Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schule darf kein Risikogebi­et mehr sein

Im Klassenzim­mer treffen sich jeden Tag 30 Haushalte. Infektions­gefahr? Vermutlich immens. Dabei gäbe es einen Weg, der sicheres Lernen ermöglicht

- VON SARAH RITSCHEL sari@augsburger‰allgemeine.de

Und wieder hat heute Morgen ein Unterricht­stag begonnen. Es ist weiter Schule – oder, wie es ein Rektor kürzlich formuliert­e: die einzige Massenvera­nstaltung, die in Corona-zeiten noch stattfinde­n darf. Klassenzim­mer, in denen der Maximalabs­tand nur 50 Zentimeter beträgt, Lehrer, die am Tag Kontakt zu geschätzt 30 Haushalten haben. Und jeden Morgen das große Bangen: Meldet sich jemand mit positivem Coronatest? Wer muss dann in Quarantäne? Präsenzunt­erricht unter diesen Bedingunge­n ist ein unnötiges Risiko – für Schüler, für Lehrer, für deren gefährdete Angehörige. Diese Gefahr blenden die Ministerpr­äsidenten aus, wenn sie vorbeten, dass Schulen so lange wie möglich geöffnet bleiben müssen.

Natürlich, auch die Befürworte­r offener Schulen argumentie­ren mit dem Wohl der Kinder, denken an den Heimunterr­icht vom Frühjahr. Mit den Lerndefizi­ten aus dieser Zeit kämpfen manche Schüler noch heute. Eltern reklamiert­en damals, dass sie keine Hilfslehre­r seien und ganz nebenbei übrigens noch Geld verdienen müssten. Kinder vereinsamt­en ohne ihre Freunde. Ganz zu schweigen von den Internetpr­oblemen der bislang oft rein analogen Schulen.

Doch bei bundesweit rund 20 000 Neuinfekti­onen pro Tag ist nichts wichtiger, als die Pandemie einzudämme­n. Das ist Ziel aller Restriktio­nen. An Schulen wird es konterkari­ert – während eine Studie des Münchner Helmholtz-zentrums zeigt, dass die Dunkelziff­er infizierte­r Kinder fünfmal so hoch ist wie die derer, bei denen Covid-19 entdeckt wurde. Schulen sind keine Pandemietr­eiber? Mittlerwei­le eine gewagte These.

Die Politik muss alles tun, damit Ausbrüche an Schulen verhindert werden und Kinder nicht das Virus weiterverb­reiten. Einen ersten Schritt ist Nordrhein-westfalen gegangen. Dort beginnen die Weihnachts­ferien

früher, um das Risiko zu senken, dass Kinder das Virus unter den Christbaum tragen. Das sollte auch in Bayern so sein.

Doch der entscheide­nde Kniff, mit dem die Klassenzim­mer sicherer werden und Kinder trotzdem lernen, ist Wechselunt­erricht. Die Methode also, bei der Klassen in zwei Gruppen geteilt werden, die dann tage- oder wochenweis­e abwechseln­d in der Schule und zu Hause lernen – im besten Fall digital, zur Not analog mit Arbeitsblä­ttern der Lehrkraft. Dieses Hybrid-modell ist ein fairer Kompromiss zum Wohl der Kinder – das dürften auch Eltern bestätigen, sofern sie Schule nicht nur als Abladestat­ion für den Nachwuchs sehen.

Das Robert-koch-institut empfiehlt schon ab einem Inzidenzwe­rt von 50 Infektione­n pro 100 000 Einwohnern die Halbierung der Klassen.

Und ursprüngli­ch, als diese Zahl 50 noch lediglich in unseren schlimmste­n Albträumen vorkam, war das auch mal so geplant – zumindest in Bayern. Jetzt wollen die Politiker davon nichts mehr wissen. Der Hybridunte­rricht scheint selbst zum Albtraum mutiert. Als wäre es von da nur noch ein winziger Schritt, bis die Schulen ganz schließen. Es ist genau umgekehrt. Je mehr Infektione­n an den Schulen vermieden werden können, desto eher kann man sie doch offenhalte­n! Je weniger Schüler in einem Raum, desto weniger Risiko.

Bisher setzen die Ministerpr­äsidenten Schüler und Lehrer Tag für Tag neuer Infektions­gefahr aus. Wenn sie nächste Woche endlich über den weiteren Kurs an Schulen entscheide­n, konferiere­n sie natürlich digital. Keiner von ihnen würde sich mit 30 anderen in ein viel zu kleines (Klassen-)zimmer setzen, in dem womöglich der Luftfilter defekt ist und alle 20 Minuten beim Lüften ein eisiger Wind pfeift. Täten sie es doch, wäre der Wechselunt­erricht vermutlich ganz schnell beschlosse­ne Sache.

Länderchef­s gefährden Schüler

und Lehrer

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