Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Zwei Satiriker und keine Satire mehr …

Wie ein „misslungen­er“T-shirt-witz einen Shitstorm auslöste und die Satire-„partei“auf ein Mandat halbierte

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Um diesen Vorgang als Eklat bezeichnen zu können, fehlt ihm vermutlich das politische Gewicht. Schließlic­h geht es um „Die Partei“, eine der kleinsten Parteien im Europäisch­en Parlament, der gerade mal zwei deutsche Abgeordnet­e angehörten. Und seit Mittwoch ist es nur noch einer. Was war passiert? Nach dem Angriff von Trumpanhän­gern auf das Us-kapitol in Washington in der vorigen Woche hatte der Satiriker und Eu-abgeordnet­e Martin Sonneborn, 55, ein Foto veröffentl­icht, auf dem er ein T-shirt mit dem Aufdruck trug: „Au Widelseher­n, Amlerika! Habem Sie Guter Frlug runtel! Plinted in China. Fü Die PALTEI.“Nur wenige erkannten den Witz und noch weniger die satirische Zuspitzung.

T-shirt und Text sollten eine Anspielung auf Donald-trump-fanartikel sein, die trotz dessen antichines­ischer Politik in China hergestell­t wurden. Der Tweet sei rassistisc­h und beleidigen­d, befanden dagegen etliche Leser, weil er die vermeintli­che Unfähigkei­t der Chinesen, kein „R“ausspreche­n zu können, verballhor­nte. Sonneborn legte trotz der heftigen Vorwürfe erst mal noch nach und stellte die Kritiker als „nur zu doof hin, um seine Kunst zu verstehen“. So empfand es sein bisheriger Parteifreu­nd, der Kabarettis­t Nico Semsrott, 34, den diese Reaktion auf die Palme brachte: „Wenn sich Menschen von seinen Postings rassistisc­h angegriffe­n fühlen, muss er nicht viel tun. Es reichen Mitgefühl und Respekt vor den Betroffene­n, um das eigene Verhalten zu korrigiere­n.“Semsrott zog Konsequenz­en aus Sonneborns Publikumsb­eschimpfun­g, die er als „falsch und inakzeptab­el“bezeichnet­e – und verließ die Partei. Erst danach entschuldi­gte sich Sonneborn öffentlich.

Bei Twitter schrieb er: „Wenn ein Witz aber zu rassistisc­her Verletzung führt, statt Reflexions­anstöße zu geben oder zumindest ein befreiende­s Lachen nach sich zu ziehen, dann ist es ein misslungen­er Witz.“Angesichts der in den zurücklieg­enden Jahren häufiger werdenden Vorwürfe gegen seine Partei wegen Rassismus, Intoleranz und Frauenfein­dlichkeit klang das freilich nicht nach allzu großer Einsicht.

Sonneborn, in seinem vorpolitis­chen Leben Chefredakt­eur des Satiremaga­zins Titanic und Gründer sowie Vorsitzend­er der Antipartei „Die Partei“, sitzt seit 2014 als Fraktionsl­oser im Europäisch­en Parlament. 2019 wurde er nicht nur wiedergewä­hlt, sondern bekam Verstärkun­g von Semsrott, der als Slam-poet unter anderem in der Zdf-heute-show bekannt geworden war. Semsrott trat schon damals den Grünen bei, wo er auch bleiben und sein Mandat zu Ende bringen will. Parteifreu­nde sind die beiden nicht mehr.

 ?? Foto: Wolfgang Kumm, dpa ?? Schluss mit lustig: Martin Sonneborn (l.) und Nico Semsrott gehen ab sofort ge‰ trennte Wege.
Foto: Wolfgang Kumm, dpa Schluss mit lustig: Martin Sonneborn (l.) und Nico Semsrott gehen ab sofort ge‰ trennte Wege.

Newspapers in German

Newspapers from Germany