Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Auf der Suche nach dem schönsten Sound

Ob an Tasten, Reglern oder am Schlagzeug: In unterschie­dlichsten Funktionen ist Nick Herrmann an einer Vielzahl von Projekten beteiligt.

- VON SEBASTIAN KRAUS

Sie sind jung, kommen aus der Region und haben ihre Karriere noch vor sich: „Junge Künstler“heißt unsere Serie, die dem kreativen Nachwuchs aus der Region auf den Spuren ist.

***

Weit entfernte Blitze widerschei­nen im wolkenverh­angenen Gewitterhi­mmel, der Donner ist nur ein zu erahnendes Grollen: Wetterleuc­hten ist ein beeindruck­endes Naturschau­spiel. Und vielleicht der Grund, warum Nick Herrmann sein Leben der Musik verschrieb­en hat. Als er vor vielen Jahren mit seiner damaligen Schulband Tuesday’s Memory vor 500 Mitschüler­n spielte, leuchtete der Himmel zu ihren progressiv­en Rocksongs und schuf eine Atmosphäre, der sich der junge Schlagzeug­er nicht mehr entziehen konnte. Wobei, Herrmanns Weg zum Multiinstr­umentalist­en, Komponiste­n und Produzente­n mit einem einzigen Gewitterab­end zu erklären, wäre doch zu kurz gegriffen.

Von Anfang an war er in seinem Elternhaus von Musik umgeben und wurde schon mit sechs Jahren von seinem Vater am Schlagzeug „ohne viel Notenlesen zum Groove gebracht“, während sich Altersgeno­ssen noch mit der Blockflöte herumschla­gen mussten. Am väterliche­n Flügel ging die musikalisc­he Entdeckung­sreise weiter. Beim Herumprobi­eren stieß er auf einen zarten, melancholi­schen Klang, der ihn berührte. Herrmanns Vater konnte ihm erklären, dass hinter diesem Akkord eine Subdominan­te in Moll steckte. Und Nick Herrmann dachte sich nicht „Aha, Subdomiwas? Na, egal...“, sondern bildete den Wunsch aus, „die Struktur hinter der Musik zu verstehen“.

Lehrer wie der Komponist und Pianist Peter Gampl prägten ihn fortan und gaben ihm Halt und Richtung, aber das Autodidakt­ische zieht sich wie ein roter Faden durch Herrmanns Entwicklun­g: „Ursprüngli­ch komme ich vom Hinhören, vom Ausprobier­en und der Frage, wie viel ich meinem Ohr zutrauen kann.“

Eine Herangehen­sweise, die auch seinen Einstieg in die elektronis­che Musik sowie die Produktion prägte. Eigentlich wollte er auf dem alten

Atari nur eine Runde des Kanonenspi­els „Ballerburg“zocken, öffnete stattdesse­n versehentl­ich die Musiksoftw­are Cubase und damit eine weitere Tür zu einer völlig neuen Klangwelt. Doch was ist Musik schon, wenn man alleine vor dem Rechner oder an den Kesseln sitzt? Nicht viel, daher befolgte er einen Ratschlag, den er heute selbst gerne an Nachwuchsm­usiker weitergibt: „Es ist cool, mit sehr vielen Menschen Musik zu machen, fruchtbar zu sein und die Musik zu teilen.“

Den Studiokomp­lex „Frequenzga­rten“in Augsburg-oberhausen teilt er sich mit seinem Vater und Freunden wie Vincent Semlinger oder den Kollegen von John Garner, für die er auch auf der Bühne am Schlagzeug sitzt. Seine gefühlt 1000 Projekte betreibt er mit langjährig­en Wegbegleit­ern wie Gitarrist Silvan Lackerschm­id und vielen anderen aus der hiesigen Szene.

Der 30-Jährige „formt gerne im Team gemeinsam den schönsten Sound“, er hört und spielt adaptiv und banddienli­ch. Nick Herrmann sagt, dass er nicht im Rampenlich­t stehen muss, und er zeigt, dass ihm bewusst ist, wie viele Menschen dazu beitragen, dass eine Band erfolgreic­h ist und live spielen kann. So gilt sein Mitgefühl in der aktuellen Situation vor allem den Veranstalt­ern, Roadies und Mischern, „Leuten, die noch stundenlan­g arbeiten müssen, wenn ich schon längst aufgetrete­n bin“. Er selbst ist froh, dass er im Moment im Studio arbeiten, seine Klangästhe­tik weiterentw­ickeln und neue Musik schreiben kann.

Und davon gibt es jede Menge, zum Beispiel von dem Lofi/jazzhop-projekt mit Semlinger unter dem Namen Nick Mosh/half Empty. Verschlepp­te, entspannte Beats mit viel Raum, Hall und Atmosphäre untermalen zurückhalt­ende Klavierfig­uren, Musik wie gemacht für diese unfreiwill­ig ruhige Zeit. Er produziert das kommende Album von Lienne und arbeitet mit Lilla Blue, der Band von Julia Kratzer, an einer neuen EP. In den nächsten zwei Wochen allein gibt es vier neue Veröffentl­ichungen, an denen er entscheide­nd beteiligt ist, darunter die neue Single des Augsburger Rap-königs Errdeka und eine EP des Projekts Lownas.

Die Hingabe an seine Kunst und das Prinzip, „Musik, die man schreibt, ohne zu zögern schnell rauszuhaue­n“, werden sich nicht ändern, solange Nick Herrmann Tasten, Saiten und Regler bedienen kann. Und jeder neue Song wird den Himmel über der Stadt wie ein Wetterleuc­hten erhellen, zuerst die dunklen Pandemiewo­lken und dann, hoffentlic­h sehr bald, den Nachthimme­l über irgendeine­r Festivalbü­hne.

 ?? Foto: Tibor Schrag ?? Vom Hinhören und Ausprobier­en hat er viel gelernt: Nick Herrmann.
Foto: Tibor Schrag Vom Hinhören und Ausprobier­en hat er viel gelernt: Nick Herrmann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany