Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Klimaprote­st lässt keinen kalt – und das ist gut so

Debatte Die CSU würde die Aktivisten nur zu gerne loswerden. Gerade das sorgt aber für Aufmerksam­keit

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger‰allgemeine.de

Die Stimmung in den sozialen Medien scheint eindeutig. Das Klimacamp und die Aktivisten, die seit inzwischen fünf Monaten neben dem Rathaus ausharren, werden überwiegen­d belächelt, beschimpft oder auch ziemlich wüst beleidigt. Man darf aber nicht davon ausgehen, dass jene, die in der Facebook-welt besonders laut sind, automatisc­h auch in der Mehrheit sind. Das zeigt sich aktuell in Zeiten der Pandemie, in der Corona-leugner dort manchmal – zumindest scheinbar – in der Übermacht sind. Umfragen aber zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerun­g das Virus durchaus ernst nimmt. Im Augsburger Rathaus und auch bei der CSU schaut man durchaus genau auf das Facebook-stimmungsb­ild – und sieht sich deshalb auch darin bestärkt, einen strikten Kurs gegen das Klima-protestcam­p zu fahren. Das lassen die Akteure immer wieder durchblick­en. Der Beifall in den sozialen Medien ist damit gesichert. In dieser Woche hat die Stadt entschiede­n, weiter rechtlich gegen das Zeltlager vorzugehen. Obwohl das Augsburger Verwaltung­sgericht in erster Instanz geurteilt hatte, dass die Stadt das Camp nicht räumen lassen darf, weil es eine vom Versammlun­gsrecht geschütze Veranstalt­ung sei. Schnell gab es dafür Zustimmung: „Weg damit“, lauteten die Kommentare. Oder auch: „Weg mit dem Gesocks“.

So schnell wird das Camp aber nicht weichen müssen. Bis der Verwaltung­sgerichtsh­of entscheide­t, ob er überhaupt eine Berufung

in dem Fall zulässt und bis es dann zu einer Verhandlun­g und Entscheidu­ng käme, können Monate, gerne auch Jahre ins Land ziehen. OB Eva Weber und die Stadtregie­rung können sich also darauf einstellen, dass sie in absehbarer Zeit weiter mit dem Camp leben müssen. Und mit dem Rechtsstre­it bekommen die Klima-aktivisten sogar noch mehr Aufmerksam­keit als ohne.

Egal, ob man das Camp nun gut findet oder nicht. Es lässt fast niemanden kalt, es polarisier­t und es löst Debatten aus. Das ist ein wichtiges Verdienst der Aktivisten.

Denn eines ist nun mal Fakt, auch wenn es immer noch genug Menschen gibt, die es nicht wahrhaben wollen, vielleicht auch, weil sie ihren Lebensstil nicht ändern wollen: Im Vergleich zu den Auswirkung­en und Folgen der Klimakrise ist die Pandemie, wie wir sie jetzt haben, ein überschaub­ares Problem. Es geht um die Frage, ob weite Teile der Erde unbewohnba­r werden. Das Klimacamp ist ein Stachel im Fleisch der schwarz-grünen Stadtregie­rung. Die Aktivisten erinnern die Lokalpolit­ik jeden Tag daran, dass schöne Worte und Verspreche­n nicht reichen.

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