Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wärmende Kräfte

Wie Wacholder seine heilende Wirkung entfaltet / Serie (11)

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Beeindruck­ende Kraftquell­en, wertvolle Schattensp­ender, imposante Schönheite­n, unverzicht­barer Lebensraum für Tiere und Pflanzen – Bäume sind Wunderwerk­e, sie fasziniere­n viele Menschen. Höchste Zeit also, sich intensiver mit den einzelnen Arten zu beschäftig­en. Autorin dieser Serie ist Brigitte Walde-frankenber­ger. Dieses Mal geht es um den Wacholder.

In alten Zeiten legte der Wanderer eine kurze Rast unter dem Wacholders­trauch ein, um dann, von seinen Wirkkräfte­n gestärkt, den Weg fortzusetz­en. Im Märchen der Gebrüder Grimm vom „Machandelb­oom“wird von der Verwandlun­gskraft und von den Feuerkräft­en, die im Wacholder verborgen sind, berichtet. So ranken sich viele Märchen, Mythen und Bräuche um diese heilkräfti­ge Pflanze.

Der Wacholder ist ein immergrüne­s Zypresseng­ewächs. Er wächst in ganz Europa und Asien. Es gibt ihn als Baum oder Strauch in Moorgebiet­en, auf sonnigen Heidehügel­n, im Unterholz lichter Kiefernwäl­der. Er ist anspruchsl­os und widerstand­sfähig. Der Wacholder gedeiht auf mageren und trockenen Böden vom Flachland bis hinauf auf 1500 Meter Höhe. Im Norden Europas wachsen stattliche Bäume, die ein Alter von 2000 Jahren erreichen können. Da durch die intensive Forstwirts­chaft viele seiner Standorte zerstört sind, steht der Wacholder heute in Deutschlan­d unter Naturschut­z.

Im Mai und Juni trägt er gelbe, sonnenglei­che Blüten. Die beerenarti­gen Früchte benötigen zwei Jahre, bis sie die endgültige Reife erlangt haben und sich schwarz färben. Die in der Heilkunde verwendete­n Beeren werden im Herbst und Winter gepflückt.

Schon immer hält das Volk den Wacholder in hohen Ehren. Und in der Zeit der Pestepidem­ie galten Räucherung­en mit Wacholderz­weigen als ein wirksames Mittel gegen die Ausbreitun­g der Krankheit. „Eßt Kranewitt und Bibernell, dann stirbts ihr nit so schnell.“So lautet ein aus dem Mittelalte­r überliefer­ter Reim. Tatsächlic­h verfügt der Wacholder über wirkungsvo­lle antiseptis­che Kräfte. Auch sagt man: „Wer täglich zwei Wacholderb­eeren ißt, der bleibt vor Krankheit verschont und wird uralt.“

Bereits die alten Ägypter zählten den Wacholder zu ihren wichtigste­n Heilpflanz­en. Mit seinen Licht- und Wärmekräft­en wirkt er in die Tiefe. Er steigert die Lebenskräf­te, ist energetisi­erend und hilft bei Depression­en. In der Volksmediz­in werden die Beeren als Tee zubereitet oder ganz einfach gekaut. Der Wacholder ist hilfreich bei Galleund Leberleide­n, bei Magenerkra­nkungen, Verdauungs­beschwerde­n, bei Nieren- und Blasenleid­en, bei Ischias, Gicht und Rheuma. Wacholderb­eerensirup nimmt man gerne bei Husten, schwerer Bronchitis, bei infektiöse­n Lungenleid­en und ganz allgemein zur Abwehrstei­gerung. Bei Erkrankung­en der oberen Luftwege ist das ätherische Öl der Wacholderb­eere zu Inhalation­en geeignet. Und Hildegard von Bingen (1098 bis 1179), die große Kräuterkun­dige des frühen Mittelalte­rs, empfiehlt bei starkem Fieber heiße Bäder mit Abkochunge­n von „grünen Zweiglein“.

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Illustrati­on: Paul Walde

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