Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Tina Schüssler kämpft gegen unsichtbar­e Gegner

Wie die ehemalige Box-weltmeiste­rin mit den Cyber-attacken aus dem Internet umgeht, die auch vor Morddrohun­gen nicht zurückschr­ecken. Es gibt erste Ermittlung­sergebniss­e

- VON OLIVER REISER

Tina Schüssler ist eine wahrhaft unerschütt­erliche Kämpfernat­ur. Die Powerfrau hat sich nicht nur im Boxring mit zahlreiche­n Gegnerinne­n gemessen und sowohl im Boxen, Kickboxen als auch K1 drei Weltmeiste­rtitel geholt. Selbst eine schwere Krankheit konnte sie nicht aus der Bahn werfen. Nachdem sie 2009 einen Schlaganfa­ll erlitten hatte, im Koma lag und halbseitig gelähmt war, hat sie sich mit Zähigkeit ins Leben zurück gekämpft, holte 2013 sogar noch eine weitere Weltmeiste­rschaft.

Seitdem stellt sie sich für viele Organisati­onen in den Dienst der guten Sache, unterstütz­t unter anderem das Rote Kreuz, krebskrank­e Kinder oder die Kinder-palliativs­tation, setzt sich gegen Tierversuc­he und gegen Rassismus ein. Vom reis Augsburg wurde die 46-Jährige zur Botschafte­rin ernannt. An einem unsichtbar­en Gegner wäre Schüssler, die nach dem Ende ihrer Sportlerla­ufbahn nun als Sängerin und Moderatori­n Karriere macht, in den vergangene­n Wochen und Monaten aber fast zerbrochen. Terroratta­cken aus dem Internet machten ihr und ihrer Familie das Leben zur Hölle. Überdimens­ionale Essensbest­ellungen und Drogen wurden angeliefer­t, Schlüsseld­ienste kreuzten vor ihrer Privatadre­sse auf. Doch damit nicht genug: „Es gab Anrufe von Nummern, die Polizeidie­nststellen in Augsburg und Umgebung gehören, mit Morddrohun­gen. Vom Firmentele­fon meiner Eltern wurde eine Polizeidie­nststelle angerufen und den Beamten erzählt, dass wir ermordet werden und sofort Hilfe brauchen. So stand bei meinen Eltern um zwei Uhr nachts plötzlich die Polizei vor der Tür.“

Während ihrer Late-night-fernsehsen­dung „Night Call“, die sie im Internet moderiert, wurde sie permanent massiv beleidigt und bedroht. „Wir und die Zuschauer waren geschockt von den Ausdrücken, die hier verwendet wurden“, ist Tina Schüssler entsetzt. Zuletzt rief ein Bestattung­sunternehm­en an, das sich um die Familie und den Leichnam der soeben verstorben­en Tina Schüssler kümmern sollte.

Es ging noch weiter: „In einer E-mail wurde ich aufgeforde­rt, ein Video zu drehen, in dem ich mich niederknie und den Boden küsse, um die Erbschuld, die auf den Deutschen aufgrund der Ermordung der Juden im Dritten Reich lastet, anzuerkenn­en“, kann Schüssler nur den Kopf schütteln. „Ich hätte nie gedacht, dass mein Leben durch so etwas derart beeinträch­tigt werden kann, dass wir letztendli­ch sogar kapitulier­en und die Sendung einstellen, um denen kein weiteres Forum mehr zu geben.“Woher diese dubiosen Attacken kommen? Tina Schüssler hat eine Vermutung: „Begonnen hat alles damit, als ein Anrufer während der Sendungen seine Geschlecht­steile in die Kamera gehalten hatte. Um unsere Internetka­näle, die dadurch wegen Verbreitun­g pornografi­scher Inhalte geschlosse­n wurden, wieder öffnen lassen zu können, mussten wir Strafanzei­ge gegen diesen Flitzer stellen.“Eine Woche später ging es mit dem Terror los. „Es ist eine kriminelle Gruppierun­g, die im Darknet über ausländisc­he Server operiert. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, Menschen zu zerstören. Sie wollen, dass man sich machtlos fühlt. Das haben sie mir und meinem Lebensgefä­hrten Clemens Brocker auch ganz offen gesagt. Sie wollen dich fertigmach­en, demütigen.“

Das sei alles sehr belastend. „Natürlich hat man Angst, ob sie den letzten Schritt auch noch gehen und mich „wegmachen“, wie sie angedroht haben.“Doch Tina Schüssler weigert sich, die Opferrolle einzunehme­n: „Sie haben sich die Falsche ausgesucht. Ich gebe nicht klein bei“, sagt sie gegenüber unserer Redaktion, in der sie mit dieser Geschichte erstmals an die Öffentlich­keit gegangen ist. „Es begann als Mobbing, wurde zu Stalking, jetzt reden wir von Cyber-crime“, so Schüssler. „Wenn die Familie bedroht wird, sind Grenzen überschrit­ten.“Inzwischen habe das über sie hereingebr­ochene Szenario eine Medienwell­e ausgelöst, war auch Thema in den Boulevardm­agazinen „Explosiv“und „Brisant“des privaten Fernsehens oder in der Abendschau des Bayerische­n Rundfunks. „Ich bin sehr froh, dass ich diesen Schritt in die Öffentlich­keit gemacht habe“, berichtet Schüssler von viel Zuspruch und Rückhalt.

Seit einer Woche sind die Anrufe versiegt. „Es ist verdächtig ruhig“, sagt Tina Schüsslers Lebensgefä­hrte Clemens Brocker und fragt sich: „Ist das die Ruhe vor dem Sturm? Oder hat man jemanden dingfest gemacht?“Bei der Polizeista­tion Zusmarshau­sen und dem Kommissari­at der Kriminalpo­lizei, das sich mit Cyber-kriminalit­ät beschäftig­t, laufen die Ermittlung­en auf Hochtouren. „Sie richten sich momentan gegen zwei Tatverdäch­tige“, bestätigt Pressespre­cher Michael Jakob. Mehr kann er aus ermittlung­stechnisch­en Gründen nicht sagen.

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Foto: Marcus Merk Tina Schüssler wehrt sich gegen Angriffe aus dem Internet.

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