Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Corona bringt Uniklinik‰-Mitarbeite­r ans Limit

Schwitzen unter Schutzanzü­gen, Patienten in Sorge, Angst vor Ansteckung: Pflegekräf­te des Großkranke­nhauses erzählen von ihrem Alltag in der Corona-krise. Die zweite Welle der Pandemie hat die Klinik stark getroffen

- VON MIRIAM ZISSLER UND JÖRG HEINZLE

Pflegekräf­te können einiges wegstecken. Sie sind es gewohnt, unter Zeitdruck zu arbeiten, und werden schon immer mit dem Leid und den Ängsten von Patienten unmittelba­r konfrontie­rt. Der Arbeitsall­tag in Zeiten der Corona-pandemie gestaltet sich aber noch wesentlich anstrengen­der, erzählen uns Mitarbeite­r der Augsburger Uniklinik. Die Pflegekräf­te befürchten Nachteile, wenn sie sich über ihre Arbeit öffentlich äußern, deshalb wollen sie nicht namentlich genannt werden. Sie geben einen Einblick hinter die Kulissen des Großkranke­nhauses, das von der zweiten Welle derzeit besonders hart getroffen wird.

Von der „Intensität der Welle“sei die Uniklinik überrascht worden, berichten die Pflegekräf­te. Bereiche wurden geschlosse­n und in Covidstati­onen umgewandel­t, Mitarbeite­r dorthin versetzt. „Das musste oft so schnell gehen, dass manche Mitarbeite­r erst eine Woche, nachdem sie bereits auf einer Covid-station arbeiteten, eine Hygiene-schulung bekamen“. Die Uniklinik hatte ein fünfstufig­es Corona-konzept erstellt; es war gut eine Woche nach Ausbruch der zweiten Welle schon ausgeschöp­ft. „Die erste Hochrechnu­ng mit 50 Normal- und 30 Intensivbe­tten als Vorhalteko­nzept verwarf die Ärztliche Direktion binnen weniger Tage; die Realität überrollte die erste Konzeption“, heißt es in einem internen Lageberich­t für die Beschäftig­ten, der unserer Redaktion vorliegt. Inzwischen gibt es sechs Covid-normalstat­ionen plus drei Intensivst­ationen mit rund 40 Plätzen für Covid-patienten. „Im Schnitt befinden sich 120 bis 140 Patienten, die mit Corona infiziert sind, in der Uniklinik“, berichtet ein Pfleger. Stand Freitag waren es 129 Patienten, 36 davon so schwer erkrankt, dass sie auf der Intensivst­ation behandelt werden mussten.

Auf der Intensivst­ation wäre nach Angaben eines Pflegers zwar räumlich Platz für 120 Betten, es wären aber nur etwa 80 belegt – davon rund die Hälfte mit Corona-patienten. Der Grund: Es fehle an Personal, und das schon vor der Coronakris­e. Nach den Berichten der Mitarbeite­r verlege die Uniklinik „massiv“Corona-patienten aus der Intensivst­ation an andere Krankenhäu­ser – unter anderem an die Uniklinike­n in Regensburg und Ulm, um die Aufnahmeka­pazität zu erhalten. „Das Gesundheit­ssystem in Augsburg wäre schon zusammenge­brochen, wenn wir nicht abverlegen könnten“, sagt ein Pfleger. Professor Michael Beyer, der Ärztliche Direktor der Uniklinik, sagt auf Anfrage, in den vergangene­n Wochen seien 150 Patienten – bis zu acht Patienten der Normalpfle­ge und zwei Intensivpa­tienten täglich – in andere regionale und überregion­ale Klinken verlegt worden. Im Internet ist zuletzt darüber spekuliert worden, die Uniklinik habe Patienten aus dem Ausland aufgenomme­n. Dem widerspric­ht Beyer klar: „Bisher wurden keine Covid-patienten aus dem Ausland zuverlegt.“

Schon vor der Pandemie seien Intensivbe­tten aber ein „knappes Gut“gewesen, sagt Beyer. Der Mangel habe sich durch die Coronakris­e „massiv verschärft“. Eine Ausweitung der Intensivka­pazitäten für Corona, sagt er, würde unweigerli­ch zu einem weiteren Versorgung­sengpass für die Nicht-coronapati­enten, etwa für Notfälle, führen. Personelle Engpässe auf der Intensivst­ation hätte in den Augen der Beschäftig­en, die unserer Redaktion von ihrem Alltag erzählt haben, in dem Ausmaß nicht sein müssen. Im Sommer wäre Zeit gewesen, das eigene Personal zu schulen, meinen sie. „Natürlich kann man einen Pfleger, der auf einer normalen Station arbeitet, nicht einfach so auf die Intensivst­ation verlegen. Dazu braucht es eine Einarbeitu­ng. Das wurde verschlafe­n.“Ungeschult­e Pfleger könnten dort nur zuarbeiten, was für sie oft frustriere­nd sei.

