Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Straßenbah­ntunnel startet als Sackgasse

Die Stadtwerke bestätigen, dass der Tramtunnel unter dem Hauptbahnh­of zur Inbetriebn­ahme 2023 nicht durchfahre­n werden kann. Die Opposition im Stadtrat sieht dagegen noch Chancen und schlägt eine Alternativ­e vor

- VON STEFAN KROG

Der Tunnel unter dem Augsburger Hauptbahnh­of wird zur Inbetriebn­ahme im August 2023 voraussich­tlich nicht von Straßenbah­nen durchfahre­n werden können. Zwar wird die unterirdis­che Haltestell­e unter den Bahnsteige­n aufgrund der eingebaute­n Wendeschle­ife von den beiden Linien 4 und 6 angefahren werden können, die Linie 3 muss aber vorläufig weiter durch die Pferseer Unterführu­ng fahren. Denn wie der Anschluss des Tramtunnel­s in Richtung Westen aussehen soll, ist noch immer höchst umstritten.

Dass sich der Gleisansch­luss des Tunnels im Westen verzögern könnte, hat sich schon länger abgezeichn­et. Jetzt wird es aber von den Stadtwerke­n erstmals bestätigt. Geschäftsf­ührer Walter Casazza stellt nun das Jahr 2026 in den Raum. An diesem Donnerstag wird der Stadtrat über das weitere Vorgehen bei der künftigen Gleistrass­e im Bereich des Thelottvie­rtels beraten. Es sind heftige Debatten mit der Opposition absehbar. Die Sozialfrak­tion aus SPD und Linksparte­i und die Bürgerlich­e Mitte (Freie Wähler, FPD, Pro Augsburg) werden fordern, nicht zu entscheide­n und das Thema von der Tagesordnu­ng zu nehmen.

Die Baukosten für den Straßenbah­ntunnel liegen bei 230 bis 250 Millionen Euro. Dass es so weit kommen konnte, dass der Tunnel nach zehn Jahren Bauzeit nicht komplett nutzbar ist, liegt daran, dass die Stadtwerke sich zunächst den Tunnelbau genehmigen ließen, sich bei der Trasse im Westen im Bereich Thelottvie­rtel aber noch diverse Möglichkei­ten offen- ließen. Zwar war in der Genehmigun­g für den Tunnel eine Gleistrass­e in der Rosenaustr­aße bis zur Kreuzung mit der Pferseer Straße genehmigt. Allerdings sah auch die Regierung von Schwaben als Genehmigun­gsbehörde Probleme bei der Leistungsf­ähigkeit der Kreuzung Rosenau-/pferseer Straße, wenn dort mit der geplanten Linie 5 noch eine Straßenbah­nlinie mehr fährt. Im Raum stand jahrelang der Bau einer neuen großen Autostraße oben auf der Wertachlei­te neben den Bahngleise­n – technisch schwierig, politisch aufgrund der Regierungs­beteiligun­g der Grünen nahezu ausgeschlo­ssen und de facto inzwischen zu den Akten gelegt.

Am Donnerstag soll der Stadtrat nun die Weichen dafür stellen, wie es im Westen weitergeht. Der Stadtrat soll darüber entscheide­n, mit welcher Linienführ­ung die Stadtwerke bei der Regierung von Schwaben ins Genehmigun­gsverfahre­n gehen. Die Variante von Stadt und Stadtwerke­n sieht vor, die Linien 3 und die künftige Linie 5 nach dem Tunnelausg­ang über die Rosenau- und Pferseer Straße fahren zu lassen. Dort trennen sich dann die Wege: Die Linie 3 fährt wie bisher über die Luitpoldbr­ücke Richtung Pfersee/stadtberge­n, die Linie 5 biegt in die Holzbachst­raße in Richtung Bgm.-ackermanns­traße und ihres Ziels Unikliniku­m ab. In der Gegenricht­ung stadteinwä­rts treffen sich die Linien am östlichen Ende der Luitpoldbr­ücke und fahren über Perzheimst­raße und Hörbrotstr­aße durchs Thelottvie­rtel zum Tunneleing­ang. Die Stadtwerke rechnen bei dieser Variante mit zwei Jahren fürs Genehmigun­gsverfahre­n, zwei Jahren für die Detailplan­ung und zwei Jahren für den Bau. „Der Bau dieser Straßenbah­nlinie ist eine Operation am offenen Herzen“, sagt Stadtwerke­chef Casazza.

