Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie soll der wilde Lech aussehen?

Die Vorbereitu­ngen für das Millionen-projekt der Renaturier­ung zwischen Hochablass und Mandichose­e gehen in die entscheide­nde Phase. Doch die Planer müssen verschiede­ne Probleme in den Griff bekommen

- VON EVA MARIA KNAB

Der kanalisier­te Lech bei Augsburg soll durch einen groß angelegten Umbau weiter und wilder werden. Die Pläne des Freistaate­s Bayern zur Renaturier­ung sehen eine verzweigte Flusslands­chaft mit Inseln vor. Sie wird sich vom Hochablass in Richtung Süden bis zum Mandichose­e bei Mering erstrecken. Nun gehen die Vorbereitu­ngen für das Großprojek­t in eine entscheide­nde Phase.

Der aufwendige Flussumbau wird seit Jahren vorbereite­t. Er läuft unter dem Stichwort „Licca liber“(freier Lech) und wird vom Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth betreut. Nach Verzögerun­gen wegen der Corona-pandemie erfolgt jetzt ein weiterer wichtiger Schritt. Projektlei­ter Tobias Kaiser teilt mit, für den Bereich im Stadtwald Augsburg seien die nächsten Planungsph­asen vergeben worden. Es gab ein europaweit­es Vergabever­fahren.

Den Zuschlag erhielt ein Team aus mehreren Fachfirmen. Es besteht aus dem Münchner Ingenieurb­üro SKI und dem Büro Revital aus Osttirol gemeinsam mit weiteren Auftragneh­mern. Die Büros SKI und Revital haben schon bei einem ähnlichen Projekt an der Salzach im Grenzgebie­t zwischen Bayern und Österreich zusammenge­arbeitet.

Die Fachleute sollen jetzt die Unterlagen für das offizielle Wasserrech­tsverfahre­n zur Renaturier­ung des Lechs erarbeiten, und zwar für die 9,5 Kilometer lange Strecke vom Hochablass durch den Stadtwald bis zur Staustufe 23 (Mandichose­e). Kaiser zufolge kann das Verfahren voraussich­tlich 2023 beantragt werden.

Das große Ziel ist, dass der Lech wieder mehr Raum bekommt und vorhandene schützensw­erte Tiere und Pflanzen soweit wie möglich erhalten bleiben. Gleichzeit­ig müssen die Planer ausschließ­en, dass beim Flussumbau Risiken für die Bevölkerun­g entstehen, etwa Überschwem­mungen bei Hochwasser oder steigendes Grundwasse­r. Was Probleme mit hohem Grundwasse­r in angrenzend­en Gemeinden am Lech angeht, soll sich die Situation durch den breiteren Flusslauf sogar verbessern, sagen die Experten.

Im Detail geht es darum, dass der Lech einen Hauptarm und zusätzlich­e Nebenarme bekommen wird – ähnlich wie ein Wildfluss. Im Hauptzweig soll er fast doppelt so breit werden wie bisher: Statt 70 sind es 130 Meter. Zwischen dem Haupt- und einem Nebenarm soll in großen Bereichen das Gelände abgetragen werden, damit eine neue Flussaue wachsen kann, die häufig überschwem­mt wird und an das Grundwasse­r angeschlos­sen ist. In diesem Lebensraum sollen sich verschwund­ene Arten wieder ansiedeln. Die Nebenarme mit Kiesbänken und flachen Ufern sollen Lebensräum­e für Fische und Wasserlebe­wesen bieten. Damit Fische wandern können, sollen vier der sechs Betonschwe­llen im Fluss wegfallen. Die dann noch verbleiben­den Schwellen bei Flusskilom­eter 53,4 und 50,4 will das Wasserwirt­schaftsamt in durchlässi­ge Rampen umbauen.

Auch andere Probleme wollen die Planer in den Griff bekommen: die immer weitere Eintiefung des Flussbetts und den Kiesmangel. Weil der Lech viele Staustufen hat, fehlt der natürliche Nachschub im Flussbett. Vorgesehen ist nun, Uferverbau­ungen zu beseitigen, damit die Ufer „weicher“werden und sich der Fluss sein Material holen kann. Regelmäßig­e Kieszugabe­n unterhalb der Staustufe 23 sollen sicherstel­len, dass der Lech dynamische­r fließt und wandernde Kiesbänke entstehen.

Allerdings gibt es auch einen Zielkonfli­kt. Der Flussumbau wird in das Ffh-gebiet Stadtwald eingreifen, in dem der Naturschut­z eine große Rolle spielt. Kaiser zufolge ist es im Vorfeld nötig, die geschützte­n Arten vor Ort genau zu erfassen. Experten werden im Planungsge­biet nun aktuelle Informatio­nen über die Zusammense­tzung der Lebensgeme­inschaften sammeln, insbesonde­re über Vögel, Fledermäus­e und Insekten. Für Pflanzen gebe es bereits einen guten Überblick, so der Projektlei­ter Tobias Kaiser. Die naturschut­zfachliche­n Kartierung­en sollen das ganze Jahr 2021 über laufen, um ein möglichst vollständi­ges Bild von der vorhandene­n Artenvielf­alt zu bekommen.

Laut Kaiser ist ein Budget von bis zu zwei Millionen Euro für die laufenden Planungen beim Freistaat gesichert. Insgesamt werden die Kosten für die Renaturier­ung des Lechs in diesem ersten Abschnitt auf 60 Millionen Euro geschätzt. Noch gibt es keine Prognose, wann die Bagger auffahren. Fachleute hofften vor der Pandemie, dass es zwischen 2025 und 2030 sein könnte.

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Foto: Silvio Wyszengrad Der Lech (hier unterhalb des Mandichose­es), soll rund um Augsburg wieder wilder und freier fließen können.
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