Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Mit der Wirtschaft aus der Coronakrise
Dr. Marc Lucassen, Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, im Gespräch
Corona-pandemie ist nach wie vor das beherrschende Thema weltweit. So natürlich auch bei uns in der Region. Wir unterhielten uns mit Dr. Marc Lucassen über die aktuelle Situation in der schwäbischen Wirtschaft. Der Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben schildert dabei die Lage in den rund 140000 Mitgliedsbetrieben und sagt auch, was er sich von den Verbrauchern für die kommende Zeit wünscht.
Herr Dr. Lucassen, wie hat sich das Corona-jahr 2020 auf die schwäbischen Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen ausgewirkt?
Dr. Marc Lucassen: Der Großteil der Wirtschaft wurde durch die Corona-maßnahmen sehr hart getroffen. Viele Unternehmen mussten im Frühjahr über Nacht ihre Geschäfte schließen oder ihre Geschäftstätigkeit größtenteils einstellen. Die starken Einschränkungen dauern – je nach Branche – bis zum heutigen Tag an. Ein Teil der Betriebe kämpft nach wie vor um die eigene Existenz.
Gibt es Branchen, die besonders – sei es positiv oder negativ – betroffen sind?
Dr. Lucassen: Besonders schwer getroffen sind Gastronomie und Hotellerie, die Veranstaltungsund Messebranche sowie die Freizeitwirtschaft. Der Einzelhandel hat zwar geöffnet, aber unter erschwerten Bedingungen. Ohne Kauflaune fehlt der Umsatz. Einbußen haben zudem die Industrie und das Transportgewerbe. Verhältnismäßig glimpflich davon gekommen ist bislang die Baubranche.
Wie ist unter diesen Gesichtspunkten Ihre Prognose für 2021? Dr. Lucassen: Für eine verlässliche Prognose gibt es derzeit zu viele Unwägbarkeiten. Wir wissen nicht, wie stark und wie lange das wirtschaftliche Leben eingeschränkt bleiben wird. Nach dem ersten Lockdown hatten sich die Unternehmen diesen Sommer erstaunlich schnell erholt. Nachdem seit Anfang November wieder ein neuer Lockdown gilt, wird die Erholungsphase deutlich länger dauern. Das finanzielle Fundament vieler Unternehmen ist mittlerweile aufgezehrt. Zudem fehlt den meisten die Perspektive. Die Politik unterstützt vielfältig, aber ein Aufschwung kann nur gelingen, wenn die Unternehmen wieder frei wirtschaften können.
Inwiefern unterstützt die IHK ihre Mitglieder in diesen schwierigen Zeiten?
Dr. Lucassen: Wir informieren unsere Mitgliedsunternehmen umfassend, schnell und verständlich über die Coronamaßnahmen und die umfangreichen staatlichen Hilfen. So haben wir bereits in der ersten Phase rund 30 000 Beratungen durchgeführt. Denn man darf eines nicht vergessen: Mit jeder neuen Verordnung tauchen viele weitere Detailfragen auf. Dank der engen Begleitung unserer Unternehmen können wir gleichzeitig unsere Aufgabe als Politikberater erfolgreich erfüllen. So spiegeln wir den Entscheidungsträgern in München und
Berlin zeitnah wider, wo es in der Praxis Probleme gibt. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn es Unklarheiten zu Antragsberechtigungen und Antragsstellung gibt. Mit einem historisch einmaligen Maßnahmenpaket versucht die Politik die schlimmsten Auswirkungen auf die Wirtschaft abzufedern. Bei der Komplexität der Probleme ist es jedoch selbstverständlich, dass nicht alles reibungslos funktioniert. Genau an dieser Schnittstelle zwischen Wirtdie schaft und Politik setzen wir an, um für unsere Unternehmen eine optimale Unterstützung zu sichern und eine Perspektive für zukünftiges Wirtschaften zu schaffen.
Hat Corona auch Entwicklungen bei der IHK beschleunigt, wie etwa die Digitalisierung? Dr. Lucassen: Die Digitalisierung des Dienstleistungsangebotes für unsere Mitgliedsunternehmen und unserer internen Wertschöpfungsprozesse hatte schon vor Corona eine hohe Priorität. Doch tatsächlich hat die Corona-krise die entsprechenden Projekte und Aktivitäten nochmals deutlich beschleunigt. Wir haben in den vergangenen Monaten im ganzen Haus umfangreiche Verbesserungen angestoßen. Darüber hinaus bemühen wir uns, die sehr unterschiedlichen Bedarfe unserer 140000 Mitgliedsunternehmen noch besser zu verstehen, um zielgerichtet passende Angebote bereitstellen zu können.
Was kann denn der Verbraucher tun, um die heimische Wirtschaft zusätzlich zu unterstützen?
Dr. Lucassen: Wir alle machen derzeit eine schwierige Zeit durch. Am besten schaffen wir das gemeinsam, indem wir uns gegenseitig unterstützen. Der heimische Einzelhandel zählt auf uns. Gerade jetzt sollten wir unsere Weihnachtsgeschenke nach Möglichkeit beim regionalen Händler kaufen. Das Gleiche gilt für das Catering-angebot unserer Gastronomen. Was jetzt zählt, sind Solidarität und Ausdauer.