Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Wir müssen uns mehr zutrauen“

Seit dieser Saison führt Jeffrey Gouweleeuw den FC Augsburg als Kapitän aufs Spielfeld. Ein Gespräch mit dem 29-jährigen Niederländ­er über Fußballspi­elen und Familienle­ben in Corona-zeiten, das Arbeiten mit Trainer Herrlich und seine sportliche Zukunft

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Der Umgang mit dem Corona-virus bestimmt unseren Alltag. Sie haben drei Kinder. Wie läuft es bei Ihnen zu Hause ab?

Gouweleeuw: Solange die Kinder in die Schule und in den Kindergart­en gehen können, ist alles okay (lacht). Beim ersten Lockdown war das teilweise nicht möglich. Dann ist es anstrengen­d, wenn man nichts machen kann. Die Kinder haben so viel Energie, mit der Zeit wird das schon schwierig. Aber momentan geht es gut.

Treffen Sie besondere Maßnahmen, damit das Ansteckung­srisiko durch die Kinder geringer ist?

Gouweleeuw: Wir müssen natürlich aufpassen. In der Schule gibt es klare Regeln, alle sind sehr vorsichtig. Bislang ist noch nichts passiert. Ich hoffe, dass das so bleibt. Außer mir wird in der Familie niemand regelmäßig getestet.

Sie trainieren und spielen ohne Publikum. Worin besteht der große Unterschie­d zur Zeit vor Corona? Gouweleeuw: Ich bin es inzwischen gewohnt, dass du in den riesigen Stadien jedes Wort hörst. Aber es fühlt sich immer noch komisch an und macht weniger Spaß. An dieses Gefühl will ich mich eigentlich gar nicht gewöhnen. Wir vermissen alle die Fans und haben gegen Dortmund gesehen, welchen Unterschie­d ein paar tausend Zuschauer ausmachen können.

Nicht nur die Mitspieler verstehen jedes Wort, auch der Schiedsric­hter. Ermahnen Sie sich manchmal, weniger zu schimpfen?

Gouweleeuw: (Lacht) Ich muss jetzt ein bisschen netter sein. Natürlich muss man mit dieser Situation lernen umzugehen, man kann nicht mehr alles sagen.

Wie nett sind Sie denn zu Ihren Mitspieler­n? Seit dieser Saison sind Sie Kapitän und sollen die Mannschaft ein Stück weit führen.

Gouweleeuw: Auch nach der Ernennung zum Kapitän bin ich weiterhin eher ein ruhiger Mensch. Natürlich stehe ich mehr im Vordergrun­d, aber wegen Corona finden einige Termine nicht statt. Daher hat sich wenig verändert.

Worin sehen Sie Ihre wichtigste­n Aufgaben als Kapitän?

Gouweleeuw: Am wichtigste­n ist, immer sein Bestes zu geben und auf und neben dem Platz ein Vorbild in der Mannschaft zu sein.

Sie sind stärker in Entscheidu­ngen eingebunde­n. Wie macht sich das bemerkbar?

Gouweleeuw: Der Austausch mit dem Trainer ist intensiver geworden. Ich bin schon länger im Mannschaft­srat und war als dritter Kapitän in Besprechun­gen dabei, aber jetzt führe ich mehr Vier-augengespr­äche mit ihm. Wenn Spieler schwierige Phasen haben, wenn sie verletzt sind oder selten zum Einsatz kommen, versuche ich positiv mit Ihnen zu sprechen. Auch das ist mehr geworden.

Ist der Zusammenha­lt gegenüber der vergangene­n Saison stärker geworden? Gouweleeuw: Ich denke, unsere Mentalität auf dem Platz ist eine andere. Wir können viel besser mit Rückschläg­en umgehen. Gegen Mönchengla­dbach oder Freiburg haben wir – wenn auch mit etwas Glück – noch den Ausgleich gemacht, in der vergangene­n Saison hätten wir diese Spiele wohl verloren.

Heiko Herrlich ist der vierte Trainer, den Sie beim FC Augsburg miterleben. Was zeichnet seine Arbeit aus? Gouweleeuw: Mentalität ist ihm sehr wichtig. Auf dem Trainingsp­latz vermittelt er, dass man niemals aufgibt. Als Profi hat er selbst sehr viel mitgemacht und kann sich gut in Spieler hineinvers­etzen. Diese Erfahrung nutzt ihm als Trainer.

Neun Spiele, zwölf Punkte, Platz acht. Wie ordnen Sie diese Zahlen ein? Gouweleeuw: Wir hatten noch nie mehr Punkte zum gleichen Zeitpunkt in der Bundesliga. Wenn man sieht, gegen welche Klubs wir gespielt haben, kann man zufrieden sein. Natürlich gibt es Sachen zu verbessern, aber bei mir überwiegt das Positive.

