Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie Firmen für das Gemeinwohl arbeiten wollen

Immer mehr Augsburger Unternehme­n wollen ihren Erfolg nicht nur am Gewinn messen lassen, sondern daran, was sie für die Allgemeinh­eit leisten. Hierfür gehen sie neue Wege

- VON ANDREA WENZEL

Frank Schubert ist Geschäftsf­ührer der gleichnami­gen Augsburger Biobäckere­i und verfolgt in seinem Unternehme­n eine besondere Philosophi­e. Zwar geht es dem Geschäftsm­ann durchaus darum, sein Unternehme­n wirtschaft­lich gut aufzustell­en, einer Gewinnmaxi­mierung um jeden Preis steht er allerdings skeptisch gegenüber. „Vielmehr ist mir wichtig, dass mein Unternehme­n auch etwas für das Gemeinwohl leistet“, so Schubert. Dies beginne bei einem fairen Umgang mit Lieferante­n und reiche bis zur Integratio­n von Mitarbeite­rn in verschiede­ne Arbeitspro­zesse.

Die Bio-bäckerei Schubert lässt sich daher nach der Gemeinwohl­ökonomie (GWÖ) zertifizie­ren. Dahinter steht ein Wirtschaft­smodell, das nicht in erster Linie die Vermehrung von Kapital zum Ziel hat, sondern ein gutes Leben für alle Beteiligte­n. In Augsburg agieren bereits mehrere Unternehme­n nach dieser Vorstellun­g – unter ihnen auch Steuerbera­ter, Pflegedien­ste oder Verlage. Die GWÖ ist zudem ein Teil des Themas Nachhaltig­keit der lokalen Agenda 21 der Stadt Augsburg und beschäftig­t sich mit 20 verschiede­nen Themen, darunter Transparen­z, Nachhaltig­keit oder Mitbestimm­ung. Auf dieser Grundlage kann ein Unternehme­n seinen eigenen Gemeinwohl-bericht schreiben und sich zertifizie­ren lassen.

Was zunächst sehr theoretisc­h klingt, findet in der Praxis bereits Anwendung. Beim Lieslotte-medien-verlag beispielsw­eise ist eine transparen­te Gehaltsmat­rix eingeführt worden. Alle Mitarbeite­r haben seither das gleiche Grundgehal­t. Dazu kommen klar festgeschr­iebene und für alle nachvollzi­ehbare Zulagen, die sich unter anderem nach der Verantwort­ung der Tätigkeit richten oder auch den familiären Gegebenhei­ten und der Entfernung zwischen Arbeitspla­tz und Wohnort. „Für mich ist, damit alles rund läuft, die Arbeit unserer Putzfrauen und Kuriere genauso wichtig wie jene der Redakteure“, begründet Verlagsinh­aberin Uta Börger, warum sie das einheitlic­he Grundgehal­t gut findet.

Das Konzept habe sie zusammen mit den Mitarbeite­rn entwickelt. Diese ins Boot zu holen, sei bei einem solchen Vorhaben wichtig, um Akzeptanz zu erreichen. Mittlerwei­le würden auch Bewerber angeben, sich aufgrund dieser Strukturen für eine Anstellung bei ihrem Verlag zu interessie­ren. Zurück zur Schubert. Hier findet die Idee der Gemeinwohl­ökonomie unter anderem bei der Beziehung zu den Lieferante­n Einfluss. Die Bäckerei pflegt einen intensiven Kontakt zu Bauern und Mühlen, die sich in einer Erzeugerge­meinschaft zusammenge­schlossen haben. „Mit diesen Partnern verhandeln wir über drei Jahre Liefermeng­en und Preise. So haben die Landwirte, die Mühle und nicht zuletzt wir als Bäckerei einen fairen Umgang auf Augenhöhe und vor allem Planungssi­cherheit“, erzählt Schubert. Die Landwirte könnten Anbau und Einnahmen planen, ebenso wie er selbst sich auf Liefermeng­en und einen festen Kostenrahm­en verlassen könne. Dieser persönlich­e Umgang hat aus Schuberts Sicht aber noch mehr Vorteile: „Wir können verschiede­ne Dinge in enger Absprache auch einfach mal ausprobier­en und schauen, ob daraus mehr wird“, sagt der Bäckermeis­ter. Jüngstes Beispiel: Schubert bietet seit Kurzem ein Hanfbrot mit Zutaten aus der Region – weil er dem Landwirt eine Abnahme der Rohstoffe garantiert, kann dieser sich sorgenfrei mit dem Anbau beschäftig­en.

Für die Umsetzung dieses alternativ­en Wirtschaft­smodells der Gemeinwohl­ökonomie gibt es in Augsburg und der Region noch weitere Beispiele. Unter anderem weist der Dorfladen „Herzstück“in Diedorf bald die Margen einiger seiner Produkte aus. „Wir wollen unserem Kunden erklären, warum bei uns ein Ei mehr kostet, als im Supermarkt. Hierfür beschreibe­n wir, was zwischen Einkaufspr­eis und Verkaufspr­eis passiert und warum wir dieses Geld verlangen müssen“, erzählt Anja Dördelmann. Sie ist Vorstandsv­orsitzende der Genossensc­haft Herzstück Horgau, die hinter dem Laden steht. Den Mitglieder­n ist es wichtig zu zeigen, dass Regionalit­ät, fairer Handel und betriebswi­rtschaftli­che Sicherheit Hand in Hand gehen müssen. „Wir gewinnen zunehmend an Kunden und merken, dass Interesse hierfür besteht“, erzählt Dördelmann.

Ein Umdenken spürt auch Frank Schubert. „Immer öfter fragen die Menschen, was leistet das Unterbäcke­rei nehmen für die Gesellscha­ft, wie geht es mit seinen Mitarbeite­rn um, woher bezieht es seine Rohstoffe.“Dieser Wandel stütze seine Unternehme­nsphilosop­hie und schaffe die Grundlage, sich diese auch leisten zu können. Denn klar ist bei aller Euphorie auch, dass der Verzicht auf mehr Gewinn auch Folgen hat. „Weil unser Gewinn sicher begrenzter ist als bei anderen, müssen wir auch an der ein oder anderen Stelle zurück stecken. Wir haben beispielsw­eise ein kleineres Werbebudge­t als Mitbewerbe­r und können bei unseren Filialen auch nicht jeden Mietpreis bezahlen“, gibt Schubert zu. Unterm Strich ginge sein Agieren aber auf und schaffe einen Mehrwert für alle Beteiligte­n.

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Foto: Silvio Wyszengrad Frank Schubert ist Chef der gleichnami­gen Bio‰bäckerei in Augsburg.

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