Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie die Alten der Pandemie begegneten
Die Universität lädt ein zu Vorlesungen über den Umgang mit Bedrohungen in früherer Zeit
Pandemien sind nichts Neues, es gab sie immer in der Geschichte, und sie gelten als schlimme „Geißeln der Menschheit“. In zwei Ringvorlesungen befassen sich Historiker und Altertumswissenschaftler der Augsburger Universität mit dem Thema, und ihr Erkenntnisinteresse ist deutlich: Was kann man über Krisenbewältigung und Widerstandsfähigkeit gegen ansteckende Krankheiten und grassierende Seuchen erfahren, wenn man in der Historie zurückblickt, in frühere Jahrhunderte bis hin zur Antike?
Was man von den Alten lernen kann, das machte zum Auftakt der Historiker-ringvorlesung Prof. Gregor Weber deutlich, indem er zeitgenössische Berichte über die sogenannte Pest (so genannt, weil es sich eigentlich um eine Typhusepidemie handelte) in Athen 430 bis 426 v. Chr. vorstellte. Der Geschichtsschreiber Thukydides berichtet ungemein anschaulich von Regellosigkeit und Apathie, die sich unter den Athenern breitmachte. Sie hatten der Seuche wenig Resilienz (Widerstandskraft) entgegenzusetzen, die Institutionen der Polis versagten, auch die Anrufung der Götter half nicht, ein Drittel der Bevölkerung starb.
Zur Überwindung und damit zur Resilienzgegenü bern euer Krankheitsbe drohung trugen laut Weber Kultur und Teilhabe der Bürger bei: Die Grabkultur wurde aufwendiger, die religiösen Aktivitäten intensiver (man installierte sogar neue Heilgötter), kultische Feiern fanden weiterhin statt, die demokratische Praxis wurde gepflegt, Minderheiten nicht als„ Sündenböcke“verfolgt. Auch die Alt historikerin Karin Piepenbrinkf ragte in ihrem Beitrag zum Altertums wissenschaftlichen Kolloquium nach Bedingungen
für Resilienz im antiken Athen. Ihr Fazit: Wichtige Faktoren dafür, dass Menschen Krisen wie eine Seuche überwinden können, sind Zugehörigkeit und Vertrauen zur Gemeinschaft, Kooperations- und Anpassungsbereitschaft, Offenheit für Neues und eine gute Frustrationstoleranz. Durchaus auf unsere Gegenwart zu beziehende Lehren!
Die Beiträge der Ringvorlesungen sind online zu hören, was sehr gut funktioniert. Man muss sich anmelden: fachsprecher-geschichte@phil.uni-augsburg.de und christopher.schliephake@philhist.uniaugsburg.de
Vorträge der Historiker: Episoden aus der Geschichte der Syphilis (2. Dezember), Die Pest von 1348 (16. Dezember), Das Jahrhundert der Pocken (13. Januar), Die Cholera in Bayern im 19. Jahrhundert (27. Januar), die Spanische Grippe (10. Februar). Beginn ist jeweils um 18.15 Uhr.
Vorträge der Altertumswissenschaftler: Der Kaiser und die Katastrophe (8. Dezember), Memorialkultur (15. Dezember), Resilienz im 5./6. Jahrhundert (12. Januar), Rom als resilientes System (26. Januar), Gerasa in der Spätantike (9. Februar). Beginn auch hier 18.15 Uhr.