Nach dem 1:1 gegen Freiburg haben Sie von einer verpassten Chance gesprochen.

Gouweleeuw: Unser Ziel war, mit einem Sieg die Distanz zu den unteren Tabellenpl­ätzen zu vergrößern. Mit drei Punkten hätten wir uns nach oben orientiere­n können. Nach diesem Spielverla­uf mussten wir mit dem Unentschie­den zufrieden sein.

Defensiv steht Ihr sehr geordnet. Warum tut sich Ihre Mannschaft in eigenem Ballbesitz so schwer? Gouweleeuw: Nach der vergangene­n Saison stand im Vordergrun­d, dass wir als Mannschaft auf dem Feld stabil stehen. Ballbesitz ist im Fußball nun mal das Schwierigs­te, sonst würde jeder wie der FC Barcelona oder Bayern München spielen. Wir wissen, dass wir beim Kreieren von Torchancen Luft nach oben haben, daran arbeiten wir. Das ist ein Prozess, der länger dauert.

Was können speziell Sie als Innenverte­idiger besser machen? Gouweleeuw: In erster Linie gute Pässe spielen. Wir müssen unser Positionss­piel verbessern, momentan fehlen noch die Anspiele ins Mittelfeld und in den Sturm. Wir müssen uns mehr zutrauen.

Empfänger Ihrer Pässe war oft Philipp Max. Jetzt spielt er für die PSV Eindhoven in Ihrer Heimat Niederland­e. Hat er Sie vor seinem Wechsel nach Ihrer Meinung gefragt? Gouweleeuw: Wir haben nach dem Transfer kurz miteinande­r gesprochen, als er sich verabschie­det hat. Das Niveau ist in der Bundesliga höher und teils wird in der Eredivisie auf Kunstrasen gespielt. Dafür spielt er jetzt bei einer nationalen Spitzenman­nschaft, die an der Europa League teilnimmt. Beides hat Vor- und Nachteile, letztlich muss jeder das für sich entscheide­n.

„Ich muss jetzt ein bisschen netter sein.“

Jeffrey Gouweleeuw zu seiner Wortwahl im leeren Stadion

Kommt es für Sie in Frage, irgendwann zurück in die holländisc­he Liga zu wechseln?

Gouweleeuw: Das ist eine schwierige Frage. Mein Heimatvere­in ist AZ Alkmaar, ich stamme aus der Nähe. Das ist vielleicht irgendwann mal eine Option. Aber ich fühle mich in Augsburg wohl und konzentrie­re mich nur auf meine Aufgaben hier.

Mit welchen Erwartunge­n gehen Sie ins Spiel gegen Hoffenheim? Gouweleeuw: Unser Anspruch ist, jedes Spiel zu gewinnen. Wir müssen wieder defensiv stabil stehen und dürfen wenig Torchancen zulassen. Wenn die Basis stimmt, werden sich gegen Hoffenheim Räume für das Offensivsp­iel ergeben.

Als Ziel gibt der FC Augsburg stets den Klassenerh­alt aus. Neun Spieltage sind absolviert. Was ist mit dieser Mannschaft möglich?

Gouweleeuw: Wir haben vor ein paar Jahren über andere Ziele gesprochen, obwohl wir den Klassenerh­alt noch gar nicht erreicht hatten. Das war ein Fehler. Wenn wir den Klassenerh­alt erreicht haben, können wir über andere Ziele sprechen.

Interview: Johannes Graf

Jeffrey Gouweleeuw steht seit Janu‰ ar 2016 beim FC Augsburg unter Vertrag, zuvor spielte der 29‰jährige Innenverte­idiger für den nieder‰ ländischen Erstligist­en AZ Alkmaar. Gouweleeuw ist in Heemskerk, nordwestli­ch von Amsterdam, gebo‰ ren und Vater von drei Kindern. Gouweleeuw (Aussprache: Chaue‰ leou) ist seit dieser Saison FCA‰ Kapitän und stand in allen Pflicht‰ spiele von Anfang bis Ende auf dem Rasen. Mit dem FCA tritt er am Montag bei der TSG Hoffenheim an (20.30 UHR/DAZN). (joga)

„Unser Anspruch ist, jedes Spiel zu gewinnen.“

Jeffrey Gouweleeuw zum Auswärtssp­iel in Hoffenheim

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Foto: Klaus Rainer Krieger Fürs Spektakel sind eher die anderen verantwort­lich, beim FC Augsburg gibt Kapitän Jeffrey Gouweleeuw den umsichtige­n Abwehrchef.

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