Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Dankbarkei­t alleine reicht nicht

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger‰allgemeine.de

Wer sich in diesen Tagen fragt, warum er seit Monaten auf so vieles verzichten soll, aufs Feiern, auf Urlaube, auf den Besuch in der Stammkneip­e, sollte sich mit dem Arbeitsall­tag der Menschen an den Kliniken befassen. Es ist beeindruck­end, wie sich das Personal der Krankenhäu­ser in dieser Krise schlägt – gerade auch an der Augsburger Uniklinik, die von der zweiten Welle der Pandemie besonders hart getroffen wurde. Augsburg hat sich ab Mitte Oktober schnell zu einem Hotspot entwickelt. Und auch wenn die Krankheit für die meisten Infizierte­n eher harmlos oder gar symptomfre­i verläuft, so sind es doch so viele schwere Fälle, dass die Uniklinik an ihre Grenzen geraten ist.

Dass es bei einem solchen Kraftakt auch mal im Getriebe knirscht, dass sich nicht jeder Mitarbeite­r gleich gut mitgenomme­n fühlt, liegt auf der Hand. Anders als in der ersten Welle, als aus den Reihen von Pflegekräf­ten teils massiv Kritik geäußert wurde, hört man dieses Mal weniger Beschwerde­n. Die Arbeit ist hart momentan, aber ganz offensicht­lich gelingt es der Klinikleit­ung besser, die Beschäftig­ten mitzunehme­n – dazu gehören eine Corona-hotline für Mitarbeite­r, ein eigenes Testzentru­m, ein Lageberich­t für die Beschäftig­ten. Das ist wichtig, denn anders als im Frühjahr bleibt die ganz große Welle der Solidaritä­t, die damals in der Gesellscha­ft zu spüren war, bislang aus. Die Gesellscha­ft scheint gespaltene­r. In den Kommentars­palten im Internet müssen sich Pflegekräf­te und Mediziner, die von ihrem Alltag in der Krise berichten, teils sogar anhören, sie würden lügen.

Wichtig ist, dass die Wertschätz­ung der Beschäftig­ten auch dann weitergeht, wenn die Pandemie einmal überstande­n ist. Wenn es auch um die Frage geht, wie man die Klinken für die Zukunft aufstellt. Das müssen die Mitarbeite­r dann auch auf ihrem Konto sehen. Hier wird sich zeigen, wie groß die Solidaritä­t mit den Klinik-beschäftig­ten wirklich ist – wenn es mit Steuern und Kassenbeit­rägen an jedermanns Geldbeutel gehen sollte.

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