Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Störaktion empört Bundestag

Afd-abgeordnet­e schleusten Aktivisten ins Parlament, die andere Abgeordnet­e vor der Abstimmung über das Infektions­schutzgese­tz bedrängten. Folgen rechtliche Konsequenz­en?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Auch einen Tag danach ist Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth noch immer tief erschütter­t über die Störaktion der AFD im Bundestag. „Die „Feinde der Demokratie haben ihre Verachtung für demokratis­che Spielregel­n zum Ausdruck gebracht und sie haben ihr wahres Gesicht gezeigt“, sagte sie unserer Redaktion. Während der Bundestags­debatte über die Reform des Infektions­schutzgese­tzes am Mittwoch hatte die AFD, wie inzwischen feststeht, mehrere Besucher ins Parlament geschleust, die auf den Gängen vor dem Plenarsaal Abgeordnet­e bedrängten. Die Grünenpoli­tikerin ist entsetzt über die rechten Störer: „Die Vorfälle gestern im Bundestag sind skandalös, erschütter­nd und völlig unzulässig.“Abgeordnet­e der AFD hätten zur Blockade des Bundestage­s von innen und außen aufgerufen, rechtsextr­eme Blogger und Störer ins Haus geschleust, Mitarbeite­r seien bedrängt und Abgeordnet­e der demokratis­chen Fraktionen bedroht worden. „Wir haben einen Angriff auf die demokratis­che Institutio­n Deutscher Bundestag und den Versuch seiner Verächtlic­hmachung erlebt“, sagte Roth. Es bleibe die Aufgabe von allen demokratis­chen Kräften, „diese Demokratie­feinde gemeinsam zu bekämpfen“.

Aufnahmen von der Störaktion wurden im Internet verbreitet. Auf einem Video ist etwa zu sehen, wie Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) auf einem Bundestags­flur angegangen wird. Eine Frau mit dunklem Haar ruft ihm zu: „Sie haben kein Gewissen“und filmt die Konfrontat­ion mit einer Handykamer­a. Altmaier bleibt souverän und steigt kurz darauf in den Aufzug. Von derselben Frau sowie weiteren Personen sollen auch andere Abgeordnet­e belästigt worden sein, während eine Handykamer­a lief. Das berichtet etwa FDP-MANN Konstantin Kuhle, der nach eigenen Angaben selbst gegen das Infektions­schutzgese­tz gestimmt hat. Derartige Versuche der Beeinfluss­ung des Abstimmung­sverhalten­s empfinde er aber als „absolut unerhört“. Auch Stefan Müller von der CSU bestätigt die Aktionen, die Abgeordnet­e „wohl hindern sollen, an der Ab

im Parlament teilzunehm­en“.

Noch am Mittwochab­end hatte Afd-parlaments­geschäftsf­ührer Bernd Baumann erklärt, der Bundestags­fraktion lägen keinerlei Erkenntnis­se vor, dass Afd-abgeordnet­e unbefugte Personen in den Bundestag geschleust hätten. Doch am Donnerstag­nachmittag mussten die Afd-bundestags­fraktionsc­hefs Alice Weidel und Alexander Gauland einräumen, dass die Störer als Gäste von Afd-abgeordnet­en in den Bundestag gelangt waren. Weiteres Leugnen hätte auch gar keinen

Zweck gehabt. Wegen der aufgeheizt­en Stimmung war das übliche Prozedere außer Kraft gesetzt worden, wonach ein Abgeordnet­er bis zu sechs unangemeld­ete Besucher mit in den Bundestag nehmen darf. So musste an diesem besonderen Sitzungsta­g jeder Besucher mit seinen Personalie­n angemeldet werden. Jeder von ihnen konnte dadurch exakt den Abgeordnet­en zugeordnet werden, die sie eingeladen hatten.

Laut eines Sicherheit­sberichts sind es folgende drei Afd-abgeordnet­e, die die Störaktion ermöglicht­en: Udo Hemmelgarn, Petr Bystimmung stron und Hansjörg Müller. Sie hatten über ihre Büros etwa die ehemalige Flüchtling­shelferin und heutige rechte Aktivistin Rebecca Sommer angemeldet. Bei ihr soll es sich um die Frau handeln, die Wirtschaft­sminister Peter Altmaier in der Szene am Aufzug bedrängte. In den Bundestag gelangt waren offenbar auch der Verschwöru­ngstheoret­iker Thorsten Schulte und der rechte Youtuber Eliyah Tee.

Weidel und Gauland erklärten, dass sich mehrere Gäste, die über Büros von Afd-abgeordnet­en angemeldet worden seien, zeitweise unbegleite­t im Bundestag aufgehalte­n hätten. Dabei sei Altmaier „in aufdringli­cher Art und Weise gefilmt“worden. Sie bedauerten „das inakzeptab­le Verhalten“, so die Fraktionsc­hefs weiter. Dabei hatte die AFD am Mittwoch noch mit einer weiteren, nach den Regeln des Bundestags verbotenen Aktion für

Auch eine Afd‰plakatakti­on verletzt die Regeln

einen Eklat gesorgt. Vor der Rede von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) wurden Plakate mit einem mit Trauerflor versehenen Grundgeset­z gezeigt. Nach einer Mahnung von Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) wurden die Plakate wieder entfernt.

Carsten Schneider, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Spdbundest­agsfraktio­n, kritisiert­e: „Bei den Vorfällen in und um die Sitzung im Bundestag gestern hat die AFD erneut ihre antidemokr­atische Fratze gezeigt. Sie steht nicht auf dem Boden unseres Grundgeset­zes.“Corona-leugner in den Reichstag zu schleusen, die Abgeordnet­e und Mitarbeite­r bedrängen, erinnere „an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte“.

Der Ältestenra­t des Bundestags verständig­te sich am Donnerstag darauf, mögliche strafrecht­liche Konsequenz­en der Vorfälle zu prüfen. Für die beteiligte­n Afd-abgeordnet­en könne dies die Aufhebung der Immunität und ein Ermittlung­sverfahren bedeuten. Am Freitagvor­mittag will sich der Bundestag auf Antrag von Union und SPD in einer Aktuellen Stunde mit den Vorfällen befassen.

 ?? Foto: Imago Images ?? Grundgeset­z mit Trauerflor: Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble beendete mit einer Mahnung die Plakatakti­on der Afd‰fraktion.
Foto: Imago Images Grundgeset­z mit Trauerflor: Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble beendete mit einer Mahnung die Plakatakti­on der Afd‰fraktion.

Newspapers in German

Newspapers from Germany