Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die neue Staatsbibliothek weckt Vorfreude
Vier Jahre liegt schon der Architekten-siegerentwurf vor. Nun konkretisiert sich die Planung für das Bücherschatzhaus
Fünf magere Jahre muss Karl-georg Pfändtner jetzt noch überstehen – dann wird seine Staats- und Stadtbibliothek wieder das sein, was sie im Jahr ihrer Eröffnung anno 1893 war: der modernste Bibliotheksbau weit und breit. In Meyers Konversationslexikon ist sie damals in einer Reihe genannt worden mit der Library of Congress in Washington, der königlichen Bibliothek Stuttgart, den Bibliotheken in Boston und Chicago. Seither ist das neubarocke Augsburger Bücherpalais bis auf geringfügige Anpassungen freilich nicht mehr verändert worden.
Erst jetzt ist im Finanzausschuss des Landtags und in den drei zuständigen Ministerien der Startschuss dafür gefallen, die Planungen für die Sanierung und Erweiterung der Staats- und Stadtbibliothek zu konkretisieren. In gut einem Jahr, 2022, könnten dann die Bagger anrollen. Bis dahin wird Direktor Pfändtner sein Büro geräumt haben und übergangsweise mit der gesamten Bibliothek ins dann ehemalige Bayernkolleg nach Lechhausen umgezogen sein. Der Altbau an der Schaezlerstraße muss leer sein, um ihn von Grund auf zu modernisieren. „Die Elektroleitungen sind teils aus den Siebzigerjahren, der Aufzug macht immer wieder Ärger und die Fenster sind nur einfach verglast“, weiß Pfändtner. In der Sommersonne heizt sich der Bau auf, im Winter sind die Magazine bitterkalt.
Vor 125 Jahren sind die Orangeriefenster so großzügig dimensioniert worden, damit Tageslicht die Buchregale beleuchtet und, dem Brandschutz zuliebe, aufs Elektrische verzichtet werden kann. Die Zeiten haben sich gewandelt. Vor allem den wertvollen Handschriften und Frühdrucken will der Bibliothekar nicht mehr das Wechselbad der Temperaturen antun. In der neuen Bibliothek werden die Schätze klimatisiert aufbewahrt und nach neuestem Stand gesichert. Immerhin zählt ihr Bestand zu den bedeutendsten spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Sammlungen in Deutschland. Noch ein starker Grund für die Generalüberholung: Die Stabi ist bislang nicht barrierefrei. Für die Bücherwagen wurden zwar schon Rampen eingebaut, ein Rollstuhlfahrer aber tut sich schwer.
Schon 2016 ist der Architektenwettbewerb entschieden worden. Der international renommierte Berliner Planer Max Dudler, ein Spezialist für Bibliotheksbauten – darunter das Jacob-und-wilhelmgrimm-zentrum in Berlin –, wird den Erweiterungsbau prägen. Parallel zum Altbau wird sich der Neubau städtebaulich markant erheben, ein Kubus mit feingliedriger Lamellenstruktur auf der Fassade. Erschlossen werden beide Teile über das repräsentative Treppenhaus. Er führt direkt in den Lesesaal, den Seminarräume ergänzen. Die dortige Handbibliothek wird von 9000 auf 20000 Bände vergrößert. Die zusätzlichen Magazine in den beiden Untergeschossen sollten für den Zuwachs der nächsten 20 Jahre reichen. Die Fassungskraft beträgt dann 705000 Bände. Bisher waren es 570 000.
Als Archivbibliothek bewahrt die Sammlung aller in Bayerischschwaben erscheinenden Druckwerke auf. Auch die Zeitschriften und Zeitungen, die in ihren älteren Beständen eine oft einmalige Quelle für die Forschung darstellen. Nach Pfändtners Worten hat die Region nach München im Freistaat das höchste Aufkommen an Verlagsprodukten. Die alte Staats- und Stadtbibliothek platzt aus den Nähten. Rund 80000 Bände sind seit einiger Zeit nach München ausgelagert.
Schon 2016 schwärmte Kunstminister Ludwig Spaenle vom einem „Leuchtturmprojekt des staatlichen Bibliotheksbaus“. Sein Nachfolger Bernd Sibler konkretisiert: „Mit den Baumaßnahmen schaffen wir eine zeitgemäße, regionalorientierte und nutzerfreundliche Einrichtung, die historische und moderne Architekt vereint und sich harmonisch in das Stadtbild einfügt.“Bauministerin Kerstin Schreyer bescheinigt dem Architekten „viel Gespür für die funktionalen Anforderungen und das städtebauliche Umfeld“.
Auf 47 Millionen Euro ist das gesamte Projekt kalkuliert. Darauf geschlagen werden sieben Millionen für Baupreissteigerungen und acht Millionen für besondere Risiken in der Altbausubstanz, eventuelle Bombenfunde und die Bodenuntersuchungen. Denn auch im Gelände der Staats- und Stadtbibliothek könnten sich Grabmäler aus römischer Zeit finden, wie sie in großer Zahl entlang der Frölichstraße ausgegraben wurden. Abgebrochen werden die alte Stadtbücherei von 1956 und der 1914 als Volksbücherei errichtete Lesesaal.
Die Erweiterung und Sanierung werden voraussichtlich bis 2025/26 abgeschlossen sein. Dann kann Direktor Pfändtner die zwanzig Aktenordner einmotten, die den Planungsfortschritt der vergangenen vier Jahre dokumentieren. Er kennt jede einzelne Seite darin. „Alles musste darauf geprüft werden, ob es korrekt ist.“Sogar um den Artenschutz im Park und die Fernwärmeleitung musste er sich kümmern.