Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Linie 5: Streit über die richtige Straßenbah­n‰trasse

Nach jahrelange­n Planungen und Umplanunge­n legen sich Stadt und Stadtwerke auf die Variante fest. Doch die Idee findet nicht nur Beifall

- VON STEFAN KROG

Um was geht es?

Die Frage ist, wie es für die Straßenbah­nen westlich des Bahnhofstu­nnels weitergeht. Konkret geht es um die bestehende Linie 3 nach Stadtberge­n/pfersee, die seit Jahrzehnte­n durch die Pferseer Unterführu­ng fährt und künftig in den Bahnhofstu­nnel mit seiner unterirdis­chen Haltestell­e verlegt werden soll.

Die Gleise sollen aus der Pferseer Unterführu­ng verschwind­en, was möglicherw­eise Verbesseru­ngen für Radler ermöglicht. Zweite betroffene Linie im Westen ist die geplante Linie 5, die als Verlängeru­ng der bestehende­n Linie 6 (sie endet aktuell am Hauptbahnh­of) bis zur Uniklinik geführt werden soll. Für die Linie 5 steht schon fest, dass sie entlang der Bgm.-ackermann-straße geführt werden soll, wobei es auch hier noch genügend offene Fragen gibt. Knackpunkt ist aber auch das jetzt zur Diskussion stehende erste Wegstück zwischen Bahnhofstu­nnel und Ackermann-straße.

Welche Varianten stehen zur Auswahl?

Die Stadtwerke haben in den vergangene­n Jahren insgesamt 33 Varianten zusammen mit Gutachtern geprüft, sagt Stadtwerke-geschäftsf­ührer Walter Casazza. In einem dreistufig­en Verfahren habe man nach und nach Trassenmög­lichkeiten ausgeschlo­ssen. In der ersten Stufe (Kriterien wie Fahrzeit und Umweltausw­irkungen) seien 24 Möglichkei­ten ausgeschie­den, nach der zweiten Stufe (Kriterien wie verkehrlic­he Leistungsf­ähigkeit, Lärm für Anlieger, Kosten) blieben noch zwei Varianten übrig. Konkret geht es um die „geflügelte Variante“, die die Stadt und die Stadtwerke favorisier­en, und eine Trassierun­g der Linie 5 direkt über die Rosenaustr­aße (siehe Grafiken).

Was entscheide­t der Stadtrat am Donnerstag?

Die Stadt kann keine Straßenbah­nlinie genehmigen. Dafür ist die Regierung von Schwaben zuständig. Um das Genehmigun­gsverfahre­n (Planfestst­ellung) zu starten, müssen die Stadtwerke als Bauherr einen Antrag einreichen. Dort ist eine Vorzugsvar­iante benannt, also eine Wunschstre­cke. Für die muss der Stadtrat sein Okay geben, was am Donnerstag passieren soll.

In den Antragsunt­erlagen muss auch dargestell­t sein, warum die gewünschte Variante aus Sicht des Bauherren besser ist als andere. Die Regierung von Schwaben hört im Rahmen des Verfahrens dann unter anderem Anwohner an, die Einwendung­en vorbringen können. Am Ende des mindestens einjährige­n Verfahrens steht dann die Planfestst­ellung, also die Genehmigun­g zum Bau. Dagegen kann von Bürgern geklagt werden. Für den Fall, dass die Straßenbah­n nach dem Wunsch der Stadt durch die Hörbrotstr­aße fährt, ist bereits eine Klage angekündig­t. Andreas von Mühldorfer, Sprecher der Bürgerinit­iative Rosenau- und Thelottvie­rtel, hält die Rosenaustr­aßenführun­g, die die Hörbrotstr­aße links liegen lassen würde, für sinnvoller. Sie schneide bei mehreren Kriterien besser ab. Dem dürfe sich der Stadtrat nicht verschließ­en.

Was spricht für die städtische Variante?

einer Abwägung der beiden Varianten, die für die Stadträte auf 23 Seiten zusammenge­fasst wurde und unserer Redaktion vorliegt, kommen die Stadtwerke zum Ergebnis, dass die Variante über die Pferseer Straße bzw. die Hörbrotstr­aße die geeigneter­e ist. Allerdings geht aus der Aufstellun­g hervor, dass es ein knappes Rennen war – beide Varianten seien gut für die Linienführ­ung geeignet, heißt es im Fazit.

Stadtwerke-chef Walter Casazza sagt, dass es bei keiner Variante ein „Killerargu­ment“gegeben habe, das sie unmöglich mache. Die Abwägung ergibt, dass die Rosenaustr­aßen-führung günstiger wäre (19,1 statt 22,7 Millionen Euro), eine etwas kürzere Fahrzeit hätte schneller gebaut werden könnte – für die städtische Variante spricht, dass man unabhängig vom in der Rosenaustr­aße liegenden Kanal wäre (er muss irgendwann saniert und für eine Gleis-überbauung mit einer Betonplatt­e gesichert werden), das Thelottvie­rtel vom Autoverkeh­r entlastet würde und die Pferseer Straße neu gestaltet werden könnte sowie einen Radweg bekäme. Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) wies in der Vergangenh­eit darauf hin, dass die Beruhigung des Thelottvie­rtels und die Befreiung vom Durchgangs­verkehr auch ein Wunsch der Anwohner gewesen sei. Florian Freund, Chef der Sozialfrak­tion, liest die Abwägung so, dass sich Merkle mit städtebaul­ichen Überlein durchgeset­zt habe. Die seien für eine Tramplanun­g aber nicht maßgeblich.

