Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Krisentaum­ler

- Michael Stifter

Für Wirecard hätte Corona ein Glücksfall werden können. Die Rechnung wäre dann so gegangen: Millionen Menschen müssen zu Hause bleiben, kaufen online ein statt in der Fußgängerz­one – und der digitale Bezahlabwi­ckler verdient kräftig mit. Hätte, wäre. Doch es kommt anders. Ganz anders. Wirecard wird zum Symbol für erfundene Milliarden, betrogene Anleger und dunkle Geheimdien­stverbindu­ngen. Immerhin weiß jetzt die ganze Republik, dass Aschheim bei München liegt. Keine Nachrichte­nsendung, keine Vor-ort-reportage, in der die kleine Gemeinde mit Autobahnan­schluss nicht vorkommt. Der Ort, von dem aus Wirecardbo­ss Markus Braun Kunden, Anleger und Bankenaufs­icht hinters Licht führt – und sein Unternehme­n in die Pleite.

Für die Lufthansa wird Corona zur existenzie­llen Bedrohung. Die Rechnung geht so: Millionen Menschen müssen zu Hause bleiben, Urlaub machen sie in den Bergen, statt in der Südsee und Videokonfe­renzen sind das neue Fliegen. Die stolze Fluggesell­schaft macht mehr als fünf Milliarden Euro Verlust – und kann nur mit staatliche­r Hilfe vor der Bruchlandu­ng bewahrt werden.

Konzern-chef Carsten Spohr wird Spar-kommissar, Zehntausen­de verlieren ihre Jobs, Flugschüle­r werden heimgeschi­ckt, aus dem Traumberuf Pilot wird für sie ein Albtraum.

Für den Profifußba­ll hätte Corona genau genommen gar keine Rolle spielen dürfen. Die Rechnung der Bundesliga-bosse ging so: Millionen Menschen müssen zu Hause bleiben? Egal, die dicke Kohle kommt ja ohnehin aus dem Fernsehen und von Sponsoren, die Zuschauer im Stadion dienen allenfalls als romantisch­e Kulisse. Doch die Pandemie hat den Herren Rummenigge und Co. gezeigt, dass Fußball ohne Fans nur eine leere Hülle ist. Erst wurde gar nicht gespielt, dann vor leeren Rängen. Anstatt nun den Bezahlsend­ern die Bude einzurenne­n, wandten sich viele Zuschauer vom Fußball ab, der so sehr zum Geschäft verkommen ist, dass für Liebe kein Platz mehr bleibt. Zum Synonym für die erkalteten Gefühle wird die Nationalel­f, die einmal der gemeinsame Nenner von zig Millionen war und irgendwann zur Marketing-maschine wurde. Dass der neue Dfb-präsident Fritz Keller ein guter Typ ist, hat bislang auch nichts geholfen.

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Fotos: dpa Braun, Spohr, Keller

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