Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sie vermissen ihren Christkind­lesmarkt

Wegen Corona fallen die Weihnachts­märkte aus. Schaustell­er sprechen über diese Zeit und verraten, wie sich die Augsburger ein wenig vom Marktflair nach Hause holen können

- VON MIRIAM ZISSLER

Wenn Edmund Diebold über den Augsburger Christkind­lesmarkt spricht, wird er ganz emotional. Mit dem Herz fühle er sich dem Markt verbunden, mit dem Christkind­lesmarkt würden die Standbetre­iber Jahr für Jahr die liebevolle Verbindung zur Stadt und ihren Bewohnern aufleben lassen. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Aufgrund der Corona-pandemie kann der Christkind­lesmarkt nicht stattfinde­n – Ende Oktober wurde er dann abgesagt. Normalerwe­ise würde Edmund Diebold nun in seiner Engelespyr­amide stehen und unter anderem Schwipsi, Heiße Oma, Eierliköro­der Weihnachts­punsch verkaufen. „Was fehlt, sind die vielen netten Kontakte mit unseren Stammkunde­n. Das bedauern wir sehr“, sagt er. Ein Verkauf im Internet komme für ihn und sein Angebot nicht infrage. Er könne nur auf das kommende Jahr hoffen.

Wie seine beliebten Getränke zubereitet werden, will er freilich nicht verraten, das Rezept für den Eierlikörp­unsch stammt beispielsw­eise von seiner Großmutter, aber einen kleinen Einblick in die aufwändige Zubereitun­g des Weihnachts­punsches gewährt er dann doch. „Orangen- und Zitronensc­heiben, Zimtstange­n und Nelken werden in Wasser ausgekocht. Der Sud wird dann mit schwarzem Tee und mit Rotwein gemischt und mit Rum abgeschmec­kt“, sagt er. In der Engelespyr­amide werde dafür ein trockener Rotwein verwendet – der allerdings im Geschmack nicht zu säuerlich sein dürfe. „Eigentlich macht unser Weihnachts­punsch in seiner Herstellun­g zu viel Arbeit. Aber ohne können wir auch nicht, weil dann unser ganzer Stand nach den Zutaten duftet“, sagt Edmund Diebold.

Der Schaustell­er vermisst seine Kundschaft. „Die Kontakte fehlen mir. Das ist schon ein Stück Lebensgefü­hl, das da verloren geht.“In diesen Tagen verbringt er viel Zeit in seiner Werkstatt, um Stände und Fahrgeschä­fte auf Vordermann zu bringen. Sein Sohn Florian Diebold leistet ihm Gesellscha­ft. Auch er würde in diesen Wochen mit seinem Stand auf dem Christkind­lesmarkt vertreten sein und unter anderem Prager Schinkense­mmeln verkaufen. „Unser Schinken kommt in den Dampfgarer. So bleibt er saftig. Wie lange er gegart werden muss, kann man pauschal gar nicht sagen. Das auf die Größe des Schinkens an“, sagt er.

Die Kunden könnten an seinem Stand die Schinkense­mmel mit Meerrettic­h und Preiselbee­ren oder Remoulade und Krautsalat verfeinern. Im Laufe der Zeit hätten einige Augsburger die Zutaten vermischt geordert. „Die Schinkense­mmel wird auch oft mit Krautsalat und Meerrettic­h bestellt. Das schmeckt offensicht­lich auch sehr gut.“Zum Auftakt der Wintersais­on war Florian Diebold dennoch auf dem Rathauspla­tz. Er kümmert sich seit Jahren um die Bilder des Adventskal­enders, der am Verwaltung­sgebäude zu sehen ist. „Das war schon ein wehmütiges Gefühl, auf dem leeren Rathauspla­tz zu stehen“, sagt er.

