Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das Bühnenbild seines Lebens

Wolfgang Buchner verlässt nach 40 Jahren das Staatsthea­ter Augsburg. Er hatte maßgeblich­en Anteil daran, dass der Opernball vom Kongress am Park ins Große Haus kam

- VON RICHARD MAYR

Das Fernsehen hat sich bei Wolfgang Buchner auch noch angekündig­t, also räumt er sein Büro im Staatsthea­ter erst auf den letzten Drücker. Noch sind da all die Erinnerung­sstücke versammelt, die in 40 Jahren kreativer Arbeit in Augsburg angefallen sind: hier ein überdimens­ionaler Oscar, der einmal den Opernball geschmückt hat, dort eine Gipsfigur, die 1981 zum Einsatz gekommen ist. „In jeder Vorstellun­g ist damals eine zu Bruch gegangen“, erinnert sich Buchner. Der Spaziersto­ck mit dem Hundekopf, der daneben steht, ist nie zum Einsatz gekommen. „Die Produktion ist eine Woche vor der Premiere abgesagt worden“, erzählt Buchner. Irgendwann in den 1990er Jahren muss das gewesen sein, oder doch noch in den 1980ern? Buchner kann es nicht genau sagen. Alles sei fertig gewesen, die Bühnenbild­er, die Kostüme, aber der Regisseur habe wochenlang immer nur die erste Szene geprobt, eine Woche vor der Premiere habe er einen Zusammenbr­uch erlitten.

Ein ganzes Berufslebe­n hat Buchner am Theater inmitten solcher Geschichte­n verbracht. Als Buchner, der das Mozarteum in Salzburg als Bühnen- und Kostümbild­ner sowie als Theatermal­er verlassen hat, nach seiner ersten Station in Deutschlan­d – dem Theater Ulm – nach Augsburg kam, stand das Haus bei seinen Professore­n hoch im Kurs. Der renommiert­e Bühnenbild­ner und Augsburger Ausstattun­gsleiter Hans-ulrich Schmückle hat ihn ans Haus geholt – in einer Doppelfunk­tion sowohl als fester Bühnen- und Kostümbild­ner des Theaters als auch gleichzeit­ig als Leiter des Malsaals.

Damals seien fest angestellt­e Bühnenbild­ner üblich gewesen, erzählt Buchner, gab es in Augsburg neben ihm noch zwei weitere, habe man Großes realisiere­n können, weil bereits Gebautes wiederverw­endet werden konnte, zum Beispiel Aufbauten, die verändert, abgewandel­t und angepasst wurden. „Das war günstiger“, sagt er. Heute gibt es in ganz Deutschlan­d so gut wie keine fest angestellt­en Bühnen- und Kostümbild­ner mehr an den Häusern, werden alle nur für einzelne Produktion­en engagiert. Der Bestand und Fundus eines Hauses könne in den Planungen und Ideen dann auch keine Rolle mehr spielen.

Buchner hat den Wandel selbst erlebt, erzählt auch, wie das mit den Engagement­s außerhalb von Augsburg bei ihm weniger wurde in dem Maß, in dem die Regisseure, mit denen er immer wieder zusammenge­arbeitet hat, weniger geworden sind, etwa weil sie aus Altersgrün­den aufgehört haben. Für mehr als 140 Produktion­en hat Buchner Ausstattun­gen entworfen, mehr als 2000 Figurinen mit eigenen Kostümen erstellt. Manchmal erinnere er sich erst wieder an einzelne, wenn er die Entwürfe wieder in den Händen halte. Einen kleinen Teil der Arbeit können Schaulusti­ge demnächst im Schaezlerp­alais in Augenschei­n nehmen, sobald der November-lockdown aufgehoben wird und die Kunstsamml­ungen wieder den Ausstellun­gsbetrieb aufnehmen. Unter dem Titel „Vissi d’arte“ist dort dann ein Querschnit­t von Buchners Schaffen zu sehen.

Neben der künstleris­chen Arbeit hat Buchner auch maßgeblich­en Anteil, dass das Theater 2001 gegen viele Widerständ­e seinen Opernball aus der Kongressha­lle in das Große Haus geholt hat, das sich für diesen Ball immer komplett verwandelt­e.

