Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Querschrei­ber

- Wolfgang Schütz

Ein neuer Ausdruck hat die Debattenru­nden gedreht: Cancel Culture. Trägt zwar die Absage in sich, die in diesem Pandemie-jahr ohnehin zum Schicksal der Veranstalt­ungsbranch­e wurde – aber es war doch nicht alles Corona.

Zum Beispiel im Fall der österreich­ischen Kabarettis­tin Lisa Eckhart. Die hatte nicht nur vor, als Shootingst­ar der vergangene­n Jahre in der Bühnenkuns­t ihren Aufstieg fortzusetz­en – sie legte mit „Omama“auch ihren ersten Roman vor. Aber auch ohne Covid wollten schon einige, dass sie nicht mehr auftritt, tobten im Netz, demonstrie­rten vor Ort, drohten in Hamburg, radikal von links und mit Erfolg. Der Grund: alte Witze online, mal wieder kein Humor, dafür umso mächtigere Vorwürfe, Antisemiti­smus und so – und dann streikende Mitauftret­ende, ein eingeschüc­hterter Veranstalt­er.

Reichte also schon Empörung zur Tilgung grenzgänge­rischer Kunst: Cancel Culture.

Aber Eckhart durfte bald eh nicht mehr auftreten, es folgten die langen, die wiederkehr­enden, vor allem für Solo-selbststän­dige verheerend­en Monate der gecancelte­n Culture. Da war’s für Kulturscha­ffende schon schön, noch mit anderem ein Einkommen zu haben, wie hier sogar mit einem Bestseller, um nicht hartzen zu müssen oder auf die Hilfen angewiesen zu sein, Stichwort Kulturmill­iarde. Viele streamen, andere, Prominente zumeist, wurden halt auch zu Querschrei­bern. Michael Mittermeie­r zum Beispiel.

Aber Bestseller? Halt wieder welche, die das eigentlich nicht brauchen. Campino von den Toten Hosen zum Beispiel. Tour abgesagt, dafür autobiogra­fisches Buch veröffentl­icht, „Hope Street“– und als Liverpool-fan viel über Fußball geplaudert (siehe „Die Trainer“), Platz eins. Davon verdrängte ihn zwischendu­rch ein anderer, Samu Haber, der von „Voice of Germany“. Wollte eigentlich auch auf Tour, mit seiner Band Sunrise Avenue, ein letztes Mal, stattdesse­n eben autobiogra­fisches Buch veröffentl­icht, „Forever Yours“.

Und weil sich 2020 Sport und Kultur nicht nur bei Campino trafen, noch eine, die auf Tour sein wollte, ein letztes Mal, stattdesse­n autobiogra­fisches Buch veröffentl­icht, „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“: Tennisspie­lerin Andrea Petkovic. Ein einziges Spiel hat sie dieses Jahr auf dem Court bestritten, aber in Interviews, Streams und Literarisc­h gewonnen. Das könnte auch nach Ende aller Absagen Bestand haben.

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Fotos: dpa Eckhart, Campino, Petkovic.

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