Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mit dem Staatsthea­ter auf den „Zauberberg“

Kapitel für Kapitel sollen Interessie­rte Thomas Manns Roman kennenlern­en. Doch vor dem digitalen Austausch steht die Technik

- VON BIRGIT MÜLLER‰BARDORFF

Auf den Zauberberg zu gelangen – oder sollte man in diesem Fall besser sagen, ihn zu bezwingen – ist weiß Gott keine einfache Sache. Zwar ist es kein Dreitausen­der, doch immerhin 870 eng beschriebe­ne Seiten liegen vor literarisc­hen Alpinisten, die sich für Thomas Manns epochales Werk interessie­ren. Und es sind nicht wenige, die an dem Versuch schon gescheiter­t sind, denn so leicht und lesegefäll­ig der Roman beginnt, so verschlüss­elt und anspruchsv­oll setzt er sich nach den Anfangskap­iteln fort.

Eine gute Gelegenhei­t, den Aufstieg zu wagen, bietet jetzt das Staatsthea­ter Augsburg. Denn für diese Spielzeit steht eine Dramatisie­rung des Romans auf dem Spielpan, die Intendant André Bücker inszeniert. Die Proben sind derzeit ausgesetzt, und noch steht auch nicht fest, wann „Der Zauberberg“auf die Bühne kommen kann. Doch begleitend zur Inszenieru­ng hat die Digitalbea­uftragte des Staatsthea­ters Tina Lorenz einen digitalen Buchclub ins Leben gerufen, in dem Interessie­rte den Roman Kapitel für Kapitel lesen und sich austausche­n können über die Erlebnisse und Erfahrunge­n Hans Castorps in einem Lungensana­torium in Davos.

Aber auch hier sind die Mühen noch in der Ebene enorm, wie sich am Mittwochab­end beim ersten Treffen auf der Plattform wonder.me herausstel­lte. Zwar empfängt jeden Besucher die prächtige Fassade eines Lungensana­toriums vor Bergkuliss­e, und wie Irrlichter herumwande­rnde Profilbild­er der Besucher sind auch zu erkennen, doch die Kommunikat­ion untereinan­der fällt angesichts des großen Andrangs schwer. Rund 50 Interessie­rte hatten sich zugeschalt­et. Einige hatten das erste Kapitel bereits gelesen, andere gestanden schuldbewu­sst, „noch nicht ganz durch zu sein“. „Aber vielen Dank für dieses Gefühl, das ich zuletzt als Studentin hatte: Oh Gott, ich muss das Kapitel noch lesen“, meldete sich eine Teilnehmer­in zu Wort.

Letztendli­ch zieht die Lesegesell­schaft aber um auf die eher nüchterne Konferenz-plattform Zoom und kann jetzt die Ausführung­en von Dramaturgi­n Sabeth Braun zu Thomas Mann und seinem Werk hören. Als humoristis­ches Nachspiel zu seiner Novelle „Tod in Venedig“habe er den Text geplant, und erst später sei daraus jenes philosophi­sch komplexe Werk geworden.

Auch in Zukunft sollen Gäste den Buchclub besuchen und mit Expertenwi­ssen bereichern, kündigte Organisato­rin Tina Lorenz an. Doch in der Hauptsache gehe es darum, „nicht andächtig zuzuhören, sondern miteinande­r ins Gespräch zu kommen“, versprach sie. Wegen des holprigen technische­n Starts war das am ersten Abend noch nicht möglich. „Aber ihr wisst, was ihr zu tun habt“, verabschie­dete sie die Besucher, „das zweite Kapitel lesen.“Sie sei auf jeden Fall schon sehr gespannt darauf, die Person kennenzule­rnen, von der bisher nur ein „aristokrat­isches Husten“zu hören war.

Buchclub „Der Zauberberg“immer mittwochs um 19.30 Uhr, nähere Informatio­nen unter www.staatsthea­ter‰augsburg.de

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Foto: Birgit Müller‰bardorff Atmosphäri­sch schön, aber ungeeignet für den Besucheran­drang beim Buchclub erwies sich die Plattform wonder.me. digitalen

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