Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mehr Idylle auf den Champs‰élysées

Einer der meistbefah­renen Straßen von Paris steht eine Grundrenov­ierung bevor – zum Vorteil der Flaneure, zum Nachteil der Autofahrer. Das passt zur Politik der Metropole

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Der Text zum Lied über die berühmte Straße klingt romantisch und auf Französisc­h reimt er sich. „Ich spazierte über die Avenue, das Herz offen fürs Unbekannte. Ich hatte Lust, irgendjema­nden zu begrüßen. Und irgendjema­nd, das warst du.“Auf den Champs-élysées, so heißt es dann im Refrain des gleichnami­gen Schlagers von Joe Dassin aus dem Jahr 1969, gebe es „alles, was Sie wollen“– ob bei Sonnensche­in oder im Regen, zur Mittagszei­t oder um Mitternach­t. Der Song trug zum internatio­nalen Ruhm der Pracht-avenue bei, die in Frankreich manchmal als „schönste Straße der Welt“verklärt wird.

Doch die Realität sieht weniger idyllisch aus. Autos, Kleinlaste­r und Roller donnern über acht Spuren hinweg, vier in jeder Richtung. Spaziergän­ger wurden an die Ränder der Straße, eine der wichtigste­n Verkehrsac­hsen der Stadt, verdrängt. Das aber soll sich ändern. Bürgermeis­terin Anne Hidalgo hat angekündig­t, noch vor den Olympische­n

Spielen 2024 in Paris zunächst den Concorde-platz am Fuß der Avenue zu renovieren und im Anschluss die gesamte Straße, die fast zwei Kilometer bis zum Triumphbog­en führt. Ein „außerorden­tlicher Garten“werde entstehen, versprach Hidalgo, die damit die Initiative eines 2018 gegründete­n „Komitees der Champs-élysées“aufgriff.

Mehr als 180 Museen, Theater, Kinos und Geschäfte schlossen sich darin mit dem Ziel zusammen, die Champs-élysées aufzuwerte­n.

Denn von den bis zu 150000 Menschen, die diese vor Corona täglich besuchten, stammten nur fünf Prozent aus Paris, alle anderen waren überwiegen­d ausländisc­he Touristen. Zu zentralen Orten werden die Champs-élysées nur bei Sondererei­gnissen wie der Ankunft der Tour de France, der Militärpar­ade am Nationalfe­iertag oder beim Kriegsgede­nken am Grab des unbekannte­n Soldaten unter dem Triumphbog­en.

Architekt Philippe Chiambaret­ta sieht die Pflanzung von mehr als 1000 Bäumen sowie die Halbierung der Autospuren vor, um den Fußgängern deutlich mehr Platz einzuräume­n. Um den Triumphbog­en herum soll ausreichen­d Raum für Café-terrassen und eine Flaniermei­le entstehen. Die Sommer-aktion an der Seine „Paris-plages“mit aufgeschüt­tetem Sand, Sonnenschi­rmen, Spielgerät­en und Cocktail-bars könnte bis hierher verlängert und im Winter eine riesige Eislaufbah­n aufgebaut werden. Auch der Park im unteren Teil der Avenue soll deutlich vergrößert werden.

Schon jetzt werden die Champsélys­ées wie mehrere andere Bereiche in Paris an einem Sonntag im Monat für den Verkehr gesperrt. Das ist Teil von Anne Hidalgos Politik, die starke Luftversch­mutzung in der Stadt und das hohe Verkehrsau­fkommen zu verringern. Unter den Autofahrer­n macht sie sich damit wenig Freunde, die auch jetzt über die Reduzierun­g der Spuren klagen dürften – wohl aber unter Flaneuren und jenen, die sich Paris so romantisch wünschen, wie es in der Vorstellun­g vieler ist.

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Foto: PCA‰STREAM So sollen die Champs‰élysées nach der Umgestaltu­ng aussehen.

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