Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Corona hat Seniorenheime weiter fest im Griff
In den Pflegeeinrichtungen sind zuletzt zahlreiche infizierte Bewohner gestorben. Das Gesundheitsamt bescheinigt den Häusern einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Virus
Der Advent hat nicht nur in Wohnzimmern, sondern auch in Seniorenheimen Einzug gehalten mit Kränzen und Gestecken. Doch in diesen Wochen dürfte in vielen Häusern kaum vorweihnachtliche Stimmung aufkommen: Die Corona-pandemie hat die Pflegeeinrichtungen weiter fest im Griff: Anfang der Woche waren laut Stadt 13 der 28 stationären Heime davon betroffen. Sie verzeichneten 200 Bewohner und 81 Beschäftigte, bei denen eine Infektion nachgewiesen worden ist. Auch die in Zusammenhang mit Covid-19 gemeldeten Todesfälle sind oft den Pflegeheimen zuzuordnen: Allein die städtische Altenhilfe meldet 23 Seniorinnen und Senioren im Alter von 77 bis 94 Jahren, die innerhalb der vergangenen Woche am oder mit dem Virus gestorben sind.
Besonders ausgebreitet hat sich das Virus im Seniorenzentrum Lechrain in Lechhausen, das sich auf die Betreuung von dementen Bewohnern spezialisiert hat. Dort sind zuletzt 16 Frauen und Männer gestorben. Darüber hinaus gebe es in der Einrichtung 51 positiv getestete Bewohner, von denen 30 bislang keine Symptome zeigten. „Die Erfahrung zeigt, dass das Spektrum der Erkrankung sehr groß ist“, sagt Anja Wirth, Fachbereichsleiterin Pflege der Altenhilfe. „Es gibt viele ältere Menschen, die gar keine Symptome zeigen, oder kaum erkranken. Andere haben Fieber und eingeschränkte Lungenfunktionswerte.“
Auch Beschäftigte waren und sind im Lechrain von Corona betroffen. Um die Ausbreitung zu verhindern, gelten im Haus verschärfte Schutzmaßnahmen. Unter anderem werden die Pflegekräfte nach freien Tagen einem Schnell- und einem PCRTEST unterzogen. In allen fünf Einrichtungen der städtischen Altenhilfe müssen die Mitarbeiter im Dienst Schutzausrüstung tragen, dazu zählt eine Ffp2-maske. Diese Regelung gilt auch dann, wenn Pandemiezonen wieder aufgelöst werden, betont Susanne Greger. Die Werkleiterin der städtischen Altenhilfe weiß, dass die Beschäftigten in Lechhausen derzeit psychisch stark belastet sind aus Sorge um die Bewohner und weder vielen Todesfälle. Auch im Hospitalstift in der Innenstadt ist die Gemütslage ähnlich. Dort gab es in den vergangenen Tagen sieben Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus. Laut Leiter Michael Meier hätten die Betroffenen an Vorerkrankungen wie Diabetes oder Krebs gelitten. Die Zahl der Neuerkrankungen mit Covid-19 stagniere langsam.
Mit 49 infizierten Senioren hat Corona im Pauline-fischer-haus des Diako Corona mehr als die Hälfte der Bewohner getroffen, insgesamt acht sind laut Leiter Gottfried Fuhrmann gestorben. Wichtig ist ihm der Hinweis, dass bei einigen nicht Corona, sondern die Vorerkrankungen für das Ableben maßgeblich gewesen seien. Ausdrücklich erwähnt er das Verhalten der Angehörigen. Von ihnen kämen keine Vorwürfe. Manche bedankten sich trotz ihrer Trauer für die gute Zeit, die die Verstorbenen im Heim gehabt hätten, so Fuhrmann. Auch wenn einige infizierte Bewohner mittlerweile wieder so stabil seien, dass sie am liebsten aus dem Haus gehen würden, könne von Entspannung schon wegen des Personalengpasses keine Rede sein. „Von 26 positiv getesteten Mitarbeitern fehlen immer noch 15“, sagt der Heimchef.
Um das Infektionsrisiko in Schach zu halten, herrscht im Pauline-fischer-haus Besuchsverbot – von wenigen Ausnahmefällen abgesehen. Dieses Szenario bestimmte wochenlang auch den Alltag im Christian-dierig-haus in Pfersee mit zahlreichen infizierten Bewohnern und Beschäftigten. Das Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (AWO) hat 13 Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus zu beklagen. Da sich die Situation laut Awo-geschäftsführer Eckard Rasehorn insgesamt entspannt hat, sind in etlichen Bereichen wieder Besucher erlaubt.
Diese können sich auf freiwilliger Basis einem Schnelltest unterziehen, bevor sie ihre Angehörigen aufsugen chen. Dazu begeben sie sich in einen Container. Heimleiterin Katrin Gunkel hofft, dass der Standort vor dem Haupteingang die Bereitschaft zum für die Teilnehmer kostenlosen Schnelltest erhöht. „Wir stellen dafür eine Mitarbeiterin ab, die außerdem in einem eigenen Zeitfenster die Beschäftigten testet.“Im Übrigen seien die Pflegekräfte so sensibilisiert, dass sie bei Bewohnern, wenn der Verdacht auf eine Infektion besteht, sofort einen Schnelltest veranlassen. Fällt dieser positiv aus, folgt der zuverlässigere PCR-TEST.
Das Gesundheitsamt und der zuständige Referent Reiner Erben bescheinigen den Augsburger Heimen „einen verantwortungsvollen Umgang“mit dem Infektionsgeschehen. Die Einrichtungen seien bemüht, notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Entgegen der Einschätzung von Heimleitungen und Trägern betonen die Fachleute des Gesundheitsamtes jedoch, dass Covid-19 in den meisten Todesfällen sehr wohl die Todesursache sei und nicht nur eine Begleiterscheinung.
Von restriktiveren Besuchsregelungen will die Stadt trotz der angespannten Lage absehen, da es differenzierte Schutz- und Hygienekonzepte gebe. „Solange es die Infektionszahlen zulassen, soll zum Wohl der Bewohner ein generelles Besuchsverbot vermieden werden“, so Erben. Übereinstimmend berichten Heime, dass es unmöglich sei, dementen und zugleich oft mobilen Bewohnern die Hygiene- und Abstandsregeln zu vermitteln. Sind sie infiziert und im Haus unterwegs, verbreiten sie das Virus. Notfalls gibt es die Möglichkeit, die Bewegungsfreiheit der Betroffenen für eine gewisse Zeit einzuschränken. „Freiheitsentziehende Maßnahmen können im Rahmen der rechtlichen Rahmenbedingungen durchgesetzt werden“, so Erben. Das Gesundheitsamt habe die Option, eine Gerichtsentscheidung zur zwangsweisen Unterbringung zu beantragen.