Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie Firmen für das Gemeinwohl arbeiten wollen
Immer mehr Augsburger Unternehmen wollen ihren Erfolg nicht nur am Gewinn messen lassen, sondern daran, was sie für die Allgemeinheit leisten. Hierfür gehen sie neue Wege
Frank Schubert ist Geschäftsführer der gleichnamigen Augsburger Biobäckerei und verfolgt in seinem Unternehmen eine besondere Philosophie. Zwar geht es dem Geschäftsmann durchaus darum, sein Unternehmen wirtschaftlich gut aufzustellen, einer Gewinnmaximierung um jeden Preis steht er allerdings skeptisch gegenüber. „Vielmehr ist mir wichtig, dass mein Unternehmen auch etwas für das Gemeinwohl leistet“, so Schubert. Dies beginne bei einem fairen Umgang mit Lieferanten und reiche bis zur Integration von Mitarbeitern in verschiedene Arbeitsprozesse.
Die Bio-bäckerei Schubert lässt sich daher nach der Gemeinwohlökonomie (GWÖ) zertifizieren. Dahinter steht ein Wirtschaftsmodell, das nicht in erster Linie die Vermehrung von Kapital zum Ziel hat, sondern ein gutes Leben für alle Beteiligten. In Augsburg agieren bereits mehrere Unternehmen nach dieser Vorstellung – unter ihnen auch Steuerberater, Pflegedienste oder Verlage. Die GWÖ ist zudem ein Teil des Themas Nachhaltigkeit der lokalen Agenda 21 der Stadt Augsburg und beschäftigt sich mit 20 verschiedenen Themen, darunter Transparenz, Nachhaltigkeit oder Mitbestimmung. Auf dieser Grundlage kann ein Unternehmen seinen eigenen Gemeinwohl-bericht schreiben und sich zertifizieren lassen.
Was zunächst sehr theoretisch klingt, findet in der Praxis bereits Anwendung. Beim Lieslotte-medien-verlag beispielsweise ist eine transparente Gehaltsmatrix eingeführt worden. Alle Mitarbeiter haben seither das gleiche Grundgehalt. Dazu kommen klar festgeschriebene und für alle nachvollziehbare Zulagen, die sich unter anderem nach der Verantwortung der Tätigkeit richten oder auch den familiären Gegebenheiten und der Entfernung zwischen Arbeitsplatz und Wohnort. „Für mich ist, damit alles rund läuft, die Arbeit unserer Putzfrauen und Kuriere genauso wichtig wie jene der Redakteure“, begründet Verlagsinhaberin Uta Börger, warum sie das einheitliche Grundgehalt gut findet.
Das Konzept habe sie zusammen mit den Mitarbeitern entwickelt. Diese ins Boot zu holen, sei bei einem solchen Vorhaben wichtig, um Akzeptanz zu erreichen. Mittlerweile würden auch Bewerber angeben, sich aufgrund dieser Strukturen für eine Anstellung bei ihrem Verlag zu interessieren. Zurück zur Schubert. Hier findet die Idee der Gemeinwohlökonomie unter anderem bei der Beziehung zu den Lieferanten Einfluss. Die Bäckerei pflegt einen intensiven Kontakt zu Bauern und Mühlen, die sich in einer Erzeugergemeinschaft zusammengeschlossen haben. „Mit diesen Partnern verhandeln wir über drei Jahre Liefermengen und Preise. So haben die Landwirte, die Mühle und nicht zuletzt wir als Bäckerei einen fairen Umgang auf Augenhöhe und vor allem Planungssicherheit“, erzählt Schubert. Die Landwirte könnten Anbau und Einnahmen planen, ebenso wie er selbst sich auf Liefermengen und einen festen Kostenrahmen verlassen könne. Dieser persönliche Umgang hat aus Schuberts Sicht aber noch mehr Vorteile: „Wir können verschiedene Dinge in enger Absprache auch einfach mal ausprobieren und schauen, ob daraus mehr wird“, sagt der Bäckermeister. Jüngstes Beispiel: Schubert bietet seit Kurzem ein Hanfbrot mit Zutaten aus der Region – weil er dem Landwirt eine Abnahme der Rohstoffe garantiert, kann dieser sich sorgenfrei mit dem Anbau beschäftigen.
Für die Umsetzung dieses alternativen Wirtschaftsmodells der Gemeinwohlökonomie gibt es in Augsburg und der Region noch weitere Beispiele. Unter anderem weist der Dorfladen „Herzstück“in Diedorf bald die Margen einiger seiner Produkte aus. „Wir wollen unserem Kunden erklären, warum bei uns ein Ei mehr kostet, als im Supermarkt. Hierfür beschreiben wir, was zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis passiert und warum wir dieses Geld verlangen müssen“, erzählt Anja Dördelmann. Sie ist Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft Herzstück Horgau, die hinter dem Laden steht. Den Mitgliedern ist es wichtig zu zeigen, dass Regionalität, fairer Handel und betriebswirtschaftliche Sicherheit Hand in Hand gehen müssen. „Wir gewinnen zunehmend an Kunden und merken, dass Interesse hierfür besteht“, erzählt Dördelmann.
Ein Umdenken spürt auch Frank Schubert. „Immer öfter fragen die Menschen, was leistet das Unterbäckerei nehmen für die Gesellschaft, wie geht es mit seinen Mitarbeitern um, woher bezieht es seine Rohstoffe.“Dieser Wandel stütze seine Unternehmensphilosophie und schaffe die Grundlage, sich diese auch leisten zu können. Denn klar ist bei aller Euphorie auch, dass der Verzicht auf mehr Gewinn auch Folgen hat. „Weil unser Gewinn sicher begrenzter ist als bei anderen, müssen wir auch an der ein oder anderen Stelle zurück stecken. Wir haben beispielsweise ein kleineres Werbebudget als Mitbewerber und können bei unseren Filialen auch nicht jeden Mietpreis bezahlen“, gibt Schubert zu. Unterm Strich ginge sein Agieren aber auf und schaffe einen Mehrwert für alle Beteiligten.