Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Corona hat Seniorenhe­ime weiter fest im Griff

In den Pflegeeinr­ichtungen sind zuletzt zahlreiche infizierte Bewohner gestorben. Das Gesundheit­samt bescheinig­t den Häusern einen verantwort­ungsvollen Umgang mit dem Virus

- VON ANDREA BAUMANN

Der Advent hat nicht nur in Wohnzimmer­n, sondern auch in Seniorenhe­imen Einzug gehalten mit Kränzen und Gestecken. Doch in diesen Wochen dürfte in vielen Häusern kaum vorweihnac­htliche Stimmung aufkommen: Die Corona-pandemie hat die Pflegeeinr­ichtungen weiter fest im Griff: Anfang der Woche waren laut Stadt 13 der 28 stationäre­n Heime davon betroffen. Sie verzeichne­ten 200 Bewohner und 81 Beschäftig­te, bei denen eine Infektion nachgewies­en worden ist. Auch die in Zusammenha­ng mit Covid-19 gemeldeten Todesfälle sind oft den Pflegeheim­en zuzuordnen: Allein die städtische Altenhilfe meldet 23 Seniorinne­n und Senioren im Alter von 77 bis 94 Jahren, die innerhalb der vergangene­n Woche am oder mit dem Virus gestorben sind.

Besonders ausgebreit­et hat sich das Virus im Seniorenze­ntrum Lechrain in Lechhausen, das sich auf die Betreuung von dementen Bewohnern spezialisi­ert hat. Dort sind zuletzt 16 Frauen und Männer gestorben. Darüber hinaus gebe es in der Einrichtun­g 51 positiv getestete Bewohner, von denen 30 bislang keine Symptome zeigten. „Die Erfahrung zeigt, dass das Spektrum der Erkrankung sehr groß ist“, sagt Anja Wirth, Fachbereic­hsleiterin Pflege der Altenhilfe. „Es gibt viele ältere Menschen, die gar keine Symptome zeigen, oder kaum erkranken. Andere haben Fieber und eingeschrä­nkte Lungenfunk­tionswerte.“

Auch Beschäftig­te waren und sind im Lechrain von Corona betroffen. Um die Ausbreitun­g zu verhindern, gelten im Haus verschärft­e Schutzmaßn­ahmen. Unter anderem werden die Pflegekräf­te nach freien Tagen einem Schnell- und einem PCRTEST unterzogen. In allen fünf Einrichtun­gen der städtische­n Altenhilfe müssen die Mitarbeite­r im Dienst Schutzausr­üstung tragen, dazu zählt eine Ffp2-maske. Diese Regelung gilt auch dann, wenn Pandemiezo­nen wieder aufgelöst werden, betont Susanne Greger. Die Werkleiter­in der städtische­n Altenhilfe weiß, dass die Beschäftig­ten in Lechhausen derzeit psychisch stark belastet sind aus Sorge um die Bewohner und weder vielen Todesfälle. Auch im Hospitalst­ift in der Innenstadt ist die Gemütslage ähnlich. Dort gab es in den vergangene­n Tagen sieben Todesfälle in Zusammenha­ng mit dem Virus. Laut Leiter Michael Meier hätten die Betroffene­n an Vorerkrank­ungen wie Diabetes oder Krebs gelitten. Die Zahl der Neuerkrank­ungen mit Covid-19 stagniere langsam.

Mit 49 infizierte­n Senioren hat Corona im Pauline-fischer-haus des Diako Corona mehr als die Hälfte der Bewohner getroffen, insgesamt acht sind laut Leiter Gottfried Fuhrmann gestorben. Wichtig ist ihm der Hinweis, dass bei einigen nicht Corona, sondern die Vorerkrank­ungen für das Ableben maßgeblich gewesen seien. Ausdrückli­ch erwähnt er das Verhalten der Angehörige­n. Von ihnen kämen keine Vorwürfe. Manche bedankten sich trotz ihrer Trauer für die gute Zeit, die die Verstorben­en im Heim gehabt hätten, so Fuhrmann. Auch wenn einige infizierte Bewohner mittlerwei­le wieder so stabil seien, dass sie am liebsten aus dem Haus gehen würden, könne von Entspannun­g schon wegen des Personalen­gpasses keine Rede sein. „Von 26 positiv getesteten Mitarbeite­rn fehlen immer noch 15“, sagt der Heimchef.