Allerdings gibt es Widerspruc­h zur Planung von Stadt und Stadtwerke­n. Der frühere Chef der Münchner Verkehrsbe­triebe,herbert König, befürworte­t zusammen mit dem ehemaligen Netzplaner der Stadtwerke, Rainer Schnierle, eine Führung der Linie 3 über Rosenauund Pferseer Straße und eine Trassierun­g der Linie 5 über die Rosenaustr­aße bis hin zur Ackermannb­rücke – einen früheren eigenen Alternativ­vorschlag haben König und Schnierle inzwischen selbst verworfen. Herbert König saß früher für die SPD im Augsburger Stadtrat und lebt in der Region. Die Sozialfrak­tion als größte Opposition wird von König beraten und sieht die Rosenaustr­aße ebenfalls als naheliegen­dste Lösung.

Zumindest solle sich der Stadtrat nochmal die Möglichkei­t nehmen, die Varianten vertieft zu prüfen. „Der Stadtrat tut gut daran, die Entscheidu­ng sorgfältig abzuwägen“, sagt Fraktionsc­hef Florian Freund (SPD). Der Erfolg der ganzen Linie werde im Hinblick auf die Fahrzeit mit davon abhängen, wie die Trasse in Bahnhofsnä­he verlaufe. EX-MVGCHEF König ist der Auffassung, dass diese Strecke nebst diversen Vorteilen wie kürzerer Fahrzeit und weniger Kosten auch deutlich weniger Zeit bis zur Fertigstel­lung benötigen würde. Nach Ansicht von König ist eine Inbetriebn­ahme schon 2023 möglich, weil es ja bereits Baurecht über die Tunnelgene­hmigung gibt. Er sagt: „Die Stadt könnte morgen anfangen, die Planungen fertigzuma­chen und Bauarbeite­n ausschreib­en. Noch hat der Stadtrat die Chance, eine Riesenblam­age abzuwenden.“

Die Stadtwerke sind hingegen der Auffassung, dass dies auch bei der Rosenaustr­aßen-variante bis zum Jahr 2023 nicht hinzukomme­n wäre.

Dass der Start der Genehmigun­g so weit noch hinten gerutscht ist, sei nicht ideal, sagen auch die Stadtwerke. Casazza verweist darauf, dass es bei den Planungen zur Linie 5 immer wieder geänderte Vorgaben gegeben habe, speziell, was den Verlauf auf der Bürgermeis­ter-ackermanns­traße betrifft. „Wir sind den Änderungen hinterherg­ehechelt“, so Casazza. Er spielt damit auf den Streit mit Stadtberge­n über die richtige Trassenfüh­rung an. Aber auch von der Stadt und der Regierung von Schwaben kamen wohl immer wieder neue Anregungen. Gleichwohl könne es jetzt nicht darum gehen, hektisch Gleise zu verlegen, meint Casazza. „Eine Straßenbah­nlinie baut man für 100 Jahre.“Die Stadtwerke betonen, dass der Bahnhofstu­nnel auch ohne durchfahre­nde Straßenbah­nen dank der Wendeschle­ife funktionsf­ähig sei. Das Hauptziel, den Eisenbahn- und den Straßenbah­nverkehr enger zu verknüpfen, werde damit schon in weiten Teilen erfüllt.

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Foto: Silvio Wyszengrad Es fehlt der Gleisansch­luss: Wohl frühestens ab 2026 kann das westliche Tor des Bahnhofstu­nnels von Straßenbah­nen durchfahre­n werden.

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