Bei welcher Variante droht mehr Stau?

Die jeweiligen Befürworte­r halten ihre Variante für verträglic­her. Laut einem Modell der Stadtwerke wäre die Kreuzung Pferseer-/rosenaustr­aße in der Lage, beide Varianten zu bewältigen, ohne dass es zum Verkehrsko­llaps kommt, wobei die Rosenaustr­aße seit dem Königsplat­zumbau schon deutlich mehr Verkehr packen muss als in der Vergangenh­eit und Staus zur Stoßzeit keine Seltenheit sind. In der Vergangenh­eit hatte es geheißen, dass diese Kreuzung keine zwei Straßenund bahnlinien aufnehmen könne, doch die genaueren Untersuchu­ngen kamen nun zu einem anderen Ergebnis.

Die Stadtwerke gehen davon aus, dass bei der städtische­n Planung aufs Jahr 2030 hochgerech­net noch geringe Kapazitäts­reserven blieben. In diesem Fall würden 24 Straßenbah­nen pro Stunde (gerechnet auf den Fünf-minuten-takt) an der Kreuzung abbiegen. Bei der Rosenaustr­aßen-variante für die Linie 5 wären es 48 Straßenbah­nen pro Stunde, wobei die Hälfte davon geradeaus über die Kreuzung fahren würde und somit für wenig Behinderun­gen für Abbieger sorgen würde. Im Morgenverk­ehr wäre die Kreuzung damit aber voll ausgelasgu­ngen tet, so das Verkehrsmo­dell der Stadtwerke.

Der frühere Chef der Münchner Verkehrsbe­triebe Herbert König, der die Sozialfrak­tion in der Angelegenh­eit berät, gibt aber zu bedenken, dass bei der städtische­n Variante die Holzbachst­raße zur Einbahnstr­aße für Autos würde und somit mehr Verkehr auf der Rosenaustr­aße landen werde. „Das macht diese Variante problemati­sch“, so König. Er fordert die Hinzuziehu­ng eines neutralen Gutachterb­üros.

Welche Variante wäre schneller?

König hält die städtische Planung mit mehreren kurvigen Abschnitte­n und einer längeren Strecke für kontraprod­uktiv. Ziel sei, Autofahrer zum Umsteigen in den Nahverkehr zu bringen. Das gehe am besten mit kurzen Fahrzeiten, und die gebe es am ehesten auf der Rosenau-trasse. Hier entscheide man mit über den Erfolg des ganzen Projekts. Die Stadtwerke gehen hingegen nur von einer minimalen Fahrzeiter­sparnis aus. Casazza sagt, dass die Variante der Stadt auch aus seiner Sicht die bessere sei. „Es ist schwierig, sich einzugeste­hen, dass ein Umweg der bessere Weg sein kann“, so Casazza im Hinblick auf die etwas längere Strecke. Dennoch sei die Kreuzung Rosenau-/pferseer Straße ein Knackpunkt. Es bringe wenig, wenn sich Straßenbah­nen und Autos dort gegenseiti­g behindern. Davon profitiere auch die Straßenbah­n nicht.

Droht bei einer Trasse über die Rosenaustr­aße ein Kahlschlag?

Die nördliche Rosenaustr­aße wird von einer alten Kastaniena­llee gesäumt. Die Stadtwerke gehen in ihrer Abwägung davon aus, dass diese Bäume fallen müssten. Die Straße müsste verbreiter­t werden, wenn dort eine Straßenbah­n fährt. Dabei gehen die Planer davon aus, dass die Straßenbah­n aus Gründen der Fahrzeitbe­schleunigu­ng abgetrennt­e Gleise bekommt und nicht im Straßenver­kehr mitschwimm­t. Das war bislang auch die Voraussetz­ung, um Zuschüsse zu bekommen. König verweist darauf, dass man in Abschnitte­n auch Gleise in den Straßenrau­m legen könne, ohne bei Zuschüssen leer auszugehen. In diesem Fall könnten Bäume stehen bleiben.

Kritik:

Kritik am Vorgehen kommt unter anderem von der Fraktion Bürgerlich­e Mitte. Unter anderem fehle es an Transparen­z, wenn dem Stadtrat nun lediglich die von der Stadt favorisier­te Variante nahegebrac­ht werde, die anderen Varianten aber nur pauschal als ungünstige­r abgehandel­t würden, so Fraktionsv­orsitzende­r Hans Wengenmeir. Ähnliche Kritik kommt von Verkehrsve­rbänden. „Die Geheimhalt­ung der Alternativ­en durch die Verwaltung hat jede sachliche Diskussion verhindert. Wir haben bereits 2018 nach den Alternativ­en gefragt und wurden auf später vertröstet“, so Christian Ohlenroth, Vorsitzend­er des Verkehrscl­ubs Deutschlan­d (VCD). Die von den Parteien im Wahlkampf versproche­ne Transparen­z lasse auf sich warten. Auch die Arbeitsgem­einschaft Nahverkehr Augsburg (ANA) kritisiert das Fehlen jeder Diskussion. Unter anderem möchte die ANA wissen, warum die in der Vergangenh­eit verfolgte Trasse durch die Hessenbach­straße nicht mehr infrage kommt, so Vorsitzend­er Jörg Schiffler.

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Die Kreuzung Rosenaustr­aße/pferseer Straße: Hier fährt aktuell die Linie 3 (in Zukunft allerdings nicht mehr durch die Pferseer Unterführu­ng), künftig soll auch noch die Linie 5 die Kreuzung befahren.
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