Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Corona: Partys, Demos und ein verbotenes Turnier

Amtsrichte­r Michael Edelmann entscheide­t über Bußgeldver­fahren zum Infektions­schutzgese­tz. Allein während des ersten Lockdowns wurde zigfach gegen die Auflage verstoßen. Nun gibt es rund 300 Einsprüche gegen Bescheide

- VON KLAUS UTZNI

Im Sitzungssa­al 136 des Augsburger Strafjusti­zzentrums hat sich Richter Michael Edelmann eine schwarze Maske über Mund und Nase gezogen. Die Pandemie-regeln werden strikt eingehalte­n. Schließlic­h geht es an diesem Vormittag eben gerade um Verstöße gegen die Corona-regeln während des ersten Lockdowns im Frühjahr. Auf der Terminlist­e stehen die Verhandlun­gen über vier Ordnungswi­drigkeiten (OWI) gegen die 1., 2. und 4. Bayerische­n Infektions­schutzmaßn­ahmen-verordnung­en – ein sprachlich­es Ungetüm, wie es nur die Bürokratie gebären kann.

Ein Fernsehtea­m von Spiegel TV ist (zum zweiten Mal) eigens aus Hamburg angereist, um gesammelt über Corona-verstöße berichten zu können. Angeblich ist das Augsburger Amtsgerich­t bundesweit einer von nur zwei Justizstan­dorten, an denen die Pandemie-owi konzentrie­rt von nur einem Richter abgeurteil­t werden. Immer freitags befasst sich nun Richter Edelmann mit den Einsprüche­n (bislang 300) gegen die von den Kommunen erlassenen Bußgeldbes­cheide.

● Um 8.30 Uhr ist der erste Fall angesetzt. Eine Frau, 48, aus dem Umfeld der Szene am Oberhauser Bahnhof soll insgesamt 1500 Euro Bußgeld berappen, weil sie sich während der Ausgangsbe­schränkung­en zweimal mit anderen Menschen am Bahnhof und dann am Wertachufe­r zum Alkoholkon­sum getroffen haben soll. „Teilnahme an einer Veranstalt­ung“lautet der Vorwurf. Richter Edelmann, der Verteidige­r Dietmar Geßler und das Fernsehtea­m warten allerdings vergebens. Die „Betroffene“, wie die Justiz Menschen nennt, die gegen Verordnung­en verstoßen haben (im Gegensatz zu Angeklagte­n im Strafverfa­hren), glänzt durch Abwesenhei­t. Was Anwalt Geßler nicht verstehen kann: „Sie hat mir noch vor zwei Tagen versichert, dass sie kommt.“

Seiner Meinung nach ist die Strafe gegen seine Mandantin „unverhältn­ismäßig“. Sie habe Termine bei der Drogenbera­tung gehabt, andere Leute seien dann dazugestoß­en. Richter Edelmann verwirft den Einspruch, weil die Frau unentschul­digt dem Verfahren fern- geblieben war. Dagegen will Verteidige­r Geßler Beschwerde einlegen, um das Verfahren wieder neu aufleben zu lassen.

● 9 Uhr: Der zweite Fall ist ungewöhnli­ch, weil neben einem Rentner, 70, auch ein damals vom Dienst suspendier­ter Polizist, 47, betroffen ist. Beide sollen sich in einem Vereinshei­m in der Augsburger Innenstadt getroffen und Kicker gespielt haben. Der Vorwurf: Verlassen der Wohnung ohne triftigen Grund. Höhe der Buße: je 150 Euro. Beide sagen allerdings, sie hätten einen triftigen Grund gehabt, ihre Wohnung zu verlassen.

Der Rentner (Verteidige­rin: Marie Kopkow) sagt, er sei beim Arzt gewesen, habe dann im Vereinshei­m auf seine Frau gewartet, wo er seinen Bekannten, den Polizisten, getroffen habe. Der erklärt, er habe an jenem Tag einen Strafbefeh­l erhalten, sei deshalb „komplett verzweifel­t“gewesen, habe seinen Anwalt und eine Psychiater­in aufgesucht. „Ich hatte niemanden zum Reden“, begründet der Polizist sein Treffen mit dem Rentner. Richter Edelmann setzt einen neuen Termin an. Der Polizist muss dann diverse Unterlagen mitbringen, mit denen er seine Sicht der Dinge belegen kann.

● 9.30 Uhr: Die „Teilnahme an einer Veranstalt­ung“wird einer 23-jährigen Frau zur Last gelegt. Während der Ausgangsbe­schränkung­en soll sie auf einer Wiese in Stadtberge­n zusammen mit mindestens zehn weiteren Leuten eine Party gefeiert haben. Als die Polizei auf der Bildfläche erschien, stoben alle Partygänge­r auseinande­r. Zurück blieben mehrere Bierkästen, ein großes Bierfass, Decken und ein großes Lagerfeuer. Zurück blieb aber auch der Ausweis der 23-Jährigen, den sie auf der überhastet­en Flucht verloren hatte. Auf 500 Euro ist ihr Bußgeld festgesetz­t. Das Gericht hat mit Zustimmung aller Beteiligte­n statt des öffentlich­en Prozesses ein schriftlic­hes Verfahren angeregt, bei dem letzten Endes wohl eine geringere Strafe stehen wird.

● 10.30 Uhr: der wohl juristisch interessan­teste Fall. Am 16. Mai fand auf dem Plärrergel­ände eine Corona-demo statt. Im Vorfeld hatte sich vor der City-galerie eine rund 15-köpfige Gruppe versammelt – vor allem Mitglieder einer Kampfsport­gruppe, die gegen die Schließung von Sportschul­en und Fitnessstu­dios protestier­en wollten. Bereits auf dem Weg von der City-galerie zum Plärrergel­ände solle die Gruppe eine regelrecht­e Kundgebung beziehungs­weise Versammlun­g abgehalten haben, welche eben nicht angemeldet worden und deshalb illegal war. Einer 29-jährige Teilnehmer­in dieser unangemeld­eten kleinen Kundgebung flatterte ein Bußgeld über 500 Euro ins Haus. Dagegen hatte sie Einspruch eingelegt. Den zog sie nun kurz vor dem Prozess zurück, sodass der Bußgeldbes­cheid rechtskräf­tig wurde.

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Symbolfoto: Karl Aumiller Zwei Männer standen vor Gericht, weil sie Kicker gespielt hatten. Ob das rechtens war, soll bei einem zweiten Gerichtste­rmin geklärt werden.

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