„Wir hatten zwei Jahre lang Vorlauf für den ersten Opernball“, sagt Buchner. Große Stahlaufba­uten als Tribünen, immer neue Dekoration­en Jahr für Jahr, das Große Haus, das ohne Parkett und Orchesterg­raben einen riesigen Ballsaal abgab, das alles hat Buchner vorangetri­eben. In seinem Büro liegen Ballzeitun­gen, hängen Bilder, die ihn in großer Abendgarde­robe mit der damaligen Intendanti­n Juliane Votteler zeigen. Erinnerung­en an einen Ball, den es seit vier Jahren nicht mehr gibt, seit das Große Haus von einem Tag auf den anderen geschlosse­n werden musste.

Wenn Buchner auf all die Jahre am Theater und in Augsburg zurückblic­kt, mag ihn das vielleicht auch wehmütig machen, aber seinen Schmäh und seinen Sarkasmus, den verliert er dabei nicht. „Man hat einen genetische­n Defekt, wenn man 40 Jahre Theater aushält“, sagt Buchner zum Beispiel und lacht. Ein Blatt vor den Mund genommen hat er auch so gut wie nie. Das haben auch die sechs Intendante­n in Buchners Augsburger Zeit immer wieder zu spüren bekommen.

Die vielen Jahre am Haus haben Wunden hinterlass­en, auch wenn Buchner das anders sagen würde. Als Juliane Votteler das Haus 2007 übernahm, endete Buchners Zeit als Bühnen- und Kostümbild­ner in Augsburg. Von da an leitete er nur noch die künstleris­chen Werkstätte­n.

Wenn er heute gefragt würde, noch einmal ein Stück komplett auszustatt­en, würde er Nein sagen. „Ich mag jetzt nicht mehr.“

Auch wenn Buchner alle Feierlichk­eiten zum Ende seines Berufslebe­ns mit großer Entschiede­nheit abgelehnt hat, hat es sich Staatsinte­ndant André Bücker nicht nehmen lassen, auf die Verdienste hinzuweise­n. Als einen „Theaterman­n der alten Schule, mit großem Witz, feinsinnig­em, manchmal auch bösem Humor und großem künstleris­chem Ethos“schätzt er den Künstler und Bühnenbild­fachmann. „Er hat für dieses Haus Großes geleistet und wir sind ihm sehr zu Dank verpflicht­et.

Hans‰ulrich Schmückle holte ihn nach Augsburg

Schon immer war er ein begeistert­er Maler

Er wird uns als Persönlich­keit sehr fehlen“, sagt Bücker.

Wenn Buchner aufhört, sagt er, dass da erst einmal eine vollkommen­e Leere sei. Seine Frau, die Künstlerin Hella Buchner-kopper, wolle ihn dazu überreden, für die beiden Enkelkinde­r seine Familienge­schichte aufzuschre­iben. Die begann in Salzburg als Sohn eines Schuhmache­rs, der in den 1960er Jahren Fabrikarbe­iter wurde, und einer Kaltmamsel­l und Hausfrau. Er, das erzählt er, war immer schon ein begeistert­er, ein besessener Maler, der auch mal Salatöl erfolglos zweckentfr­emdet hatte, um damit Farben anzurühren. „Eigentlich wollte ich Malerei studieren“, erzählt er. Über einen Bekannten sei er bei der Theatermal­erei am Mozarteum in Salzburg gelandet. „Ein Versehen“, sagt er mit diesem breiten Buchner-grinsen und der wunderbare­n Salzburger Sprachfärb­ung – er lacht da herzlich, aber auch ein bisschen abgründig.

Gut möglich, dass seine Wohnung, die wie das Bühnenbild eines Lebens mit vielen Details und Objekten voller Erinnerung­en eingericht­et ist, zu seiner neuen Werkstatt wird. Im Lockdown sind dort zum Beispiel die großformat­igen Bilder entstanden, die in „Orfeo ed Euridice“zum Einsatz kamen. Und dann gibt es da auch noch die beiden Enkelkinde­r, die sein manchmal raues, aber großes Herz zum Schmelzen bringen.

 ?? Foto: Richard Mayr ?? Der Bühnenbild­ner Wolfgang Buchner vor einem Bild, das er für einen Opernball gemalt hat.
Foto: Richard Mayr Der Bühnenbild­ner Wolfgang Buchner vor einem Bild, das er für einen Opernball gemalt hat.
 ?? Foto: Anne Wall ?? Wolfgang Buchner in Aktion: Im Jahr 2001 schuf er Dekoration­en im Malsaal des Theaters.
Foto: Anne Wall Wolfgang Buchner in Aktion: Im Jahr 2001 schuf er Dekoration­en im Malsaal des Theaters.

Newspapers in German

Newspapers from Germany