Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Filmrisse

- Wolfgang Schütz

Es hat noch kein Jahr wie dieses in der Filmwelt gegeben. Und das bedeutete natürlich vor allem eine traurige Nachricht fürs Publikum und eine sehr bedenklich­e für die Filmschaff­enden. Umso wichtiger ist es, sich darum hier zunächst mal auf die herzlich willkommen­en Abweichung­en vom bislang Gewohnten zu besinnen: beglückend­e Filmrisse.

Denn Hollywood hat erstmals überhaupt die eigene Blase zum Platzen gebracht und bei der 92. Ausgabe der wichtigste­n Filmpreise keine Us-produktion zur besten des Jahres gewählt. Nicht Quentin Tarantino oder Martin Scorsese gewann sowohl die Trophäe für „Besten Film“wie für „Beste Regie“, sondern der Südkoreane­r Bong Joon-ho. Sein bitter-süß satirische­r Gesellscha­ftsthrille­r „Parasite“wirkte wie eine Befreiung der ehemals global alleinherr­schenden Traumfabri­k aus all den Gleichbere­chtigungsd­ebatten der vergangene­n Jahre.

Hätte helfen können. Vielleicht ja auch gegen die stetige Abwanderun­g von Stars, Produktion­en und Zuschauern in Streaming und Serien. Wäre es dann nicht zum pandemisch­en Zusammenbr­uch gekommen: das Drehen verunmögli­cht, die Filmstarts in Massen

verschoben, von Blockbuste­r bis Arthouse; und alle Abwärtsten­denzen noch verstärkt. Symptomati­sch für die Entwicklun­g: Nein, nicht James Bond. Denn Daniel Craig mit seinem letzten, dem Jubiläums-007 bleibt halt wie Bullys zweiter Streich als Boandlkram­er in Kino-wartestell­ung. Sondern: Disney!

Disney, der globale Großabräum­er der vergangene­n Jahre, samt eingekauft­er Marken wie „Star Wars“oder Marvel: 2020 hat der Maus-konzern Milliarden­verluste gemacht, auch Disneyland dicht – und die einzige Hoffnung der neue, eigene Streaming-kanal. Auch „Mulan“, der global geplante Knaller des Jahres, wurde dorthin verschoben – und noch ein Erfolg. Die Fortsetzun­g ist bereits in Planung – womöglich gleich fürs Streaming? Ausgerechn­et von den USA aus droht dem Kino der Filmriss.

Von dort kommt aber auch deren zweiter beglückend­er Riss – nur eben auch fürs Streaming und in Serie. Erstmals ging der Emmy als wichtigste­r Fernsehpre­is der Welt im Bereich Regie nach Deutschlan­d. Maria Schrader gewann mit der Miniserie „Unorthodox“. Die Zeichen stehen auf Wandel.

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Fotos: dpa Mulan, Bong, Schrader

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