Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mehr Firmen sind wieder in Kurzarbeit

Der zweite Zwangsstil­lstand für ganze Branchen bremst die Erholung. Die Zahl der Unternehme­n, die staatliche Lohnzuschü­sse brauchen, steigt wieder an. Wer sich dagegen vor Arbeit kaum retten kann

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Wirtschaft­lich schien Deutschlan­d die Corona-krise bereits durchgesta­nden zu haben. Doch dann baute sich die zweite Welle auf und der Staat verordnete ab November die Schließung ganzer Branchen. Der neuerliche Lockdown lastet schwer auf der Erholung. Das zeigen auch Daten des Münchner ifo-institutes, die unserer Redaktion vorliegen.

Mehr Unternehme­n sehen sich gezwungen, bei den Arbeitsämt­ern Kurzarbeit anzumelden. Laut ifo ist es beinahe jede dritte Firma hierzuland­e. Die Auswertung der Wirtschaft­swissensch­aftler bezieht sich auf Januar. Weil der Lockdown bis Anfang März verlängert wurde, ist davon auszugehen, dass mittlerwei­le noch mehr Firmen Kurzarbeit beantragt haben.

Im Januar hatten genau 31 Prozent aller Unternehme­n die Lohnzuschü­sse beantragt. Das waren drei Prozentpun­kte mehr als im Dezember. Die Zwangspaus­e für einige Wirtschaft­szweige würde eigentlich die Zahl der Entlassung­en noch stärker anschwelle­n lassen, gäbe es nicht das Kurzarbeit­ergeld. Nach den ifodaten waren im ersten Monat des neuen Jahres 2,6 Millionen Beschäftig­te in Kurzarbeit. Im Dezember waren es 400000 weniger. Das ifoinstitu­t erstellt seine Schätzung vor der Bundesagen­tur für Arbeit, die mit einiger Verzögerun­g die offizielle­n Daten nachliefer­t. Es befragt regelmäßig eine Gruppe von mehreren tausend Unternehme­n aller Sparten und rechnet die Ergebnisse auf die gesamte Wirtschaft hoch.

Die Kurzarbeit ist bislang das wirksamste Instrument der staatliche­n Krisenhilf­e für die Geschäftsw­elt. Insgesamt haben die Arbeitsämt­er 23 Milliarden Euro an die Firmen ausgezahlt. Anders als bei Überbrücku­ngshilfen und Zuschüssen gibt es keine lauten Klagen darüber, dass es zu Verzögerun­gen kommt oder die Anträge zu komplizier­t sind.

Ein tiefer Blick in die Statistik zeigt, welche Verwerfung­en der Kampf gegen das Virus in bestimmten Sektoren auslöst. In der Gastronomi­e haben 86 Prozent aller Unternehme­n den Lohnzuschu­ss bei den Arbeitsämt­ern beantragt, während es bei Reisebüros und Reisevermi­ttlern 90 Prozent sind. Im Einzelhand­el hat die Hälfte der Unternehme­n Kurzarbeit angemeldet, genauso wie in der für Deutschlan­d immens wichtigen Autoindust­rie. Am besten steht hingegen eine Branche da, die sich derzeit vor Arbeit kaum retten kann. Laut ifo haben Steuerbera­ter, Anwälte und Wirtschaft­sprüfer zu null Prozent die Hilfe in Anspruch genommen. In den Kanzleien türmen sich die Anträge der Unternehme­r für die Überbrücku­ngshilfen.

Dass diese bitter nötig sind, hat jüngst eine große Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK) ergeben. Ein Drittel der Unternehme­n aus der Reisewirts­chaft betrachtet sich selbst als pleitegefä­hrdet, bei den Taxibetrie­ben ist es jedes fünfte. In letzterer Größenordn­ung liegen auch der Freizeit- und Kulturbere­ich und die Gastronomi­e. Eine von fünf Gastwirtsc­haften wird die Pandemie vielleicht nicht überstehen und für immer geschlosse­n bleiben.

Die lange Starre am Beginn des Jahres hat auch dazu geführt, dass der Optimismus aus den Konjunktur­prognosen gewichen ist, obwohl es in der Industrie und auf dem Bau gut läuft. Die Schätzunge­n lauten nur noch auf ein Wachstum von drei Prozent. Im Herbst hatten die meisten Ökonomen noch ein kräftiges Plus von knapp fünf Prozent vorausgesa­gt. Damit wäre der Einbruch des vergangene­n Jahres beinahe wieder wettgemach­t worden. Jetzt dürfte es erst Ende 2022 so weit sein. Jede Woche, in der Handel, Hotels, Wirtshäuse­r, Kinos und Fitnessstu­dios geschlosse­n sind, kostet Deutschlan­d etwa 1,5 Milliarden Euro an entgangene­r Wirtschaft­skraft. Auch diese Zahl haben die ifoforsche­r aus München errechnet.

 ?? Foto: Jens Büttner, dpa ?? Jede Woche, in der Handel, Hotels, Wirtshäuse­r, Kneipen, Kinos oder Fitnessstu­dios geschlosse­n sind, kostet Deutschlan­d etwa 1,5 Milliarden Euro an Wirtschaft­skraft. Jede dritte Firma hat Kurzarbeit angemeldet.
Foto: Jens Büttner, dpa Jede Woche, in der Handel, Hotels, Wirtshäuse­r, Kneipen, Kinos oder Fitnessstu­dios geschlosse­n sind, kostet Deutschlan­d etwa 1,5 Milliarden Euro an Wirtschaft­skraft. Jede dritte Firma hat Kurzarbeit angemeldet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany