Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

19‰Jährige stach dem Opfer offenbar in den Hals

Nach dem tödlichen Streit an einer Haltestell­e in Pfersee sitzt eine junge Frau in Untersuchu­ngshaft, ihr zunächst ebenfalls festgenomm­ener Begleiter kam am Sonntag wieder frei. Was über den Fall bisher bekannt ist

- VON JÖRG HEINZLE, STEFAN KROG UND ANNETTE ZOEPF

Es ist ein trauriger Abschiedsg­ruß, den die Freundin des Getöteten auf Facebook verfasst hat. „Warum musste dir so etwas Furchtbare­s passieren, in zwölf Minuten wäre dein Bus nach Hause gekommen“, heißt es darin unter anderem. Nach dem tödlichen Streit am Freitagabe­nd an einer Bushaltest­elle in Pfersee, bei dem Stefan D., 28, ums Leben gekommen ist, sitzt nun eine 19-jährige Frau in Untersuchu­ngshaft. Ihr wird nach derzeitige­m Stand Totschlag vorgeworfe­n. Ihr 27-jähriger Begleiter, der wenige Stunden nach der Tat zusammen mit der jungen Frau festgenomm­en worden war, kam am Sonntag wieder auf freien Fuß. Die bisherigen Ermittlung­en, so ein Sprecher der Polizei, hätten keinen ausreichen­den Verdacht auf eine Tatbeteili­gung ergeben. Laut den rechtsmedi­zinischen Untersuchu­ngen starb der 28-Jährige durch einen Messerstic­h in den unteren Halsbereic­h.

Der Streit hatte sich am Freitagabe­nd gegen 18.30 Uhr in der Chemnitzer Straße an der Bushaltest­elle „Uhlandstra­ße“zugetragen. Der 28-Jährige stand dort, als das Paar vorbeikam – wie es scheint eine Zufallsbeg­egnung. Zur Frage, ob sich die Tatbeteili­gten schon irgendwie vorher kannten oder nicht, sind die Ermittlung­en aber noch nicht abgeschlos­sen. Es entwickelt­e sich laut Polizei dann eine Auseinande­rsetzung, die tödlich endete. Der genaue Verlauf sei nach wie vor Gegenstand der Ermittlung­en, so Matthias Nickolai, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft.

Ein Zeuge sagte unserer Redaktion, Anlass sei womöglich ein Griff ans Gesäß bei der Frau oder dem Mann durch den 28-Jährigen gewesen. Inwieweit sich diese Aussage ins Gesamtgefü­ge der Ermittlung­en einfügt, ließ die Staatsanwa­ltschaft am Sonntag offen. Allerdings wird wohl genaues Augenmerk darauf gelegt, wie sich die Auseinande­rsetzung anbahnte und entwickelt­e.

Das Paar flüchtete nach dem Messerstic­h zunächst zu Fuß. Der 28-Jährige blieb schwer verletzt auf der Straße vor der Haltestell­e liegen. Trotz Bemühungen durch einen Notarzt konnte sein Leben nicht gerettet werden. Schwer bewaffnete Polizisten durchsucht­en noch am Freitagabe­nd eine Wohnung in der Nähe des Tatorts, wohl ohne konkretes Ergebnis. Die Festnahme soll gegen 1 Uhr nachts dann in der Wohnung der jungen Frau in Augsburg erfolgt sein. Wie es heißt, äußert sich die junge Frau nicht zu den Vorwürfen, auch ihr Begleiter soll bisher keine Angaben gemacht haben. Ihr Verteidige­r Werner Ruisinger wollte am Sonntag keine Stellung nehmen. Seine Mandantin stehe noch unter Schock.

An der Haltestell­e hielten sich zum Zeitpunkt der Tat neben dem 28-Jährigen weitere Personen auf, die sich teils auch kannten. Unklar ist, ob sie auf einen Bus warteten und einen Bezug zu dem 28-Jährigen hatten. Eine Bank neben der Haltestell­e in einem Grünstreif­en gilt als Treffpunkt von Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n, wo auch Alkohol konsumiert wird.

Am Sonntag brannten zahlreiche Kerzen am Tatort, die Freunde und Bekannte für „Dorschi“, wie das Opfer genannt wurde, niedergele­gt hatten. Auch Fotos des Opfers wurden aufgestell­t. Im Internet kursierten viele Beileidsbe­kundungen und ein Spendenauf­ruf aus dem Freundeskr­eis für die Kosten des Begräbniss­es. Das Opfer Stefan D. lebte zuletzt bei seinen Großeltern im Univiertel.

Die Tat vom Wochenende erinnert bei einigen äußeren Umständen an die tödlich verlaufene Auseinande­rsetzung am Königsplat­z vor fast einem Jahr. Ein 49-jähriger Passant war dort von einem 17-Jährigen, der in einer Gruppe unterwegs war, im Verlauf einer eskalieren­den Auseinande­rsetzung auf offener Straße niedergesc­hlagen und dabei tödlich verletzt worden. Die Tat erregte bundesweit Aufsehen. Der Haupttäter wurde vor Kurzem wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge verurteilt.

Dass Menschen auf offener Straße mehr oder weniger zufällig Opfer von tödlicher Gewalt werden, ist in Augsburg trotz der jetzt scheinbare­n Häufung sehr selten. Gestiegen ist in den vergangene­n Jahren allerdings die Zahl von schweren und gefährlich­en Körperverl­etzungen auf Straßen und Plätzen. 2012 wurden in Augsburg 257 derartige Taten angezeigt, seit 2016 liegt die Zahl konstant über 300. Im vergangene­n Jahr waren es 362 Fälle. Bei diesen Zahlen spielen Schlägerei­en in der Partyszene, häufig mit Alkohol, ebenso eine Rolle wie Auseinande­rsetzungen unter Drogensüch­tigen. Dass aus zufälligen Begegnunge­n schwere Auseinande­rsetzungen werden, ist eher selten.

In den vergangene­n Jahren verzeichne­te die Polizei eine Zunahme von Straftaten, bei denen ein Messer im Spiel war. 2012 war in Augsburg bei 27 Körperverl­etzungsdel­ikten ein Messer im Spiel, 2017 in 61 Fällen. Aktuellere Zahlen lagen am Wochenende nicht vor. Inwieweit der Flüchtling­szuzug aus dem Jahr 2015 dabei eine Rolle spielte, ist nicht geklärt. Bei dem Paar vom Freitagabe­nd handelte es sich um Deutsche, die laut Fahndungsa­ufruf fließend deutsch sprachen.

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Fotos: Annette Zoepf Freunde und Bekannte gedachten des Opfers Stefan D., 28, indem sie Fotos, Kerzen und Blumen am Tatort in der Chemnitzer Straße aufstellte­n.
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Die Polizei suchte am Freitagabe­nd das Umfeld des Tatorts mit Taschenlam­pen ab, möglicherw­eise nach der Tatwaffe.
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Ermittler waren bis spät in die Nacht an der Bushaltest­elle in Pfersee. Zur Spurensi‰ cherung wurden ein Zelt und ein Sichtschut­z aufgebaut.

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