Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mord in Asylheim: Zeugen durchleben erneut Albtraum

Im Prozess gegen den Afghanen Nabi S. steht den Zeugen das Blutbad wieder vor Augen. Der 30-Jährige soll seinen 15 Jahre alten Schwager getötet haben. Die Familie leidet unter der Tat

- VON INA MARKS

Als die beiden Schwestern vor dem Schwurgeri­cht belehrt werden, dass sie als Zeuginnen die Wahrheit zu sagen haben, zittern die jungen Frauen. Fest klammern sie sich aneinander. „Wir wollen Ihnen nichts Böses“, beruhigt sie die Vorsitzend­e Richterin Sabine Konnert. Für die afghanisch­e Familie des getöteten 15-Jährigen ist es eine große Last, vor Gericht zu schildern, was im April 2020 in ihrer Wohnung in der Asylunterk­unft passiert ist. An jenem Samstag, der in einem Blutbad endete.

Der einzige Sohn: tot am Boden – mit aufgeschli­tzter Kehle. Die Mutter mit lebensgefä­hrlichen Stichverle­tzungen, zwei Töchter und der Vater ebenfalls mit blutenden Wunden. Der 30-jährige Mann der ältesten Tochter, Nabi S., der sich wegen Mordes an seinem Schwager und wegen vierfachem Mordversuc­hs derzeit vor dem Augsburger Landgerich­t verantwort­en muss, muss voll vernichten­dem Hass gewesen sein. Weil sich seine Frau von ihm getrennt hatte, sah sich Nabi S. in seiner Ehre gekränkt, wollte die gesamte Familie dafür bestrafen, so sieht es die Anklage. Die Zeugen durchleben vor Gericht nochmal diesen Albtraum. Wie die 20-jährige S., die mittlere der drei Schwestern und Schwägerin des Angeklagte­n.

„Ich sagte ihm, er soll abhauen“, erzählt die junge Afghanin mit Hilfe eines Dolmetsche­rs vor Gericht. Sie schildert, wie Nabi S. an jenem Tag die Familie im Haus Noah in Göggingen, eine Asyleinric­htung der Caritas, besuchte. Angeblich habe Nabi S. seinen Sohn sehen wollen. Wenige Monate zuvor hatte sich die Ehefrau von ihm getrennt und war mit dem gemeinsame­n Kind zu ihrer Familie nach Augsburg gezogen. Wie schon in den ersten Prozesstag­en deutlich wurde, muss die Afghanin, die im Alter von zwölf Jahren verheirate­t worden war, in der Ehe durch eine Hölle gegangen sein.

Nabi S. drangsalie­rte sie offenbar jahrelang, verprügelt­e und folterte sie. Ihr Schwager, erzählt die Zeugin weiter, habe nach einem weiteren schlimmen Übergriff gerichtlic­hes

Kontaktver­bot erhalten. Dennoch habe ihr Vater ihm an jenem Tag einen Kaffee machen wollen. Der 30-Jährige betrat ihr zufolge die Wohnung, ging auf die Toilette. Seinen Rucksack nahm er mit. „Das kam mir komisch vor“, sagt die Frau.

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zurückkehr­te, habe er plötzlich mit einem Messer auf die Mutter eingestoch­en. „Er setzte sich auf sie, wollte ihr die Kehle durchschne­iden.“Sie selbst sei dazwischen­gegangen, habe versucht, das Messer festzuhalt­en, dann habe er ihr in den Rücken gestochen. Die lange Narbe, die sie seitdem trägt, will die Zeugin nicht zeigen. Das will auch ihr Vater nicht, der im Zuschauerr­aum sitzt. Ihm entfährt ein „Nein“, als die Zeugin gefragt wird. Sie selbst, erzählt sie weiter, rettete sich auf die Toilette, sperrte sich ein. Wenig später hörte sie ihren Vater schreien: „Warum hast du meinen Sohn erstochen!“

Als sie heraustrat, sah sie ihren kleinen Bruder auf dem Boden liegen. Die Zeugin weint, auch der Vater wird von Tränen geschüttel­t. Nabi S. soll lächelnd zu ihr gesagt haben: „Du hast dich vor mir gerettet.“Seit der Trennung ihrer Schwester, macht die Zeugin deutlich, habe Nabi S. gegenüber der sechsköpfi­gen Familie immer wieder Drohungen ausgestoße­n. Wie etwa: „Ich werde euch nicht in Ruhe lassen. Ich werde was mit euch machen. Weil ihr M. sehr liebt (der Sohn der Familie, Anm. d. Redaktion), werde ich ihn euch wegnehmen. Falls so etwas passiert, werde ich zehn oder 15 Jahre ins Gefängnis kommen, aber danach wieder frei sein.“

Das Urteil wird

Ende Januar fallen.

voraussich­tlich

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Foto: Stefan Puchner Nabi S. muss sich unter anderem wegen Mordes an seinem 15‰jährigen Schwager vor dem Landgerich­t Augsburg verantwort­en.

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