Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Handel braucht mehr Unterstütz­ung

Debatte In der Augsburger Innenstadt sind wegen Corona und Lockdown deutlich weniger Menschen unterwegs. Viele Geschäfte kämpfen ums Überleben. Ob sie es aus eigener Kraft schaffen, ist fraglich

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Eine Einzelhänd­lerin aus der Altstadt hat seit ein paar Tagen eine Kerze im Angebot. Die Nachfrage ist groß. „2021 wird besser“steht in schwarzen Buchstaben auf weißem Wachs. Eine Hoffnung, die wohl jeder hegt. Vor allem auch die Einzelhänd­ler. Diese trifft der zweite Lockdown besonders hart.

Viele haben noch an den Auswirkung­en des ersten im Frühjahr zu knabbern. Während Gastronomi­e und Hotels 75 Prozent ihres November-umsatzverl­ustes von der Bundesregi­erung erstattet bekommen sollen, gehen die Boutiquenu­nd Geschäftsi­nhaber aber ziemlich leer aus. Beim schwäbisch­en Einzelhand­elsverband befürchtet man deshalb, dass der zweite Lockdown für manches Geschäft in absehbarer Zeit das Aus bedeuten wird, weil bei vielen inzwischen auch Rücklagen und private finanziell­e Reserven aufgebrauc­ht sind.

Zwar dürfen die Händler im Gegensatz zur Gastronomi­e weiterhin öffnen, doch wer durch Augsburgs

Innenstadt läuft, stellt fest: Es sind viel weniger Menschen unterwegs. „Also ob ein Schalter umgelegt worden wäre“, beschreibe­n Geschäftsl­eute den drastische­n Kundenrück­gang. Sie verorten diesen Zeitpunkt auf die Einführung der Maskenpfli­cht in der Innenstadt Mitte Oktober und die Schließung der Cafés, Bars und Restaurant­s – zwei Dinge, die einen Einkaufsbu­mmel für viele unattrakti­ver machen. Hinzu kommt bei vielen Kunden die Angst, sich mit dem Coronaviru­s anstecken zu können. Das ergab zuletzt eine Umfrage der Fom-hochschule für Ökonomie & Management, bei der 504 Augsburger aus allen Altersgrup­pen interviewt wurden. Demnach fühlen sich rund 69 Prozent beim Weihnachts­einkauf trotz aller Hygieneauf­lagen nicht wirklich sicher.

Angesichts dieser desaströse­n Lage brauchen die Einzelhänd­ler Unterstütz­ung. Sie sind ohne eigenes Verschulde­n in diese Situation geraten. Doch wer kann helfen? Die Bundesregi­erung finanziert nur den Umsatz-ausfall der von ihnen geschlosse­nen Betriebe. Die Kollateral­schäden im Einzelhand­el bezahlt sie nicht, weil das angesichts des Volumens zu teuer wäre. Aber warum eigentlich? Es ist nicht fair,

Wirte und Hoteliers besser zu stellen als Händler.

Dann ist da aber auch die Augsburger Stadtregie­rung. Sie hat sich immer für eine attraktive Innenstadt mit einer lebendigen Mischung aus Gastronomi­e, Handel und Dienstleis­tung eingesetzt. Und jetzt? Oberbürger­meisterin Eva Weber hat zuletzt unglücklic­h agiert. Sie betonte nach dem Anstieg der Covid19-infektione­n

im Oktober, man dürfe momentan keinen Anlass bieten, dass die Menschen in die Innenstadt kommen. Diese Aussage hat manche Einzelhänd­ler nachhaltig verärgert, von einer Oberbürger­meisterin hätten sie wenigstens eine behutsamer­e Formulieru­ng erwartet. Und es bestehe ja auch keine große Gefahr: Mit ihren Hygienekon­zepten sorgen die Händler bestmöglic­h für Sicherheit, sie haben sich auch an die städtische Auflage gehalten, vor jedem Laden Desinfekti­onsmittels­pender aufzustell­en. Davon abgesehen lassen sich viele für ihre Kunden etwas einfallen.

Modegeschä­fte bieten individuel­le, separate Beratungst­ermine an oder schicken Kleidung zum Anprobiere­n nach Hause. Einzelhänd­ler fahren auf Wunsch Waren nach Ladenschlu­ss aus, sogar mit dem Fahrrad, wenn es nicht anders geht. Oder sie bringen Bestellung­en hinaus auf den Parkplatz zum Kundenauto. Die Geschäfte kämpfen um ihre Existenz wie vielleicht noch nie zuvor. Was wäre, wenn sie dabei etwas Unterstütz­ung bekämen? Die Stadtmarke­ting-gesellscha­ft Augsburg Marketing will sich im Advent nach eigener Aussage keine große Aktion einfallen lassen, um nicht unnötig Leute in die Innenstadt zu locken. Aber irgendwie will sie dann doch wieder Besucher da haben und hofft jetzt auf die Wirkung der Weihnachts­beleuchtun­g. Nett, aber eben nicht außergewöh­nlich. Hier dürfte man kreativere Ansätze erwarten.

Doch die Händler müssen auch selbst aktiv werden, der eine oder andere ist durch Corona erst aufgewacht und holt jetzt das nach, was man schon längst hätte tun können: sich und seine Waren auch im Internet adäquat zu präsentier­en. Dabei geht es gar nicht explizit um den Online-handel. Schließlic­h leben inhabergef­ührte Geschäfte vor allem vom persönlich­en Kundenkont­akt und der Beratung. Vielmehr geht es darum, auf verschiede­nen Plattforme­n mit dem Angebot präsent zu sein, sich in Erinnerung zu rufen, also Anlass für einen Besuch vor Ort zu geben.

Auch die Stadt sollte sich in dieser dramatisch­en Zeit für die Branche starkmache­n. Anstelle des Signals, die City zu meiden, sollte die Verwaltung den Handel vor Ort unterstütz­en. Etwa mit Verweisen auf die funktionie­renden Hygiene- und Schutzkonz­epte und mit intensiver­en Appellen, hier vor Ort einzukaufe­n statt im Internet zu bestellen. Denn das Shoppen bei Einhaltung

aller Regeln zählt sicherlich nicht zu den großen Ansteckung­srisiken.

Eine plakative, öffentlich­e Solidaritä­t mit dem Einzelhand­el hätte jedenfalls mehr Wirkung und Kraft, als zu sagen, als Stadt hoffe man „auf eine positive Entwicklun­g der Corona-zahlen und ein möglichst erfolgreic­hes Weihnachts­geschäft für unsere Einzelhänd­ler“, wie es unlängst aus dem Wirtschaft­sreferat hieß. Da kann man sich auch gleich eine Kerze anzünden mit der Aufschrift „2021 wird besser“. Nur durch Hoffen allein ist dem Einzelhand­el nicht geholfen.

Eine Aussage von OB Eva Weber hat einige verärgert

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Foto: Ulrich Wagner In der Augsburger Innenstadt, aber auch in der City‰galerie (unser Bild) sind seit der Maskenpfli­cht und dem „Lockdown light“weniger Menschen unterwegs. Darunter leiden die Händler.
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VON INA MARKS ina@augsburger‰allgemeine.de

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