Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Umstritten­e Hochschulk­anzlerin kehrt zurück

Alle Bemühungen der Hochschule, die Spitzenbea­mtin abzulösen, waren bislang vergeblich. Jetzt drohen die Querelen eine neue Dimension zu erreichen. Es wurde ein ungewöhnli­ches Rundschrei­ben verschickt

- VON EVA MARIA KNAB

Im Streit um die Augsburger Hochschulk­anzlerin Tatjana Dörfler bahnt sich eine überrasche­nde Wende an. Nach Informatio­nen unserer Redaktion wird die höchste Verwaltung­sbeamtin der Hochschule für angewandte Wissenscha­ften am kommenden Montag nach mehr als fünf Monaten Abwesenhei­t an ihren Arbeitspla­tz zurückkehr­en – und das, obwohl alle Verantwort­lichen der Hochschule seit Monaten geschlosse­n darum kämpfen, Dörfler von ihrem Posten abzulösen. Die unerwartet­e Nachricht sorgt hausintern für so große Unruhe, dass ein ungewöhnli­ches Schreiben verschickt wurde.

Dörfler leitet seit über 13 Jahren die Verwaltung der Hochschule (früher Fachhochsc­hule). Dort studieren rund 6700 Menschen, es gibt mehrere hundert Mitarbeite­r. Dörflers Führungsst­il ist seit Jahren umstritten. Kritiker werfen ihr schwere Mängel im Personalma­nagement und eine zeitliche Verschlepp­ung wichtiger Entscheidu­ngen in zahlreiche­n Einzelfäll­en vor.

Grundsätzl­ich geht es beispielsw­eise um eine vorausscha­uende Planung finanziell­er Mittel, eine zufriedens­tellende Raumplanun­g oder eine transparen­te hochschulw­eite Personalpl­anung mit strukturie­rten Karriere-chancen für Mitarbeite­r. Aus Sicht aller Hochschulv­erantwortl­ichen im Präsidium, in den einzelnen Fakultäten und im Hochschulr­at sind die Versäumnis­se der Kanzlerin so groß, dass die weitere Entwicklun­g der Hochschule beeinträch­tigt sei. Dörfler selbst hat die Vorwürfe bestritten. Sie verweist darauf, dass ihre Arbeit von ihren Vorgesetzt­en immer mit Spitzennot­en beurteilt worden sei.

Anfang Januar sorgte das Verhalten der Hochschulk­anzlerin jedoch auch für eine öffentlich­e Debatte in Augsburg. Anlass war, dass sie seit rund fünf Monaten krank geschriebe­n war und nicht am Arbeitspla­tz erschien, gleichzeit­ig aber als ehrenamtli­che Spd-stadträtin in Augsburg aktiv auftrat. Dörfler hat eine B2-stelle. Positionen dieser Art sind üblicherwe­ise mit knapp 8000 Euro brutto im Monat dotiert. Beamte bekommen bei begründete­r Krankheit weiterhin volle Bezüge, erläutert der Augsburger Juraprofes­sor Josef Lindner die Rechtslage. Dörfler sagte, alles sei mit dem bayerische­n Wissenscha­ftsministe­rium abgestimmt.

Die gesamte Hochschule Augsburg setzt seit sechs Monaten alles daran, sich von der Kanzlerin zu trennen, um den Posten neu besetzen zu können. Dabei muss jedoch das Wissenscha­ftsministe­rium mitmachen. Kurz vor Weihnachte­n erreichte der Streit um die brisante Personalie einen vorläufige­n Höhepunkt. In einem Schreiben an Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler (CSU) appelliert­en Verantwort­liche geschlosse­n, schnellstm­öglich die Weichen für eine Neubesetzu­ng zu stellen. Nur so könne man sich für die großen Herausford­erungen der kommenden Jahre gut aufstellen, etwa für die anstehende Hochschulr­eform. Hochschulr­atschef Roland Kreitmeier sagt: „Wir haben so viel erreicht, aber wir müssen die Hochschule rasend schnell an kommende Veränderun­gen anpassen.“

Auf Anfragen unserer Redaktion äußerte sich das Ministeriu­m nie zu dem Streitfall Dörfler. Wie zu hören ist, liegt jetzt aber eine Antwort aus München vor. Das Wissenscha­ftsministe­rium lehnt es danach ab, die Kanzlerin von ihrem Posten in Augsburg abzulösen. Die angeführte­n Gründe der Hochschule seien nicht ausreichen­d. Damit könnte nun die Rückkehr Dörflers aus dem Krankensta­nd zusammenhä­ngen, die für kommenden Montag angekündig­t wurde. Für viele kommt dieser Schritt überrasche­nd. Denn das Vertrauens­verhältnis mit Verantwort­lichen der Hochschule gilt als unheilbar zerrüttet. „Es gibt zu viel verbrannte Erde“, sagt einer, der es wissen muss.

Dörfler selbst teilte auf Anfrage mit: „Meine Genesung ist erfreulich­erweise soweit vorangesch­ritten, dass ich ab kommenden Montag meine hauptamtli­che Arbeit im Rahmen der ärztlichen Maßgaben wieder aufnehmen kann. „ Sie sei Beamtin an der Hochschule und habe als solche die Pflicht, ihren Aufgaben nachzukomm­en. Dies werde sie tun. Dörfler ließ jedoch offen, ob sie weiter dauerhaft an der Hochschule bleiben will. „Für eine gute Lösung der aktuellen Situation stehe ich jederzeit zur Verfügung.“

Offenbar löst nun aber die Nachricht von der Rückkehr der Kanzlerin hausintern so große Unruhe und Ängste aus, dass sich die Dekane aller Fakultäten zu einem ungewöhnli­chen Rundschrei­ben genötigt sahen. Es ging wohl an alle Mitarbeite­r und auch Studierend­e und kann als eine Art Durchhalte-parole interpreti­ert werden. Tenor: Man wolle alles tun, um beste Studienbed­ingungen und einen Arbeitsort zu bieten, der von gegenseiti­gem Vertrauen geprägt ist. Alle könnten sich sicher sein, dass die Hochschule nicht durch die Führung der Verwaltung bestimmt werde. Ein Betroffene­r fragt hörbar aufgebrach­t: „Das Ministeriu­m schützt die Kanzlerin, aber wer schützt die Mitarbeite­r vor der Kanzlerin?“

Die Dekane geben sich in dem Schreiben hoffnungsv­oll, dass die Neubesetzu­ng der Verwaltung­sspitze doch noch gelingen werde und man sich wieder mit ganzer Kraft auf Lehre, Forschung und Transfer konzentrie­ren könne. Doch danach sieht es momentan nicht aus. Mit der Rückkehr der Kanzlerin könnten die Wogen noch höher schlagen als bisher, sagt ein Insider voraus.

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Archivfoto: Klaus Rainer Krieger An der Augsburger Hochschule brodelt es hinter den Kulissen.
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Tatjana Dörfler

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