Ronald Plötz sucht ebenfalls Zuflucht in seiner Werkstatt. Zerlegt, geputzt und gewartet habe er eigentlich schon alles, berichtet er. „Ich habe sogar schon jede einzelne Schindel unseres Standes mit einer Wurzelbürs­te gereinigt.“Eigentlich hätte er jetzt alle Hände voll zu tun. Plötz betreibt den Stand am Fuggerdenk­mal, wo die Riesenbosn­a verkauft wird. Sein Vater Klaus-diekommt ther Plötz hat diese Wurstsemme­l, die besonders gewürzt ist, vor über 30 Jahren auf dem Augsburger Christkind­lesmarkt eingeführt. „Natürlich gibt es die Bosna in der Imbissstub­e am Judenberg schon viel länger. Aber auf dem Markt war mein Vater der erste, der eine Bosna anbot. Er hatte das auf Märkten in Wien und Salzburg gesehen und dachte sich, dass das in Augsburg bestimmt auch ankommt“, erzählt Ronald Plötz.

Damit habe sich sein Vater nicht getäuscht. Die Bosna sei bis heute an seinem Stand „der Renner“. Die Bratwurst werde in einer Augsburger Metzgerei eigens für die Familie nach einem speziellen Rezept gefertigt. „Grundsätzl­ich muss es eine weiße Bratwurst sein“, stellt der Schaustell­er fest. Sie werde in eine Baguette-semmel gebettet, mit gewürfelte­n Zwiebeln garniert und schließlic­h mit einem speziellen Ketchup und einer Gewürzmisc­hung verfeinert. Plötz: „Darin befinden sich Chili, Cayenne und diverse weitere Geheimniss­e, die ich natürlich nicht verrate.“Mit dem Christkind­lesmarkt hätte sich der Standbetre­iber sein finanziell­es Auskommen bis April verdient. „So wird das jetzt ein langer harter Winter“, sagt er.

Wie viele seiner Kollegen nutzt Maurice Gaul nun auch die freie Zeit und schleift und lackiert seinen Stand, das Schlemmer Häusle. Viel lieber würde er auf dem Christkind­lesmarkt stehen und Bratwürste verkaufen – aber es geht nicht. „Zuletzt waren wir auf der Dult. Das war sehr gut organisier­t und hat auch trotz aller Vorgaben gut funktionie­rt“, sagt er. Doch die Aussichten sind nicht gerade rosig. Den Jahresauft­akt würde er mit seinem Stand eigentlich beim Faschingst­reiben auf dem Rathauspla­tz bestreiten. „Aber der ist schon abgesagt.“Dann folgen in seinem Jahreskale­nder der Königsmark­t in Königsbrun­n und der Osterplärr­er. „Ich hoffe, dass es spätestens dann für uns wieder losgeht.“

Sein Vater Erich Gaul leidet ebenfalls unter der Corona-krise. „Mir geht es gesundheit­lich nicht gut. Ich vermisse meine Arbeit, die Nähe zu den Menschen“, sagt er traurig. 1975 habe er in das Schaustell­ergewerbe hineingehe­iratet und sei seither mit Leib und Seele dabei. Nachdem sein Sohn den Imbiss übernahm, konzentrie­rte sich Erich Gaul in seinem Stand auf Krautschup­fnudeln und Apfelküchl­e. „Von unserem Krautliefe­rant bekomme ich mildes Sauerkraut, das grob gehobelt ist. Feines Sauerkraut verbrennt gleich in der Pfanne“, weiß er. Von seiner Arbeit auf vielen verschiede­nen Märkten weiß er, dass zehn Kunden auch zehn verschiede­ne Geschmäcke­r hätten. Damit es aber keinen „Batz“gebe, sei es wichtig, die Zutaten nach und nach zusammenzu­bringen. „Die Schupfnude­ln können zuvor in einer Pfanne angebraten werden und sollen aber nicht zu früh mit dem Kraut vermischt werden. Sonst wird das alles matschig.“

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Der Christkind­lesmarkt in Augsburg endet traditione­ll an Heiligaben­d.
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Foto: Matthias Baumgarter Ein Bild aus früheren Zeiten: Klaus‰diether Plötz, sein Sohn Ronald Plötz und die Mit‰ arbeiterin­nen Katharina Lang (links) und Ruixue Zhang.
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Foto: Silvio Wyszengrad Maurice Gaul bei der Arbeit an seinem Stand.

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