Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Querschreiber
Ein neuer Ausdruck hat die Debattenrunden gedreht: Cancel Culture. Trägt zwar die Absage in sich, die in diesem Pandemie-jahr ohnehin zum Schicksal der Veranstaltungsbranche wurde – aber es war doch nicht alles Corona.
Zum Beispiel im Fall der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart. Die hatte nicht nur vor, als Shootingstar der vergangenen Jahre in der Bühnenkunst ihren Aufstieg fortzusetzen – sie legte mit „Omama“auch ihren ersten Roman vor. Aber auch ohne Covid wollten schon einige, dass sie nicht mehr auftritt, tobten im Netz, demonstrierten vor Ort, drohten in Hamburg, radikal von links und mit Erfolg. Der Grund: alte Witze online, mal wieder kein Humor, dafür umso mächtigere Vorwürfe, Antisemitismus und so – und dann streikende Mitauftretende, ein eingeschüchterter Veranstalter.
Reichte also schon Empörung zur Tilgung grenzgängerischer Kunst: Cancel Culture.
Aber Eckhart durfte bald eh nicht mehr auftreten, es folgten die langen, die wiederkehrenden, vor allem für Solo-selbstständige verheerenden Monate der gecancelten Culture. Da war’s für Kulturschaffende schon schön, noch mit anderem ein Einkommen zu haben, wie hier sogar mit einem Bestseller, um nicht hartzen zu müssen oder auf die Hilfen angewiesen zu sein, Stichwort Kulturmilliarde. Viele streamen, andere, Prominente zumeist, wurden halt auch zu Querschreibern. Michael Mittermeier zum Beispiel.
Aber Bestseller? Halt wieder welche, die das eigentlich nicht brauchen. Campino von den Toten Hosen zum Beispiel. Tour abgesagt, dafür autobiografisches Buch veröffentlicht, „Hope Street“– und als Liverpool-fan viel über Fußball geplaudert (siehe „Die Trainer“), Platz eins. Davon verdrängte ihn zwischendurch ein anderer, Samu Haber, der von „Voice of Germany“. Wollte eigentlich auch auf Tour, mit seiner Band Sunrise Avenue, ein letztes Mal, stattdessen eben autobiografisches Buch veröffentlicht, „Forever Yours“.
Und weil sich 2020 Sport und Kultur nicht nur bei Campino trafen, noch eine, die auf Tour sein wollte, ein letztes Mal, stattdessen autobiografisches Buch veröffentlicht, „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“: Tennisspielerin Andrea Petkovic. Ein einziges Spiel hat sie dieses Jahr auf dem Court bestritten, aber in Interviews, Streams und Literarisch gewonnen. Das könnte auch nach Ende aller Absagen Bestand haben.