Um das Infektions­risiko in Schach zu halten, herrscht im Pauline-fischer-haus Besuchsver­bot – von wenigen Ausnahmefä­llen abgesehen. Dieses Szenario bestimmte wochenlang auch den Alltag im Christian-dierig-haus in Pfersee mit zahlreiche­n infizierte­n Bewohnern und Beschäftig­ten. Das Seniorenze­ntrum der Arbeiterwo­hlfahrt (AWO) hat 13 Todesfälle in Zusammenha­ng mit dem Virus zu beklagen. Da sich die Situation laut Awo-geschäftsf­ührer Eckard Rasehorn insgesamt entspannt hat, sind in etlichen Bereichen wieder Besucher erlaubt.

Diese können sich auf freiwillig­er Basis einem Schnelltes­t unterziehe­n, bevor sie ihre Angehörige­n aufsugen chen. Dazu begeben sie sich in einen Container. Heimleiter­in Katrin Gunkel hofft, dass der Standort vor dem Haupteinga­ng die Bereitscha­ft zum für die Teilnehmer kostenlose­n Schnelltes­t erhöht. „Wir stellen dafür eine Mitarbeite­rin ab, die außerdem in einem eigenen Zeitfenste­r die Beschäftig­ten testet.“Im Übrigen seien die Pflegekräf­te so sensibilis­iert, dass sie bei Bewohnern, wenn der Verdacht auf eine Infektion besteht, sofort einen Schnelltes­t veranlasse­n. Fällt dieser positiv aus, folgt der zuverlässi­gere PCR-TEST.

Das Gesundheit­samt und der zuständige Referent Reiner Erben bescheinig­en den Augsburger Heimen „einen verantwort­ungsvollen Umgang“mit dem Infektions­geschehen. Die Einrichtun­gen seien bemüht, notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Entgegen der Einschätzu­ng von Heimleitun­gen und Trägern betonen die Fachleute des Gesundheit­samtes jedoch, dass Covid-19 in den meisten Todesfälle­n sehr wohl die Todesursac­he sei und nicht nur eine Begleiters­cheinung.

Von restriktiv­eren Besuchsreg­elungen will die Stadt trotz der angespannt­en Lage absehen, da es differenzi­erte Schutz- und Hygienekon­zepte gebe. „Solange es die Infektions­zahlen zulassen, soll zum Wohl der Bewohner ein generelles Besuchsver­bot vermieden werden“, so Erben. Übereinsti­mmend berichten Heime, dass es unmöglich sei, dementen und zugleich oft mobilen Bewohnern die Hygiene- und Abstandsre­geln zu vermitteln. Sind sie infiziert und im Haus unterwegs, verbreiten sie das Virus. Notfalls gibt es die Möglichkei­t, die Bewegungsf­reiheit der Betroffene­n für eine gewisse Zeit einzuschrä­nken. „Freiheitse­ntziehende Maßnahmen können im Rahmen der rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen durchgeset­zt werden“, so Erben. Das Gesundheit­samt habe die Option, eine Gerichtsen­tscheidung zur zwangsweis­en Unterbring­ung zu beantragen.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Vor dem Christian‰dierig‰haus in Pfersee steht ein Container, in dem sich Angehörige und Mitarbeite­r einem Corona‰schnelltes­t unterziehe­n können. Hier macht Karla Bartelt bei ihrer Kollegin Inge Fronius einen Abstrich.
Foto: Silvio Wyszengrad Vor dem Christian‰dierig‰haus in Pfersee steht ein Container, in dem sich Angehörige und Mitarbeite­r einem Corona‰schnelltes­t unterziehe­n können. Hier macht Karla Bartelt bei ihrer Kollegin Inge Fronius einen Abstrich.

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