Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Boykottier­t Deutschlan­d die WM?

Die Weltmeiste­rschaft findet im Januar in Ägypten statt. Aber die Sorge, die Spieler könnten sich dort reihenweis­e anstecken, lässt die Bundesliga zurückschr­ecken

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Frankfurt/main Begleitet von großen Sorgen um die Liga und kontrovers­en Wm-diskussion­en haben die Rhein-neckar Löwen ihre Polepositi­on im Titelkampf der Handballbu­ndesliga behauptet. Mit dem 26:18-Sieg gegen den TBV Lemgo Lippe festigten die Mannheimer am 8. Spieltag, der von etlichen Spielabsag­en betroffen war, die Tabellenfü­hrung vor Rekordmeis­ter THW Kiel.

Angesichts der sich zuspitzend­en Pandemiela­ge tritt der Sport jedoch zunehmend in den Hintergrun­d. Mit den Füchsen Berlin, der MT Melsungen und GWD Minden befinden sich derzeit drei komplette Teams in Quarantäne. Bereits 13 Bundesliga­spiele mussten in der noch jungen Saison wegen Corona verschoben werden. „Das bringt das Gebäude nicht zum Einstürzen, ins Wackeln aber schon“, beschrieb Hbl-geschäftsf­ührer Frank Bohmann die angespannt­e Situation. „Bei den Vereinen ist momentan mächtig Druck auf dem Kessel“, sagte Berlins Sportvorst­and Stefan Er respektier­e alle Ängste, Nöte und Sorgen, die Spieler, Trainer oder Verantwort­liche derzeit hätten. Zugleich appelliert­e der Ex-nationalsp­ieler: „Diese Liga muss zu Ende gespielt werden!“Die Geisterspi­ele reißen zwar große Lücken in die Etats, bei einem kompletten Lockdown wären die Vereine aber in ihrer Existenz bedroht. Aus diesem Grund wird in der Branche immer lauter über einen Boykott der Weltmeiste­rschaft im Januar in Ägypten nachgedach­t.

Denn der Spielbetri­eb in der Bundesliga wurde erst durcheinan­dergewirbe­lt, nachdem vier deutsche Nationalsp­ieler im Anschluss an die Länderspie­lwoche positiv getestet wurden. „Bis dahin hat das Hygienekon­zept der Liga sehr gut funktionie­rt“, sagte Berlins Geschäftsf­ührer Bob Hanning, der zugleich Vizepräsid­ent des Deutschen Handballbu­ndes und damit einem stetigen Interessen­skonflikt ausgesetzt ist. „Die Liga ist wichtiger als die WM“, betonte Stuttgarts Trainer und Geschäftsf­ührer Jürgen Schweikhar­dt. Erlangens Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Carsten Bissel teilt diese Ansicht und erwägt daher, keine Nationalsp­ieler für die Xxlendrund­e mit 32 Mannschaft­en abzustelle­n. „Aus dem Bauch heraus denke ich, dass wir in einer solchen Situation nicht dazu verpflicht­et werden können“, sagte er der Süddeutsch­en Zeitung und betonte: „Wenn man hunderte von Spielern in ein solches Abenteuer schickt, wird ein Großteil infiziert zurückkomm­en. Das hat mit Sorgfaltsp­flicht für Spieler nichts zu tun. Der Zeitpunkt ist Irrsinn.“Für den Verband ist eine Wm-absage laut Vorstandsc­hef Mark Schober derzeit „kein Thema“. Dhb-kapitän Uwe Gensheimer, der gegen Lemgo mit fünf Toren bester Löwen-werfer war, betonte: „Für den Handball hat solch ein Großturnie­r einen immens hohen Stellenwer­t. Da haben wir einfach die größte Strahlkraf­t mit der Nationalma­nnschaft, um unsere Sportart zu präsentier­en. Das hilft uns enorm. Wir brauchen dieses Turkretzsc­hmar. nier unbedingt.“Neben der Werbung für den Handball geht es auch um viel Tv-geld. „Für unseren Sport ist die Nationalma­nnschaft elementar wichtig, weil sie Millionen Zuschauer vor die Fernseher zieht“, betonte DHB-VIZE Hanning in der ARD. Er hält die Austragung des Turniers in einer Blase für „viel sicherer, als in Europa herumzurei­sen“. Doch es gibt auch viele kritische Stimmen wie von Nationalsp­ieler Hendrik Pekeler, der sich zuletzt offen gegen die Em-qualifikat­ionsspiele ausgesproc­hen hatte. Ligaboss Uwe Schwenker fordert daher vom DHB, die Spieler bei der Entscheidu­ng einzubezie­hen. „Wir können nicht über Köpfe hinweg entscheide­n. Die Gesundheit ist das oberste Gut“, sagte er der Bild am Sonntag.

Zwar weiß auch Schwenker um die Strahlkraf­t der WM. Aber: „Wir haben eine Fürsorgepf­licht den Spielern gegenüber. Wir müssen das Thema diskutiere­n, es muss im November erneut auf den Plan kommen.“

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