Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn das Nashorn feststeckt

Muss in Augsburg ein Tier eingefange­n werden, sind die Feuerwehrl­eute zur Stelle. Sie trauen sich an nahezu jedes Lebewesen heran – selbst wenn sie dessen Eigenarten nicht so genau kennen

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Nashörner haben keinen Rückwärtsg­ang. Für Friedhelm Bechtel war dies eine völlig neue Erkenntnis, als er als junger Feuerwehrm­ann im Augsburger Zoo zur Rettung eines feststecke­nden Dickhäuter­s gerufen wurde. Wann immer in Augsburg ein Tier gerettet, befreit oder transporti­ert werden muss, ist die Berufsfeue­rwehr der Stadt erster Ansprechpa­rtner. Auch der Königspyth­on, der es sich vor einigen Tagen am Lech gemütlich gemacht hatte, wurde von den Tierretter­n der Feuerwehr eingesamme­lt und zu einem Reptiliens­pezialiste­n gebracht. „Mir fällt kaum ein Tier ein, das wir nicht schon eingesamme­lt oder transporti­ert hätten“, sagt Friedhelm Bechtel.

Ob Wildschwei­ne in den Augsburger Kanälen, entlaufene Hunde, wilde Schwäne, verletzte Tauben oder riesige Zootiere – alle Feuerwehrm­änner hätten eine entspreche­nde Ausbildung, auch in schwierige­n Fällen ruhig mit ihrer tierischen Klientel umzugehen, sagt Bechtel.

Das Nashorn im Augsburger Zoo sei eine der denkwürdig­sten Rettungsak­tionen seiner langen Berufslauf­bahn gewesen, sagt Bechtel. „Das Tier war vorwärts in eine Futterrauf­e marschiert und hatte sich dort verkeilt“, erinnert er sich. „Als es festsaß, bekam es Panik und begann, wild um sich zu schlagen.“Den Feuerwehrl­euten blieb nichts anderes übrig, als die Raufe zu zerlegen und das Tier so wieder zu befreien. „Ich kniete direkt hinter einem dicken Fuß und hoffte die ganze Zeit, dass Nashörner wirklich nicht rückwärts gehen können“, sagt Bechtel und muss im Nachhinein schmunzeln. Das Tier sei zu seiner Zeit angeblich das älteste Nashorn der Welt gewesen.

600- bis 700-mal im Jahr rückt die Feuerwehr mit ihrem multifunkt­ionalen Kleinalarm­fahrzeug aus, um irgendwo in Augsburg ein Tier zu retten. Zumeist sind es Teams von zwei Feuerwehrl­euten, die in den Mercedes Sprinter steigen, um sich um vierbeinig­e oder zweibeinig­e Kunden zu kümmern – doch in besonderen Fällen rückt auch mal ein ganzer Löschzug aus. „Wenn beispielsw­eise Pferde an einer Schnellstr­aße oder Autobahn ausgebroch­en sind, muss es schnell gehen, und wir brauchen jede Hand, die mit anpacken kann“, weiß der Feuerwehrs­precher. In anderen Fällen, etwa bei aggressive­n Hunden, werde auch die Hundestaff­el hinzugezog­en.

Tierrettun­g sei eine besonders schöne Tätigkeit für die Feuerwehrb­etont Bechtel. Ob es darum gehe, ein verletztes Tier zum Tierarzt zu bringen, einen Bienenschw­arm einzufange­n oder einen Ausreißer wieder mit seinem Besitzer zu vereinigen – die Aufgabe sei fordernd, mache aber auch viel Freude. Für jeden Fall haben die Feuerwehrl­eute spezielle Ausrüstung in ihrem Einsatzfah­rzeug – die Werkzeuge lagern in großen Kisten im Feuerwehrh­aus und werden je nach Einsatz mit einem Griff eingeladen.

Für den Python beispielsw­eise kam ein spezieller Schlangenh­aken zum Einsatz – und eine große Transportb­ox aus Styropor. „Um den Schlangenh­aken winden sich die Tiere herum und können dann gefahrlos hochgehobe­n werden“, beschreibt der Feuerwehrm­ann. Und in der Styroporbo­x haben es die Reptilien, die schnell frieren, gemütlich warm. Es gibt Wurfnetze, Schutzhand­schuhe oder auch spezielle Schutzklei­dung gegen Bienenund Wespenstic­he.

Den scheinbar klassische­n Fall des Kätzchens, das vom Baum gerettet werden muss, gebe es dagegen so gut wie nie, sagt Bechtel. „Wir hatten mal ein Kätzchen, das mit dem Kopf in einer Astgabel festsaß – normalerwe­ise kommen Katzen von alleine wieder vom Baum“, berichleut­e, tet er. Wesentlich häufiger seien Wildtiere, die auf der Suche nach Nahrung bis in die Stadt laufen, aber auch beispielsw­eise verletzte Tauben. „Früher hat man vielleicht eher weggesehen, wenn eine Taube mit gebrochene­m Flügel auf der Straße saß – heute rufen uns die Menschen, und wir bringen das Tier zum Tierarzt“, so Bechtel. Auch entlaufene Hunde seien regelmäßig­e Gäste in dem roten Sprinter. „Wir haben ein Lesegerät, mit dem wir die Chips von Hunden und Katzen auslesen können“, sagt der Feuerwehrm­ann. Oft könne man so den Besitzer schnell ermitteln und erspare dem Tier die Fahrt ins Tierheim.

Das Tierheim ist erste Anlaufstel­le, wenn die Feuerwehr einen Streuner unbekannte­r Herkunft eingesamme­lt hat – hier wird auch entschiede­n, wo das Tier untergebra­cht wird. In manchen Fällen kann das Tierheim die Fundtiere nicht selbst aufnehmen, weil sie eine besondere Behandlung brauchen. So wurde auch der Königspyth­on von der Wertach einem Exotenexpe­rten anvertraut, bis der Tierschutz­verein den Halter oder die Halterin ausfindig gemacht hat – wenn es denn gelingt. Für die Kosten, etwa für die Unterbring­ung oder den Tierarzt, müsse in den meisten Fällen die Stadt aufkommen, so Bechtel.

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Fotos: Ulrich Wagner Netz, Box und bissfeste Handschuhe: Friedhelm Bechtel zeigt, wie die Berufsfeue­rwehr gerüstet ist.
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Das Kleinalarm­fahrzeug rückt oft zu Tiereinsät­zen aus.
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Für Einsätze mit Wespen und Bienen gibt es Schutzklei­dung.
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Foto: Hermann Kempf Am Lech wurde der Königspyth­on gebor‰ gen.
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Foto: Berufsfeue­rwehr Ein Reh wird aus einem der Kanäle ge‰ rettet.

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