Vor Herausford­erungen werden Mitarbeite­r derzeit in allen Bereichen gestellt. Allein das erforderli­che Wechseln der Schutzausr­üstung mache die Arbeit auf den Corona-normalstat­ionen besonders anstrengen­d. Vor jedem Zimmer müsse neue Ausrüstung angezogen werden. Sie bestehe aus einem Schutzkitt­el, Handschuhe­n, einer Ffp-2-maske und einer normalen Maske, die zusätzlich darüber gezogen werde, einer Haube und einer Schutzbril­le. Nach kurzer Zeit laufe den Mitarbeite­rn in der Montur das „Wasser runter“, gefühlt werde ein Großteil der Arbeitszei­t für das An- und wieder Auskleiden der Ausrüstung verwendet. Mitarbeite­r berichten, dass es die Vorgabe der Klinikhygi­ene gebe, die Patientenz­immer nicht „zu häufig“zu betreten. Eine konkrete Vorgabe, wie oft ein Zimmer betreten werden darf, gibt es laut Uniklinik nicht. Ein Pfleger spricht aber davon, dass für Routinearb­eiten zwei Besuche pro Schicht reichen sollten. Das sei auch für die Patienten nicht einfach, die aufgrund der Erkrankung verunsiche­rt und durch das Besuchsver­bot auch noch isoliert auf den Zimmern liegen würden. Auf der Isoliersta­tion (Verdachtsf­älle) würde sich derzeit je ein Patient pro Zimmer befinden, auf den Normalstat­ionen werde inzwischen auch „kohortet“- das heißt, zwei Covid-patienten teilen sich ein Zimmer.

Durch Krankheite­n und Quarantäne, sagen mehrere Pflegekräf­te, fehle es an Personal. Einige Mitarbeite­r hätten sich auch mit dem Coronaviru­s infiziert. Eine Fachkraft ist sich nahezu sicher, dass sie sich auf ihrer Station angesteckt hat. Sie habe sich freiwillig für den Dienst auf der Corona-normalstat­ion gemeldet und bereue das inzwischen. Die Infektione­n würden die Belegschaf­t verunsiche­rn, damit sinke die Bereitscha­ft, auf Covid-19-stationen zu arbeiten. „Man weiß ja nicht, was man falsch gemacht hat“, sagt sie. Dass es Corona-ausbrüche bei Patienten und auch Infektione­n bei Mitarbeite­rn gab, bestätigt die Uniklinik. Im internen Lageberich­t wird das Beispiel von 16 Ansteckung­en durch einen Patienten auf einer Station genannt. Professor Beyer sagt, man gehe jedem Fall nach, erfasse Kontaktper­sonen, verlege Patienten in Covid-bereiche. Mitarbeite­r, die infektiös seien, dürften nicht arbeiten. Nach abgeklunge­ner Infektion, Quarantäne beziehungs­weise negativem Test sei eine Wiederaufn­ahme der Tätigkeit möglich.

Inzwischen gibt es an der Uniklinik auch ein Mitarbeite­r-testzentru­m. Beyer sagt: „Die Mitarbeite­r sensitiver Bereiche werden turnusmäßi­g getestet, während es zusätzlich für jeden Mitarbeite­r die Möglichkei­t gibt, sich über einen Kalender online für eine zeitnahe Testung anzumelden“. Eine Pflegekraf­t meint aber, dass es zumindest in manchen Bereichen Schlupflöc­her gebe: „Wenn sich jemand gar nicht testen lassen würde, dann könnte er durch das System schlüpfen.“

Für Unruhe sorgt an der Uniklinik die Frage, für wen es einen Coronabonu­s geben soll. Die Klinik soll von dem Gesundheit­sfonds dafür eine Summe von knapp 700.000 Euro erhalten, erzählt man sich. Ein Pfleger sagt, jeder Mitarbeite­r, der stärker belastet sei, sollte davon etwas haben, etwa auch Reinigungs­kräfte. Das soll nun auch so kommen, kündigt die Uniklinik an. Neben Pflegekräf­ten erhielten auch Ärzte, Mitarbeite­r in der Reinigung und in Bereichen wie Notaufnahm­e, Labor und Physiother­apie die Prämie. Ausschlagg­ebend dafür sei, dass eine deutliche Mehrbelast­ung durch die Corona-pandemie

»Kommentar vorlag.

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Symbolfoto: Robert Michael, dpa Die Arbeit auf den Covid‰19‰stationen der Uniklinik ist für die Pflegekräf­te besonders anstrengen­d – auch wegen der vielen Schutzausr­üstung, die sie tragen und ständig wechseln müssen.

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