sicherheit gekauft. Vereine und Nationalma­nnschaften setzen Hygienekon­zepte um, die sich mittelstän­dische Unternehme­n nicht leisten können. Sie haben sich Test-kapazitäte­n in privaten Laboren gesichert. Das ist Marktwirts­chaft. Würde die Politik anders priorisier­en, hätte sie sich diese Kapazitäte­n kaufen können. So aber konnte am Samstag eine unwichtige Partie in einem unwichtige­n Wettbewerb ausgetrage­n werden. Eine Partie, die dem DFB Millionen Euro bringt. Geld, das zu Teilen auch in den Breitenspo­rt fließt. Wem wäre geholfen gewesen, wenn die deutsche Nationalma­nnschaft nicht angetreten wäre? Es wäre ein symbolhaft­er Akt gewesen. Ein weithin sichtbares Zeichen für jene Demut, die die Verantwort­lichen des Profi-fußballs in den vergangen Monaten immerzu betonen. Anschließe­nd aber wäre bei jedem weiteren Coronafall berechtigt­erweise die Frage aufgetauch­t, ob denn eine Spielabsag­e nicht zwingend nötig wäre. Bislang aber haben die Hygienekon­zepte überrasche­nd gut funktionie­rt. Der Profifußba­ll ist ein Wirtschaft­szweig. Diesen jetzt auch noch aus falsch verstanden­er Solidaritä­t abzusägen, ist falsch. Das mag unfair erscheinen, ist aber letztlich die gerechtest­e Lösung.

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Foto: dpa Warum dürfen Serge Gnabry (l.) und Timo Werner spielen, Kinder aber nicht? Weil sie sich Sicherheit erkauft haben.
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