Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eine Altenpfleg­erin erzählt: So hart trifft uns das Virus

Jana Schröder arbeitet im Augsburger Christian-dierig-haus, das von Corona besonder schwer getroffen ist. Die 35-Jährige hat sich auch selbst infiziert. Für die Ansichten von Corona-leugnern hat sie kein Verständni­s

- VON ANDREA BAUMANN

Jana Schröder liebt ihren Beruf „von ganzem Herzen“. Die 35-Jährige hat sich nach dem Abitur bewusst für eine Ausbildung zur Altenpfleg­erin entschiede­n. „Weil ich etwas sozial Sinnvolles und Krisenfest­es machen wollte.“An dieser Grundeinst­ellung konnten auch die vergangene­n Wochen nicht rütteln, obwohl sie der jungen Frau an die Substanz gegangen sind: Jana Schröder arbeitet als Bereichsle­iterin im Christian-dierig-haus im Augsburger Stadtteil Pfersee. In jenem Stockwerk, in dem das Coronaviru­s ausgebroch­en ist – und mehr als 20 infizierte Senioren und fast ebenso viele positiv getestete Beschäftig­te zur Folge hatte. Auch sie selbst bekam das Testergebn­is „positiv“, was sie noch heute kaum glauben kann.

Jana Schröder erzählt: „Als das Virus bei uns ausbrach, war ich eigentlich im Urlaub, aber nicht verreist. Deshalb bin ich einmal für eine erkrankte Kollegin eingesprun­gen.“Dabei habe sie sich wohl angesteckt – trotz Mund-nasen-schutz. Wo beziehungs­weise bei wem, kann die gebürtige Norddeutsc­he nicht sagen. Es gebe so viele Quellen – Mitarbeite­r, Bewohner, Angehörige – und es bringe nichts, Schuldige zu suchen, betont die Altenpfleg­erin und studierte Pflege- und Sozialmana­gerin. Mit dem positiven Testergebn­is musste Jana Schröder ebenso wie die anderen Betroffene­n nach Hause in Quarantäne, obwohl sie abgesehen von Müdigkeit und einem kurzfristi­gen Verlust des Geruchssin­ns keinerlei Symptome zeigte. „Ich bin fast ausgeflipp­t, dass ich nicht arbeiten durfte.“Um nicht untätig zu Hause sitzen zu müssen, sich die Bereichsle­iterin mit Laptop und Telefon ins Homeoffice, hielt Kontakt zu Kolleginne­n, die aushalfen, und zu Angehörige­n, die plötzlich nicht mehr zu Besuch kommen durften und voller Sorge um ihre alten Menschen waren.

Als Pflegekraf­t in einem Altenheim sind Tod und Sterben für die verheirate­te 35-Jährige kein Tabuthema. Doch dass die Station innerhalb weniger Wochen von fünf mit dem Coronaviru­s infizierte­n Senioren Abschied nehmen musste, hat sie aus der Fassung gebracht. „Ich habe viel geweint deswegen und auch, weil es einigen meiner erkrankten Kollegen zeitweise richtig schlecht ging.“Das Gefühl, dem Virus hilflos ausgeliefe­rt zu sein, macht Jana Schröder zu schaffen. Zwar wisse man heute viel mehr über Corona als während der ersten Welle im Frühjahr. Dennoch müsse man sich immer bewusst sein, dass es trotz aller Vorsichtsm­aßnahmen keinen hundertpro­zentigen Schutz gebe – und dass die Gesellscha­ft ein bis zwei Jahre mit der Pandemie leben müsse.

Für „Querdenker“und Coronaleug­ner hat die Pflegerin deshalb kein Verständni­s. Regelrecht traubegab rig stimmt sie die zunehmende Aggressivi­tät in den Diskussion­en, ein sachlicher Austausch sei nicht mehr möglich. „Keiner hört mehr dem anderen zu. Die Leute haben den Respekt voreinande­r verloren.“Aussagen wie „die sterben doch eh bald“bringen die sonst so besonnene Frau ebenso in Rage wie der Vorschlag, Senioren durch Isolation vor dem Virus zu schützen. Man könne die alten Menschen doch nicht einsperren, damit sich die anderen nicht einschränk­en müssen. „Auch Senioren haben das Recht, das Haus zu verlassen und ihre Familie zu sehen.“

Schröder betrachtet den Kampf gegen Corona als gemeinsame Aufgabe aller Generation­en. Selbstvers­tändlich werde sie sich daher impfen lassen, „gerade weil ich weiß, was das Virus anrichten kann und ich inmitten der Risikogrup­pe arbeite“. Dem schwedisch­en Sonderweg der Herdenimmu­nität kann Jana Schröder nichts abgewinnen.

Noch herrscht im Hauptgebäu­de des Dierig-hauses Besuchsver­bot. Doch ganz allmählich gehe es wieder aufwärts, sagt die Altenpfleg­erin. Ebenso wie ein Teil ihrer Kollegen ist auch sie nach der Quarantäne wieder an ihren Arbeitspla­tz im ersten Stock des Seniorenhe­ims zurückgeke­hrt. Dankbar ist sie für die Hilfsberei­tschaft der nicht infizierte­n

Wo sie sich angesteckt hat, ist unklar

„Ich habe den Traumberuf schlechthi­n“

Beschäftig­ten, die selbstvers­tändlich auf Urlaub und freie Tage verzichtet hätten, um zuletzt den Betrieb am Laufen zu halten – allen voran die Führungskr­äfte. Auch sie übernehme gerade wieder Nachtschic­hten, obwohl sie als Bereichsle­iterin normalerwe­ise nur Tagdienst hat.

„Ich habe den Traumberuf schlechthi­n“, betont Jana Schröder trotz alledem. Persönlich fühlt sie sich von ihrem Arbeitgebe­r – der Arbeiterwo­hlfahrt Augsburg – fair bezahlt. Wünschen würde sie sich aber, dass die Gesellscha­ft den Pflegekräf­ten mehr Wertschätz­ung entgegenbr­ingt. Ein mitleidige­s Lächeln sei dabei fehl am Platz. „Wir haben die Ehre, alte Menschen auf ihrem letzten Lebensabsc­hnitt zu begleiten“, sagt sie.

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Foto: Annette Zoepf Altenpfleg­erin Jana Schröder entspannt sich zu Hause von der Arbeit im Christian‰dierig‰haus. Katze Rosi lässt sich von der 35‰Jährigen verwöhnen.

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