Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der neue Arbeitgebe­r‰chef ist kein Hardliner

Rainer Dulger sucht den Ausgleich mit Arbeitnehm­ervertrete­rn. Wie er dann doch einmal in den Ruf gelangt ist, ein harter Hund zu sein

- VON STEFAN STAHL

Heidelberg/berlin Das Etikettenk­leben geht schnell von der Hand, im politische­n Berliner Betrieb allzumal. Folglich wurde dem neuen Arbeitgebe­r-präsidente­n Rainer Dulger, 56, flugs ein Namensschi­ld ans Revers geheftet, auf dem nur ein Wort steht, nämlich „Hardliner“. Das fügt sich ideal, weil sein Vorgänger Ingo Kramer, 67, manchem Beobachter eher als „Softie“erschien, griff der aus Bremerhave­n stammende, stets höflich wirkende Unternehme­r die Wirtschaft­spolitik der Bundesregi­erung nicht immer wieder öffentlich frontal an. Schon gar nicht rieb sich Kramer vernehmlic­h an Kanzlerin Angela Merkel, ja er lobte sogar in einem Interview mit unserer Redaktion die Flüchtling­spolitik der Cdu-politikeri­n. Dulger hingegen fiel flüchtiger­en Zeugen seiner Wortgewalt vor allem mit deftigen Sprüchen gegenüber Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier auf. In seiner früheren Funktion als Präsident des mächtigen Arbeitgebe­rverbandes Gesamtmeta­ll, sozusagen des Gegenstück­s zur nicht minder einflussre­ichen Gewerkscha­ft IG Metall, überrascht­e er 2019 plötzlich mit zugespitzt-kritischen Worten gegenüber der Wirtschaft­spolitik der Bundesregi­erung. Auf Nachfraein­es Journalist­en meinte Dulger: „Wir brauchen endlich eine Bundesregi­erung, die wieder mehr Wirtschaft wagt.“Das Vertrauen sei verspielt. Der Wirtschaft­sminister gebe sich Fantasien hin und gefalle sich in schönen Reden, tue aber nichts. Den derart heftig attackiert­en Peter Altmaier (CDU) bezeichnet­e der Arbeitgebe­r-mann nun in einer für ihn sonst unüblichen Härte als den „schwächste­n“Minister: „Im Schauspiel würde man von einer Fehlbesetz­ung sprechen.“Das heiße nicht, fügte Dulger hinzu, dass der Mann ein schlechter Schauspiel­er sei, ihm liege nur diese Rolle nicht. Die natürlich alles andere als schmeichel­haften Sätze über Merkels Mann für die Ökonomie sollten fortan im politische­n Berlin Dulgers Image bestimmen. Dabei ging nage türlich in der allgemeine­n Zuspitzung seiner Kritik vor allem an der Energiepol­itik Altmaiers unter, dass er den Cdu-politiker auch kräftig gelobt hatte, sei er doch „als Kanzleramt­sminister super“gewesen. Damit das Etikett eines Hardliners nicht abfallen möge, blieben all die eher auf Ausgleich bedachten Interviews in Dulgers Zeit als Gesamtmeta­ll-präsident unerwähnt. Dabei ist der Arbeitgebe­r-fürspreche­r ebenso kein Hardliner wie Kramer nicht für die Rolle des Unternehme­r-softies taugt. Letzterer hat jedenfalls hinter den Kulissen den Regierende­n, also auch Merkel, immer mal wieder die Leviten gelesen. Doch er tat es eben nicht vor Kameras und Mikrofonen, sondern diskret und sachorient­iert, wie es die Kanzlerin schätzt.

Dulger wiederum scheint seinen Angriff auf den Bundeswirt­schaftsmin­ister gleich zu Beginn seiner Tätigkeit als Arbeitgebe­r-chef ausbügeln zu wollen, indem er staatsmänn­isch erklärt hat: „Altmaier hat sich in der Krise stark profiliert. Er hat angepackt.“Also Schwamm drüber! Da müsste eigentlich auch Altmaier Dulger seine knackigen Worte von einst verzeihen. Letztlich steht der neue Arbeitgebe­r-chef für Kontinuitä­t: Denn wie andere Bda-spitzenmän­ner, ob die Legende Dieter Hundt oder eben Kramer, ist er ein als mittelstän­discher Unternehme­r an der Basis verwurzelt­er Mensch.

Dulger kommt aus Heidelberg, dort sitzt sein Familien-unternehme­n Prominent mit weltweit gut 2700 Mitarbeite­rn, das auf dem Gebiet der Dosiertech­nik und Wasserdesi­nfektion tätig ist. Wer mit dem neuen BDA-CHEF durch die Firma geht, die er gemeinsam mit seinem

Bruder leitet, merkt, wie wohl sich Dulger dort im Kreis seiner Mitarbeite­r fühlt. Er duzt nicht nur seinen Fahrer. Auch anderen Beschäftig­ten, die er seit der Kindheit kennt, wirkt der Mann besonders zugetan.

So kämpft Dulger darum, dass diese Nähe von Management und Mitarbeite­rn erhalten bleibt. Ihn motiviert es also, Arbeitsplä­tze und Standorte in Deutschlan­d zu bewahren. Dabei liegt ihm wie Hundt und Kramer die Tarifauton­omie, das partnersch­aftliche Miteinande­r von Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften, am Herzen. Daher gratuliert­e er 2016, als sich vor 125 Jahren die Metallarbe­iter in Frankfurt zusammenge­schlossen haben, der IG Metall zum Jubiläum: „Selbst wenn wir wollten, wir könnten nicht ohne einander. Dieser organisier­te Interessen­sausgleich ist unsere Stärke. Und er ist die Stärke der sozialen Marktwirts­chaft.“So spricht kein Gewerkscha­ftsfresser und Hardliner.

Dulger ist ein offener Mensch, der gerne diskutiert. Er drückt sich nicht um Antworten und steht, was nicht bei jedem Interviewp­artner der Fall ist, zum Gesagten. Wenn er Urlaub macht, dann im Gegensatz zu älteren Unternehme­rn ganz. Er ist dann mal weg, etwa beim Skifahren, ohne dauernd in die Firma oder in den Verband rein zu funken.

 ?? Foto: Wolfgang Kumm, dpa ?? Kantige Brille, kurzes Haar: Der neue deutsche Arbeitgebe­r‰präsident Rainer Dulger setzt meist auf Dialog statt Konfrontat­ion. In seiner Zeit als Gesamtmeta­ll‰präsident hat er an der Tarifpolit­ik in der Metall‰branche mitgewirkt.
Foto: Wolfgang Kumm, dpa Kantige Brille, kurzes Haar: Der neue deutsche Arbeitgebe­r‰präsident Rainer Dulger setzt meist auf Dialog statt Konfrontat­ion. In seiner Zeit als Gesamtmeta­ll‰präsident hat er an der Tarifpolit­ik in der Metall‰branche mitgewirkt.

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