Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Rundfunkbeitrag wird zum Politkrimi
Um 86 Cent im Monat sollen die Gebühren für ARD und ZDF steigen. Warum in letzter Minute ein politischer Streit ausbricht, der sogar das Wahljahr überschatten könnte
Berlin Geht es nach den Ministerpräsidenten der Länder, sollen die Bundesbürger gut zehn Euro mehr im Jahr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bezahlen. Als sie im März beschlossen, den Rundfunkbeitrag erstmals seit über fünf Jahren um 86 Cent auf monatlich 18,36 Euro zu erhöhen, enthielt sich nur Sachsen-anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff. Nun steht der Cdu-regierungschef inmitten einer bundesweit beachteten Koalitionskrise. Denn Haseloffs Cdufraktion im Magdeburger Landtag wehrt sich gegen höhere Rundfunkgebühren. Würde sie mit der AFD gegen die Beitragserhöhung stimmen, könnte nicht nur Haseloffs „Kenia“-koalition mit SPD und Grünen zerbrechen, für die gesamte Union wäre eine neue Debatte um die Zusammenarbeit mit der AFD vor dem Superwahljahr 2021 eine schwere Belastung.
Angeblich will Haseloff die Abstimmung ganz absetzen. Doch auch das käme einem Veto gleich, weil alle Landtage der Erhöhung zustimmen müssen: Auch dann stünden die Öffentlich-rechtlichen vor großen Finanzproblemen. In Bayern reagiert man verärgert: „Es ist bedauerlich, dass der Rundfunkbeitrag jetzt wieder hin und her diskutiert wird“, sagt Staatskanzleichef und Medienminister Florian Herrmann. „Bayern steht zu dem gefundenen Kompromiss und hält die Beitragsanpassung um 86 Cent für angemessen und erforderlich“, betont der Csu-politiker. „Der öffentlichrechtliche Rundfunk ist unverzichtbarer Bestandteil unserer Demokratie, er gehört zur DNA der Nachkriegsordnung. Er gewährleistet Meinungsvielfalt und hochwertigen Journalismus und dafür benötigt er selbstverständlich eine angemessene Finanzausstattung.“
Letzteres stellt auch die CDU in Sachsen-anhalt nicht infrage. Dennoch hält Cdu-fraktions-geschäftsführer Markus Kurze eisern an der Ablehnung der Beitragserhöhung fest. Trotz aller Beteuerungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten seien dort nicht alle Sparpotenziale ausgeschöpft. Kurze verweist auf den Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen: „Bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks halten wir am Ziel der Beitragsstabilität fest“, heißt es dort.
Kurze betont, dass den öffentlichen Sendern jedes Jahr knapp acht Milliarden Euro zur Verfügung stehen. „Bisher können wir nicht erkennen, dass die längst überfällige Debatte über Auftrag und Größe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks deutschlandweit kritisch geführt wird“, sagt Kurze. Nur mit Druck ändere sich etwas.
Das sieht Csu-staatskanzleichef Herrmann anders und verweist auf die Empfehlung der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs KEF: „Wenn die Länder die KEF- Empfehlung nicht umsetzen oder wesentlich dahinter zurückbleiben, werden die Rundfunkanstalten vor dem Bundesverfassungsgericht klagen und wahrscheinlich recht bekommen.“Auch die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab sagt: „Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eindeutig.“Schon 2005 klagten die Sender mit Erfolg, als die Länder den Beitrag geringer als die KEF erhöhen wollten. „Die Anstalten sind Arbeitgeber und müssen Tariflöhne zahlen“, betont die Spd-politikerin.
„Es wäre fatal, wenn die Erhöhung nicht zustande käme und dann die Entscheidung darüber vor dem Bundesverfassungsgericht landet, weil die Politik dazu nicht in der Lage ist“, sagt die Grünen-medienpolitikerin Tabea Rößner. „Ohne die Beitragserhöhung zum Jahreswechsel sind Sender wie der Saarländische Rundfunk und Radio Bremen akut in ihrer Existenz bedroht und andere bekommen extreme Schwierigkeiten“, warnt sie. „Wir müssen endlich eine breite und leidenschaftliche Debatte in der Gesellschaft führen, was wir vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk erwarten und wie wir ihn fit fürs Digitalzeitalter machen“, fordert Rößner und schlägt eine unabhängige Expertenkommission vor.
Auch die Bundestags-fdp fordert eine Reformdebatte, allerdings auch mit dem Ziel, langfristig den Beitrag zu reduzieren: „Wir stehen für eine Re-fokussierung auf Informationen, Bildung und Kultur und wollen unnötige Doppelstrukturen, inflationäre Quizsendungen und mehr als 60 Hörfunkprogramme konsequent auf den Prüfstand stellen“, sagt der medienpolitische Sprecher Thomas Hacker.